Dr. Wolfgang Lingemann, Köln*

Das Unternehmenssteuer-Zurückentwicklungs-Paket

So hatten sich die Wähler es sich eigentlich nicht vorgestellt: Die "Kontinuität" der Regierungsarbeit in der Steuerpolitik wurde nach der Wahl schleunigst gebrochen, und nun scheint die neue alte Regierung wie ausgewechselt! Aus der jüngst als Anlage zum Koalitionsvertrag veröffentlichten "Giftliste" spricht die nackte finanzielle Not, in die Hans Eichel schon vor der Bundestagswahl geraten ist. Im Koalitionsvertrag selbst liest sich alles so vernünftig: "Wir werden den Abbau ungerechtfertigter, ökonomisch fragwürdiger und ökologisch schädlicher Steuersubventionen und Steuervergünstigungen konsequent fortführen. Dauersubventionen belasten die Allgemeinheit, hemmen Wachstum und Beschäftigung, engen die staatlichen Handlungsspielräume ein und verzerren die Preise am Markt. Sie behindern einen fairen Wettbewerb, verkomplizieren das Steuerrecht und führen zu Ungerechtigkeiten. ... Wir wollen, daß auch große und international tätige Unternehmen ihren Beitrag für das Gemeinwesen leisten. Deshalb wollen wir geeignete Maßnahmen umsetzen wie z.B. eine Begrenzung der Verlustverrechnungen als eine faktische Mindestbesteuerung für große Unternehmen." Aha, den Großen geht es an den Kragen -- aber nein, es kommt für alle viel schlimmer. Der Bundeskanzler ließ sich zwar gut eine Woche nach der Veröffentlichung der geplanten Maßnahmen hören, er wolle den Spendenabzug für Kapitalgesellschaften, die Einprozent-Regelung bei den Dienstwagen und die im Vergleich zur Mineralölsteuer niedrigere Gassteuer beschützen. Das tröstet ein wenig, aber die steuerpolitische Verwirrung scheint perfekt.

I. Ein Blick auf den bisherigen Stand der Unternehmenssteuerreform

Dabei ist im Herbst 2002 die Finanzverwaltung noch zu einem großen Teil mit der ministeriellen Verdauung der Unternehmenssteuerreform 1999/2000/2002 befaßt (und wohl auch geschlagen), da müssen schon wieder neue Gesetzentwürfe geschrieben werden. Zahlreiche BMF-Schreiben, die zum Teil schon für den April 2002 verheißen waren, sollten noch vor Jahresende das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Zu denken ist an die Schreiben zu

Die Tinte der Schreiben ist noch nicht trocken, da verströmt der Koalitionsvertrag schon sein Gift über die "alte" Unternehmenssteuerreform und verwandelt womöglich das Papier zu Makulatur. Denn es wird erwogen, gerade die Neuregelungen für Kapitalgesellschaften in einem sog. "Schnelläufergesetz" gerade noch in 2002 zu verabschieden (Handelsblatt v. 29.10.2002, S. 4) mit der Folge, daß Änderungen sogar noch in das Jahr 2002 zurückbezogen werden könnten.

II. Geplante neue Maßnahmen im Unternehmensbereich

Man liest jetzt z.B. (der vollständige Text steht zum Download bei www.finanz-rundschau.de):

Ausdehnung des Abzugsverbots nach § 3c Abs. 1 EStG für Ausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen bei Kapitalgesellschaften bei gleichzeitiger Streichung des § 8b Abs. 5 KStG: Nach § 3c Abs. 1 EStG sind Betriebsausgaben von Unternehmen, die mit steuerfreien Einnahmen (z.B. steuerbefreite Auslandsdividenden) in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht zum Abzug zugelassen. Das betrifft z.B. Schuldzinsen für die Finanzierung des Erwerbs von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften. Das Abzugsverbot gilt bisher maximal für Ausgaben bis zur Höhe der tatsächlich zufließenden steuerfreien Einnahmen. Darüber hinaus gehende Ausgaben sind in vollem Umfang steuerlich abziehbar. Die geplante Erweiterung soll dies künftig verhindern. Durch die Streichung des § 8b Abs. 5 KStG entfällt überdies eine nach Auffassung der Koalition begünstigende Sonderregelung für Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften.

Sog. Mindestbesteuerung: Es handelt sich um die Begrenzung des Verlustabzugs auf die Hälfte des Gesamtbetrags der Einkünfte bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer bzw. auf die Hälfte des Gewinns aus Gewerbebetrieb nach Berücksichtigung der Hinzurechnungen und Kürzungen bei der Gewerbesteuer. Der Verlustvortrag ist bisher der Höhe nach unbegrenzt möglich. Die vorgesehene Regelung führt dazu, daß Verluste aus Vorjahren in künftigen Veranlagungszeiträumen nicht mehr zu einer Reduzierung der Einkünfte bis hin zu 0 Euro führen können.

Begrenzung des Verlustvortragszeitraums auf sieben Jahre bei der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für Verluste, die ab VZ 2003 in Anspruch genommen werden: Der Verlustvortrag ist bisher zeitlich unbegrenzt möglich. Für die vorgesehene Begrenzung der Vortragsmöglichkeit auf 7 Jahre ist derzeit eine Härtegrenze von 500.000 Euro für kleinere Unternehmen im Gespräch.

Ausschluß des Übergangs von Verlusten im Erbfall auf den Erben: Nach neuer Rechtsprechung kann ein nicht verbrauchter Verlustvortrag auf den Erben übergehen. Künftig soll der frühere Rechtszustand wieder hergestellt werden.

