Wolfgang Müller, LL.M. und Sebastian Müller-Potthoff*

Auf Geschäftsreisen erworbene "Vielflieger-Bonuspunkte" gehören dem Arbeitgeber

Vor gut vier Jahren sorgte die ordnungsgemäße Behandlung von dienstlich erworbenen Bonusmeilen schon einmal für Aufsehen in der Öffentlichkeit. Im Rahmen der sog. "Meilen-Affäre" sah sich der damalige Grünen-Politiker Cem Özdemir auf öffentlichen Druck hin zu seinem Rücktritt gezwungen, nachdem mehrfach über Politiker berichtet wurde, die dienstlich erworbene Bonusflugmeilen privat genutzt hatten. Seitdem müssen ausscheidende Parlamentarier ihre Bonusflugmeilen für Dienstflüge dem Bundestag übertragen.

Aktuelle BAG-Entscheidung

Auch im Hinblick auf die in der freien Wirtschaft bestehenden Arbeitsverhältnisse ist nunmehr geklärt, dass die auf Geschäftsflügen gesammelten Bonusmeilen dem Arbeitgeber gehören. Insoweit hat das nun vorliegende Urt. des BAG v. 11.4.2006 -- 9 AZR 500/05 (Volltext; s. bereits die wesentliche Rechtsaspekte beinhaltende Pressemitteilung des BAG Nr. 23, GmbHR 2006, R 175) für Klarheit gesorgt -- zumindest größtenteils.

In dem entschiedenen Fall musste der klagende Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit als Verkaufsleiter Ausland häufig dienstliche Flugreisen ins Ausland unternehmen, die ausschließlich der Arbeitgeber bezahlte. Als dementsprechender Vielflieger nahm der Arbeitnehmer seit 1993 an dem "Miles & More"-Programm der Deutschen Lufthansa teil, so dass die dienstlich veranlassten Flugmeilen seinem persönlichen Meilenkonto gutgeschrieben wurden. Das Meilenkonto des Arbeitnehmers wies inzwischen 350.000 Bonuspunkte, die einem Wert von etwa 9.700 € entsprachen, auf. Nachdem der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum seine gesammelten Bonusmeilen mit Duldung des Arbeitgebers auch für private Zwecke verwenden durfte, verlangte der Arbeitgeber im Januar 2003, dass alle im Unternehmen beschäftigten Besitzer einer "Miles & More"-Karte ihre Punktestände monatlich der Geschäftsleitung vorlegen und die gesammelten Bonuspunkte fortan ausschließlich für geschäftliche Zwecke nutzen sollten. Der Kläger bestand auf die weiterhin private Nutzungsmöglichkeit der dienstlich erworbenen Bonusflugmeilen und erhob entsprechende Feststellungsklage.

Nachdem das ArbG Siegen dieser in erster Instanz stattgegeben hatte, erfolgte eine Klageabweisung in zweiter Instanz vor dem LAG Hamm. Das im Rahmen der Revision angerufene BAG hat sich der Auffassung des LAG angeschlossen.

Zwar Herausgabepflicht von geschäftlich Erlangtem ...

Die damit gegen den Arbeitnehmer ausgefallene Entscheidung stützt sich auf § 667 Alt. 2 BGB. Mit Blick auf diese Vorschrift stehen dem Arbeitgeber als Auftraggeber die Sondervorteile aus dem "Miles & More"-Programm zu, da der beauftragte Arbeitnehmer verpflichtet ist, seinem auftraggebenden Arbeitgeber alles herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Diese auch im Arbeitsrecht Anwendung findende Herausgabepflicht gilt für alle Vorteile, soweit sie dem Arbeitnehmer von einem Dritten nicht nur bei Gelegenheit, sondern aufgrund eines inneren Zusammenhangs mit dem geführten Geschäft gewährt worden sind. Dem Arbeitgeber, für dessen Rechnung und damit auch auf dessen Kosten ein anderer Geschäfte führt, gebühren die gesamten Vorteile aus dem von dem Arbeitnehmer geführten Geschäft. Dementsprechend durfte der Arbeitgeber im vorliegenden Fall dem Arbeitnehmer nicht nur untersagen, die Bonusmeilen zu privaten Zwecken zu nutzen. Vielmehr konnte der Arbeitgeber auch verlangen, dass die Bonusmeilen in seinem wirtschaftlichen Interesse zur Bezahlung von Dienstflügen eingesetzt werden.

