Thomas Wachter,
Notar, Osterhofen (Bayern)

GmbH-Recht in Europa: Die Rolle der Notare

I. Gemeinsame Grundstrukturen der GmbH im In- und Ausland

Vor nunmehr 110 Jahren hat der deutsche Gesetzgeber die GmbH geschaffen. Ein Vorbild für die neue Rechtsform gab es damals weder im Inland noch im Ausland. Schon wenige Jahre nach ihrer Einführung ist die neue Gesellschaftsform auf großes Interesse gestoßen und seitdem in zahlreichen ausländischen Rechtsordnungen übernommen worden. Heute ist die Rechtsform der GmbH in mehr als einhundert Ländern verbreitet (s. dazu nur Lutter, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, Köln 1992, S. 49 ff.). Obwohl die rechtliche Ausgestaltung in den einzelnen Ländern naturgemäß recht unterschiedlich ist, bestehen doch zahlreiche gemeinsame Grundstrukturen. Dazu gehören u.a.:

Die Gründungsprüfung wird dabei in der Regel nicht alleine durch die staatlichen Gerichte und Verwaltungsbehörden vorgenommen, die für die Führung der öffentlichen Handelsregister verantwortlich sind. Im Interesse der Beschleunigung des Gründungsvorgangs erfolgt die notwendige Rechtmäßigkeitsprüfung vielmehr oftmals bereits im Vorfeld durch eine unabhängige Urkundsperson im Zusammenhang mit der Errichtung der Gesellschaft. Für die Gründung einer GmbH ist daher in den meisten Ländern die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags vorgesehen (z.B. in Argentinien, Belgien, Brasilien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Japan, Kroatien, Liechtenstein, Luxemburg, Mexiko, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweiz, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Südkorea, Tschechische Republik, Türkei).

II. Schriftform oder notarielle Beurkundung bei GmbH-Errichtung?

Im Hinblick auf die Fortentwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts und die Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnologien hat sich Nowotny (Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien) aus der Sicht des österreichischen Rechts jüngst ausführlich mit dem "Zweck und Sinnhaftigkeit des Notariatsakts bei der GmbH-Gründung" befaßt (öAnwBl 2002, 255 ff.). Die Errichtung einer GmbH erfolgt nach österreichischem Recht durch einen Notariatsakt (§ 4 Abs. 3 öGmbHG). Unter Hinweis u.a. auf die Rechtslage in Frankreich und Dänemark vertritt Nowotny die Auffassung, daß bei der Bargründung einer österreichischen GmbH ein Notariatsakt dann nicht zwingend erforderlich sei, wenn das Stammkapital bei Gründung der Gesellschaft in voller Höhe einbezahlt wird. In diesem Fall soll ausnahmsweise die Schriftform für die GmbH-Gründung ausreichend sein. Die gleichwohl notwendige Prüfung der Identität der Gesellschafter soll durch das Firmenbuchgericht erfolgen. Wird das Stammkapital bei der Gründung dagegen nur teilweise aufgebracht oder die Gesellschaft im Wege der Sachgründung errichtet, soll ein Notariatsakt weiterhin erforderlich sein.

III. Zwecke der Mitwirkung des Notars bei GmbH-Errichtung

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen Zweck die Mitwirkung eines Notars bei der Errichtung einer GmbH heute noch erfüllt.

Die notarielle Beurkundung der GmbH-Gründung hat sich in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Staaten hervorragend bewährt. Die Reformstaaten Mittel- und Osteuropas haben bei der Neugestaltung ihres nationalen Gesellschaftsrechts bewußt auf diesen Grundlagen aufgebaut. Die Schweiz, die derzeit ihr GmbH-Recht grundlegend reformiert, hält auch in Zukunft an der Notwendigkeit der notariellen Beurkundung der Gesellschaftsgründung fest. Es ist daher nur konsequent, wenn dieser Kernbestandteil des internationalen GmbH-Rechts auch die Grundlage für eine künftige Fortentwicklung und Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts bildet. Das Projekt einer Europäischen Privatgesellschaft geht daher zu Recht davon aus, daß die Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Schutz der Beteiligten durch die notarielle Beurkundung effizient gewährleistet werden kann (ausführlich dazu Priester in Hommelhoff/Helms (Hrsg.), Neue Wege in die Europäische Privatgesellschaft, Köln 2001, S. 143 ff.).

IV. Anforderungen aus europarechtlicher Sicht

Die zentrale Bedeutung der notariellen Beurkundung bei der Errichtung von Kapitalgesellschaften hat der europäische Gesetzgeber schon vor mehr als dreißig Jahren zutreffend erkannt. Nach Art. 10 der europäischen Publizitätsrichtlinie (RL 68/151/EWG) müssen der Errichtungsakt und die Satzung der Gesellschaft sowie Änderungen der Akte öffentlich beurkundet werden, wenn die Gesellschaftsgründung keiner vorbeugenden Verwaltungs- oder gerichtlichen Kontrolle unterworfen ist. Soweit die gerichtliche Kontrolle eingeschränkt ist (wie z.B. in Deutschland gemäß § 9c Abs. 2 GmbHG oder in Italien gemäß Art. 2475 II, 2330 III 2 Codice Civile, geändert durch Art. 32 des Gesetzes Nr. 340 v. 24.11.2000; s. auch Art. 3 Abs. 2 Buchst. a des Gesetzes Nr. 366 v. 3.10.2001), ist die notarielle Beurkundung damit bereits aus europarechtlichen Gründen zwingend erforderlich.

V. Nutzung moderner Kommunikationstechnologien

Die modernen Kommunikationstechnologien sollten für den europäischen Rechts- und Geschäftsverkehr mehr als bisher genutzt werden. Die Schaffung eines europäischen Unternehmensregisters mit online Zugriffsmöglichkeiten könnte die Grundlage für zeit- und kostengünstige Informationen über die Rechtsverhältnisse an europäischen Gesellschaften bieten. Die Sicherheit des Rechtsverkehrs ist indes nur dann gewährleistet, wenn die Eintragungen in einem solchen Register auf der Grundlage geprüfter und aktueller Daten erfolgen. Das Netzwerk europäischer Notare könnte gewährleisten, daß die notwendigen Informationen nach einheitlichen Kriterien ermittelt werden und in zuverlässiger Form (gegebenenfalls auch mehrsprachig) an ein europäisches Unternehmensregister übertragen werden. Um in Zukunft auch eine grenzüberschreitende Stimmrechtsausübung und virtuelle Gesellschafterversammlungen zu ermöglichen, sollten in das Unternehmensregister auch verläßliche Informationen über die Gesellschafter und die jeweiligen Beteiligungsverhältnisse aufgenommen werden.

 

 


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