Dr. Oliver Vossius, Notar, München*

Zum Entwurf eines ganzheitlichen GmbH-Reformgesetzes aus der Praxis

Gut eine Generation nach der letzten großen Generalüberholung redet man wieder von der GmbH-Reform. Der Anstoß hierzu kam Mitte 2003 aus Sachsen mit einer Umfrage zu den Möglichkeiten, den sog. "GmbH-Bestattern" das Handwerk zu legen. Doch noch während Justizverwaltungen und Verbände über ihren Stellungnahmen brüteten, entschied der EuGH die Rechtssache Inspire Art. Mit einem Paukenschlag ging damit die über 100 Jahre währende splendid isolation des deutschen Gesellschaftsrechts zu Ende. Seither sind auch ausländische Gesellschaften eine Alternative zu den herkömmlichen Rechtsformen.

Wie in unserem von German Angst geprägten Umfeld nicht weiter verwunderlich, waren sogleich die Kassandras zur Stelle. Dem Untergang geweiht sei sie, die GmbH, zu schwerfällig und zu teuer, zu langsam seien die deutschen Handelsregister. In dem Bestreben, den eigenen Anteil am Rechtsberatungsmarkt zu maximieren, sehen diese Autoren vielfach gar nicht, daß sie mit ihrem vorbehaltlosen Plädoyer für die Limited dieses Geschäft eher den Londoner law firms zubringen als ihren eigenen Büros. Wie in solchen Debatten üblich, zählen Rechtstatsachen dabei kaum.

Unsere Politik, die den Beruf des Gesetzgebers oft mit dem des paparazzo verwechselt, läßt sich hier natürlich nicht lange bitten. Auf dem "Job-Gipfel" im März 2005 hat man "zum Abbau von Bürokratie" prompt die Absenkung des gesetzlichen Mindestkapitals bei der GmbH beschlossen. Der entsprechende Gesetzesentwurf wurde in Fachkreisen übereinstimmend als unüberlegter Schnellschuß kritisiert, der weder die echten Probleme des deutschen GmbH-Rechts löst noch einen Beitrag zu deren Wettbewerbsfähigkeit leistet (s. nur Kleindiek, DStR 2005, 1366; Priester, ZIP 2005, 921; Priester, DB 2050, 1315; Karsten Schmidt, DB 2005, 1095; Triebel, NJW-Editorial, Heft 32/2005; Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2005, 548). Statt einer (ergebnis-)offenen Diskussion über das deutsche GmbH-Recht arbeitet man schon wieder an neuen punktuellen Reformüberlegungen (diesmal wohl vor allem im Landesjustizministerium NRW in Düsseldorf). Für Außenstehende entsteht dabei der Eindruck, daß die verantwortlichen Politiker eher die Unterstützung von Medienberatern als von Experten des Gesellschaftsrechts suchen. Der Sachverstand von Wissenschaft und Praxis scheint jedenfalls kaum gefragt zu sein. Selbst die sonst so beliebte Methode, zur Lösung anstehender Probleme eine Kommission einzusetzen, ist bislang nicht zum Einsatz gekommen -- obwohl sie hier vielleicht wirklich einmal angebracht wäre. Was die politische Ebene der Ministerialverwaltung zur Umsetzung derzeit vorgibt, ist deren Qualifikation nicht angemessen. Motto für diese Art der Gesetzgebung ist: es muß etwas geschehen, ohne daß etwas passiert.

Seit Inspire Art sind nun zwei Jahre vergangen, die Gemüter fürs erste abgekühlt. Wenn nun das Companies House bald die ersten Limiteds löscht, weil die erforderlichen annual accounts samt annual report nicht eingereicht wurden, wird sich Katzenjammer breit machen. Aber ob mit oder ohne Limited: unsere GmbH ist reformbedürftig, denn auf folgende Fragen gibt unserer Recht keine befriedigenden Antworten:

(1) Warum läßt sich trotz § 15, § 16, § 17 und § 40 GmbHG nur mit großem Aufwand feststellen, wem eine GmbH eigentlich gehört? Jeder, der seine Abendstunden mit dem Aufdröseln von Beteiligungsverhältnissen verbracht hat, wird dies bestätigen, von der Entwertung des Geschäftsanteils als Kreditsicherheit ganz zu schweigen.

(2) Warum können die deutschen Unternehmen ihre GmbH nicht ebenso ins Ausland mitnehmen wie die Engländer ihre Limited oder die Holländer ihre B.V.?

(3) Wem nützt unser bis ins letzte ausdifferenzierte System des Kapitalschutzes wirklich? Ist es nicht eher eine Sinekure für den Insolvenzverwalter? Ist es angesichts des hohen Regelungsaufwands und des mäßigen Nutzens überhaupt noch verhältnismäßig? Prämiert es nicht risikoaverses Verhalten und setzt daher ökonomisch falsche Signale?

(4) Wie kommt es, daß Gauner wie etwa die GmbH-Bestatter noch immer ihr Unwesen treiben können?

(5) Warum brauchen einzelne Handelsregister für Eintragungen immer noch vergleichsweise lange, während viele andere Gerichte fast schon mit Lichtgeschwindigkeit arbeiten?

Einen "Königsweg" für die GmbH-Reform gibt es nicht. Politische Schnellschüsse reichen jedenfalls nicht aus. Diese zeigen auch erste Erfahrungen im europäischen Ausland. Die französische Ein-Euro-S.A.R.L. hat lediglich das Ansehen der Rechtsform weiter geschwächt, aber bislang nicht zu dem erhofften Boom bei Unternehmensneugründungen geführt. Die Frage des Mindestkapitals ist im Wettbewerb der Rechtsformen offenbar nicht entscheidend. Mit der spanischen "Blitz-GmbH" hat der Schlaf der Vernunft ein Ungeheuer geboren, das die an sie gestellten Erwartungen in keiner Weise erfüllt. Der Zeitgewinn von ein paar Tagen um den Preis der Verwendung einer standardisierten Mustersatzung ist für die meisten spanischen Unternehmer offenbar keine Alternative. Den unterschiedlichen Bedürfnissen kann man eben nur mit maßgeschneiderten Gesellschaftsverträgen gerecht werden.

Gefragt ist also ein ganzheitlicher Ansatz, der neben dem Zivil-, Handels- und Gesellschaftsrecht auch das Bilanz- und Insolvenzrecht berücksichtigt. Alle oben genannten wunden Punkte des GmbH-Rechts sind schließlich miteinander verwoben. Fährt man z.B. das Niveau des Kapitalschutzes zurück, müssen Rechnungslegung und Beteiligungsverhältnisse deutlich transparenter werden, Haftungsfragen stellen sich neu. Nur eine Zahl in § 5 Abs. 1 GmbHG zu verändern, reicht eben nicht. Man muß schon das gesamte GmbH-Gesetz unter die Lupe nehmen. Die Verfasser freuen sich, nunmehr den ersten in sich geschlossenen Reformentwurf präsentieren zu können und sind gespannt auf das Urteil der Fachwelt. Dieser Entwurf (PDF-Dokument) )nebst Begründung (PDF-Dokument) kann auf der Internetseite der GmbH-Rundschau unter "www.gmbhr.de/volltext.htm" abgerufen werden.

 

* Herrn Thomas Wachter, Notar in Osterhofen (Bayern), danke ich sehr für seine Mitarbeit.



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