Dr. Alexander Schall, MJur (Oxford) / André Westhoff, lic. oec. (St. Gallen)*

Die Neuwahlen zum Deutschen Bundestag liegen hinter uns -- kommt jetzt die "UGG"?

Der vorgelegte Referentenentwurf zum MindestkapG (dazu Melchior, GmbHR 2005, R 165) ist im Juni am Widerstand der Union gescheitert. Unmittelbar vor der Bundestagswahl hat die Union die Einführung der Unternehmensgründergesellschaft ("UGG") vorgeschlagen. Dabei handelt es sich um eine neue Gesellschaftsform ohne Mindestkapital, die als alternative Rechtsform neben die bewährte GmbH treten soll. Damit wird ein Konzept aufgegriffen, das die Autoren vor einem Jahr an dieser Stelle angeregt haben (Schall/Westhoff, GmbHR 2004, R 381). Dieser Ansatz ist nach wie vor richtig und wurde durch die Entwicklung der letzten Monate weiter gestärkt.

Denn es geht nicht mehr um die Frage, ob in Deutschland überhaupt eine Gesellschaftsform ohne Mindestkapital zur Verfügung gestellt werden soll: Seit den Entscheidungen des EuGH in Sachen "Überseering" und "Inspire Art" wurden nach unseren Berechnungen 27.000 englische Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland gegründet. Jedoch bringt der Einsatz ausländischer Rechtsformen in Deutschland erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich. Dafür sind nicht nur die zahlreichen offenen IPR-Fragen verantwortlich. Dazu gehören Haftungsregime, Formerfordernisse und Mitbestimmung. Weiterhin versäumen bislang 22 % der Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland gegenüber nur 3 % der Gesellschaften in England und Wales die rechtzeitige Offenlegung des sog. annual returns gegenüber dem englischen Gesellschaftsregister. Eine Mißachtung dieser Publizitätspflichten führt zu einer Streichung der Gesellschaften aus dem englischen Gesellschaftsregister. Die damit verbundenen Rechtsfolgen sind im einzelnen unklar, aber in jedem Fall für alle Seiten unerfreulich. Grundsätzlich würde vorhandenes Gesellschaftsvermögen als bona vacantia der Krone zufallen. Zur Rückübertragung käme es allerdings, falls übergangene Gläubiger die Wiedereintragung der Gesellschaft durchsetzen. Bei der Limited in Deutschland steht im Fall der Fortführung des Geschäftsbetriebs auch die Entstehung einer OHG oder eines einzelkaufmännischen Geschäfts im Raum, was zur Haftung der Gesellschafter auch für die Altschulden führen könnte. Wie die Dinge momentan liegen, wird die Queen wohl bald schon als Grunderwerbsteuerschulderin und Zustandsstörerin in Deutschland herangezogen.

Vor diesem Hintergrund ist Einführung einer deutschen "Limited" die richtige Antwort auf die Nachfrage des Markts nach "billigerer" Haftungsbeschränkung. Sie reduziert die Transaktionskosten für ihre Gründer und ermöglicht diesen eine deutlich gesteigerte Rechtssicherheit. Zudem vermeidet eine neue inländische Gesellschaftsform ohne Mindestkapital das größte Versäumnis der bisherigen Reformversuche: Eine Abschaffung des Mindestkapitals -- wie sie im Rahmen der GmbH-Reform ursprünglich vorgeschlagen wurde -- hätte zwangsläufig auch Einführung der Schutzinstrumente nach angelsächsischen Vorbild in das GmbH-Recht zur Folge gehabt. Damit wären gravierende Rechtsänderungen für über eine Million bereits bestehende GmbHs -- gegen die Interessen ihrer Gesellschafter und Geschäftsführer -- entstanden, nur um künftige Neugründungen zu erleichtern. Die im Rahmen des MindestkapG vorgeschlagene Senkung Stammkapitals der GmbH auf 10.000 €, hätte das traditionelle System erodiert, ohne von den Vorzügen der angelsächsischen Alternative zu profitieren.

Der Interessengegensatz zwischen bestehenden Gesellschaften und ca. 20 % der Gründer von Kapitalgesellschaften, die sich innerhalb der letzten 3 Jahre für die Rechtsform einer englischen Limited entschieden haben, kann nur durch die Einführung einer neuen Rechtsform in Deutschland ausgeglichen werden. Dabei sind für die Gesellschaft ohne Mindestkapital maßgeschneiderte Schutzinstrumente erforderlich. Einer der entscheidenden Gesichtspunkte in dieser Frage: die Gläubiger dieser Gesellschaften müssen einfacher und schneller Insolvenz beantragen dürfen. Nach dem englischen Insolvency Act reicht die bloße Nichtzahlung nach Fristsetzung aus, um einen Insolvenzantrag zu begründen. In England werden jede Woche reihenweise und fast automatisiert Insolvenzverfahren auf Antrag der Gläubiger eröffnet. In Deutschland braucht man dagegen bislang erst Titel und Vollstreckungsversuch. So geht wertvolle Zeit verloren. Antragsrecht statt Antragspflicht muß daher das Motto für das Insolvenzrecht der neuen Gesellschaft lauten. Daneben ist natürlich auch über eine sinnvolle Struktur der Haftung von Geschäftsführer und Gesellschafter nachzudenken, etwa nach Art des englischen wrongful trading. Das GmbH-Recht bedürfte demgegenüber keiner unmittelbaren Änderungen. Hier ließe sich dann auf Sicht sogar an eine Verschärfung des Gläubigerschutzinstrumentariums bis hin zur eienr "GmbH Gold" denken, was auch der Tendenz der jüngeren BGH-Rechtsprechung (Mantelverwendung, Gesellschafterdarlehen) entspricht.

Mit Etablierung dieser neuen Rechtsform wäre Deutschland das erste Land, das auf die Dreiteilung von Klein-, Mittel-, und Großunternehmen mit einem dreigliedrigen Gesellschaftsrecht reagiert -- eine Innovation, die auch auf europäischer Ebene vorzeigbar wäre. Letztlich legt die Bezeichnung "UGG" jedoch einen Wechsel reiferer Unternehmen in eine andere Rechtsform nahe. Da eine derartige Pflicht jedoch rechtspolitisch keineswegs wünschenswert ist, erscheint die Rechtsformbezeichnung "FlexCap" weiterhin treffender.

 

* Dr. Alexander Schall, MJur (Oxford) ist wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Recht und Ökonomik der Universität Hamburg und Habilitand bei Prof. Dr. Heribert Hirte; André Westhoff, lic. oec. (St. Gallen) ist Associate bei der Boston Consulting Group in Wien und Doktorand bei Prof. Dr. Heribert Hirte am Seminar für Handels-, Schiffahrts- und Wirtschaftsrecht der Universität Hamburg.

 



Zurück