Ausschluß des Übergangs von Verlusten bei Verschmelzungen bzw. Spaltungen auf den Rechtsnachfolger: Im Zuge der Verschmelzung geht ein Verlustvortrag auf die aufnehmende Kapitalgesellschaft über, wenn diese den "übernommenen Betrieb" fünf Jahre im Wesentlichen unverändert fortführt. Bei einer Spaltung geht ein Verlustvortrag entsprechend der "Spaltungsquoten" auf die Rechtsnachfolger über. Künftig sollen in diesen Fällen Verlustvorträge nicht mehr übergehen.

Verschärfung der Regelung zum sog. Mantelkauf durch Streichung des Tatbestandsmerkmals der Betriebsvermögenszuführung: Durch den Erwerb eines sog. Unternehmensmantels können Kapitalgesellschaften ihre Steuerbelastung senken, indem sie frühere Verluste der aufgekauften Gesellschaft mit eigenen Gewinnen verrechnen. Nach geltendem Recht muß dafür die wirtschaftliche Identität der erworbenen Kapitalgesellschaft erhalten bleiben. Dies ist der Fall, wenn innerhalb von fünf Jahren nach dem Anteilsübergang nicht überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt wird. Künftig soll jedoch allein der Umfang der übertragenen Anteile maßgebend sein. Dadurch werden Gestaltungen verhindert, nach denen das neue Betriebsvermögen erst nach Ablauf der fünf Jahre zugeführt wird.

Ausdehnung der Regelung des § 14 Abs. 3 KStG auf alle Unternehmen, die dem Grundsatz der Spartentrennung unterliegen: Steuerliche Organschaften erlauben Verlustverrechnungen zwischen Gesellschaften. Nur in der Versicherungswirtschaft wurden bisher Organschaften mit Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen nicht anerkannt, weil derartige Unternehmen dem Grundsatz der Spartentrennung unterliegen, d.h. mit einem anderen Unternehmen (Muttergesellschaft/Organträger) wirtschaftlich keine Einheit bilden dürfen. Die Regelung wird jetzt auf alle Unternehmen ausgedehnt, die der Spartentrennung unterliegen (z.B. Spezialbanken).

Aufhebung der gewerbesteuerlichen Organschaft: Mit der geplanten Abschaffung der gewerbesteuerlichen Organschaft kommt es zur Verhinderung von Verlustverrechnungen bei der Gewerbesteuer.

Einführung einer Steuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile (§ 8b Abs. 4 KStG): Nach geltendem Recht können stille Reserven, die im Zuge einer Einbringung z.B. eines Betriebs übertragen werden, steuerlich beim Einbringenden nur dann erfaßt werden, wenn dieser seine Anteile innerhalb von sieben Jahren nach der Einbringung veräußert. Künftig entsteht die Steuerpflicht ohne zeitliches Limit.

Einschränkungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft: Durch steuerliche Nichtanerkennung der Rückwirkung eines Gewinnabführungsvertrags und einer Berücksichtigung der Organschaft erst nach dem Wirksamwerden des Gewinnabführungsvertrags soll es auch bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft zu Einschränkungen kommen.

"Streichung" der Mehrmütterorganschaft bei der Körperschaftsteuer: Durch die Streichung korrigiert der Gesetzgeber die jüngste Rechtsprechung des BFH (BFH v. 9.6.1999 -- I R 43/97, GmbHR 2000, 43 und v. 9.6.1999 -- I R 37/98, BFH/NV 2000, 347; dazu s. BMF v. 4.12.2000 -- IV A 2 - S 2770 - 3/00, GmbHR 2001, 43).

Verringerung des Anteils der Gewinnausschüttungen, die nach § 37 Abs. 2 KStG das KSt.-Guthaben mindern, von 1/6 auf 1/7 ohne Verkürzung des Übergangszeitraums sowie Begrenzung der Erstattung des KSt.-Guthabens auf die Hälfte der festgesetzten Körperschaftsteuer: Nach geltendem Recht führt eine Gewinnausschüttung zu einer Minderung der Körperschaftsteuer um 1/6 des Ausschüttungsbetrags. Dies ist unabhängig von der Höhe der Steuerschuld; d.h. es kann auch Erstattungen geben. Die Neuregelung beschränkt den jährlichen Minderungsbetrag; Erstattungsfälle kann es künftig nicht mehr geben.

III. Fazit

Manche Geister, die der Gesetzgeber kürzlich rief, möchte er jetzt gerne wieder loswerden. Daß es sich dabei nur um fragwürdige "Steuersubventionen" handelt, kann niemand so recht überzeugen, auch wenn das Gesetz, wie aus dem soeben bekannt gewordenen Entwurf der Bundesregierung ersichtlich, "Steuervergünstigungsabbaugesetz" heißen sollte.

 

* Schriftleiter der Finanz-Rundschau.


Das nächste "Unternehmenssteuerreformgesetz": Entwurf der
Bundesregierung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 1.11.2002

Die Umsetzung der steuerlichen Maßnahmen des neuen Koalitionsvertrages
soll in mehreren Gesetzgebungsschritten verlaufen, von denen das erste
Gesetz noch in 2002 verabschiedet wird. Der Gesetzentwurf der
Bundesregierung enthält bereits die Regelungen zur Einschränkung der
Verlustverwertung und z.B. die Aufhebung des Bankkundenschutzes, § 30a
AO. An dem Entwurf wird sich voraussichtlich aber noch etwas ändern.

Den Text können Sie hier herunterladen.

 


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