Soweit so gut. Auch wenn diese -- auf den ersten Eindruck wohlmöglich vollständig wirkende -- Entscheidung längst nicht alle rechtlichen Aspekte behandelt, hat sie doch bei vielen Arbeitgebern eine gewisse Erleichterung herbeigeführt, denn eine einheitliche Regelung im Umgang mit Bonusmeilen gab es bislang nicht. Während einige Arbeitgeber die auf Dienstflügen gesammelten Meilen in ihren Reiseetat zurückrechneten, stellten andere Arbeitgeber ihren Mitarbeitern ausdrücklich die erworbenen Flugmeilen für private Reisen zur Verfügung.

... aber langjährige betriebliche Übung?

Gleichwohl liegen die Tücken der Entscheidung des BAG im Detail. Zwar lässt das Rechtsgefühl auf den ersten Eindruck zu der Überzeugung gelangen, dass die Dienstreisen nun einmal auf Kosten des Arbeitgebers durchgeführt werden und dieser daher auch das Recht haben muss, über die Verwendung der Bonusmeilen zu entscheiden. Rechtlich ist dennoch unbefriedigend, dass der Arbeitgeber offensichtlich über einen längeren Zeitraum die private Nutzung der gesammelten Bonusmeilen geduldet hatte. Unter dem arbeitsrechtlichen Gesichtspunkt der sog. betrieblichen Übung könnte insoweit auf Arbeitnehmerseite ein Vertrauenstatbestand zur auch künftig bestehenden privaten Nutzungsmöglichkeit der durch Dienstflüge gesammelten Bonusmeilen entstanden sein. Eine betriebliche Übung liegt nämlich vor, wenn der Arbeitgeber wiederholt freiwillig Leistungen erbringt, ohne vertraglich dazu verpflichtet zu sein und die Arbeitnehmer aus einer vorbehaltlosen Gewährung schließen können, diese Leistung solle ihnen auf Dauer gewährt werden. Allgemein wird durch eine mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Leistung eine Verpflichtung des Arbeitgebers begründet (vgl. nur BAG v. 14.8.1996 – 10 AZR 69/96, AP Nr. 47 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Den insoweit entstandenen Anspruch des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nicht durch einseitige Erklärung, etwa in Form des Widerrufs, beseitigen. Allerdings hält es das BAG für zulässig, dass eine betriebliche Übung durch eine gegenläufige betriebliche Übung beseitigt werden kann (vgl. BAG v. 26.3.1997 – 10 AZR 612/96, AP Nr. 50 zu § 242 BGB -- Betriebliche Übung). Gegenüber neu eingestellten Mitarbeitern verbleibt dem Arbeitgeber allerdings selbstverständlich die Möglichkeit, die betriebliche Übung durch einen eindeutigen Hinweis auszuschließen.

Ob im vorliegenden Fall letztendlich tatsächlich die vorgenannten Voraussetzungen einer betrieblichen Übung vorlagen, hat das BAG ausdrücklich offen gelassen. Wäre dies der Fall gewesen, hätte sich der Arbeitgeber nicht einfach von der Sonderleistung in Form der Erlaubnis zur privaten Nutzung der dienstlich erworbenen Bonusmeilen lösen können; es hätte vielmehr einer Vertragsänderung mit Einverständnis des Arbeitnehmers oder etwa einer -- gerichtlich überprüfbaren -- Änderungskündigung bedurft.

Rechtssicherheit durch Regelung im Arbeitsvertrag

Nach wie vor bleibt es natürlich jedem Arbeitgeber überlassen, die private Nutzung der durch seine Mitarbeiter erworbenen Bonusmeilen zu gestatten. Zur Rechtssicherheit aller Beteiligten sollte dies durch eine entsprechende Abrede im Arbeitsvertrag erfolgen. Auch kann eine derartige Einigung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat oder etwa im Rahmen einer sog. Dienstreise-Richtlinie festgelegt werden. Um im Einzelfall dennoch eine dienstliche Nutzung der gesammelten Bonusmeilen durchsetzen zu können, sollte auf Arbeitgeberseite in jedem Fall auf die Aufnahme eines entsprechend ausdrücklichen Vorbehalts geachtet werden.

 

* Wolfgang Müller, LL.M. ist als Rechtsanwalt in Remscheid tätig; Sebastian Müller-Potthoff studiert Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und ist Mitarbeiter der Kanzlei Lepperhoff, Kohl & Partner GbR, Steuerberater -- vereidigter Buchprüfer -- Rechtsanwälte in Remscheid.

 



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