Dr. Jochen Blöse, MBA, Rechtsanwalt und Mediator CfM, Köln*

Der Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens

Nach rund siebeneinhalb Jahren Erfahrungen mit der Insolvenzordnung liegt nunmehr ein Gesetzentwurf zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vor (BR-Drucks. 549/06 v. 11.8.2006). In insgesamt sieben Regelungsbereichen werden Änderungen am geltenden Recht vorgeschlagen. Nach der Gesetzesbegründung dienen diese dazu, die festgestellten Unzulänglichkeiten im Bereich der Unternehmensinsolvenzen zu beheben, die übertragende Sanierung bereits vor dem Berichtstermin zuzulassen und klarstellende Regelungen im Zusammenhang mit der Auswahl des Insolvenzverwalters zu treffen.

Im Einzelnen sind folgende wesentliche Gesetzesänderungen beabsichtigt:

I. Auswahl des Insolvenzverwalters

Die derzeitige Fassung des § 56 InsO regelt die Auswahl des Insolvenzverwalters lediglich insofern, als das bestimmt ist, dass eine für den Einzelfall geeignete und von Gläubigern und Schuldner unabhängige Person auszuwählen ist. Die Vorschrift soll dahingehend ergänzt werden, dass der Verwalter aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist. Hintergrund ist die derzeitige praktische Übung zur Auswahl des Insolvenzverwalters. Zu diesem Zweck werden bei den Insolvenzgerichten Listen geführt, die in zwei unterschiedlichen Formen anzutreffen sind. Zum einen werden teilweise geschlossene Listen verwandt, in die Interessenten nur dann aufgenommen werden, wenn ein auf der Liste geführter Insolvenzverwalter ausscheidet. Zum anderen gibt es offene Listen, die allen Interessenten an der Übernahme von Insolenzverwaltungen offen stehen. Durch die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen soll -- auch vor dem Hintergrund des Beschl. des BVerfG v. 3.8.2004 -- 1 BvR 135/00 -- klargestellt werden, dass das Insolvenzgericht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters zunächst alle Personen in Betracht ziehen muss, die zur Übernahme an Insolvenzverwaltungen bereit sind. Die konkrete Auswahl erfolgt jedoch auf Grundlage eines weiten Auswahlermessens.

II. Öffentliche Bekanntmachungen

Veröffentlichungen im Insolvenzverfahren sollen künftig ausschließlich auf elektronischem Wege erfolgen. Begründet wird dies vor allem dadurch, dass durch die fortschreitende Verbreitung des Internets die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen sind, dass ein Zugang zu den Informationen gewährleistet ist und durch die Einrichtung einer bundeseinheitlichen Internet-Plattform das Insolvenzgeschehen auch umfassend dokumentiert werden kann. Zum zweiten wird darauf hingewiesen, dass diese Art der Veröffentlichung zu einer erheblichen Kostenbelastung führt, die in den Fällen, in denen die Verfahrenskosten gestundet werden, zumindest zeitweilig von der Staatskasse zu tragen ist.

III. Masseverwertung und übertragende Sanierung

In der Diskussion steht die Frage, inwieweit es gerechtfertigt ist, den Insolvenzverwalter schon im Eröffnungsverfahren die Möglichkeit einzuräumen, den Betrieb im Gesamten zu veräußern. Eine solche Maßnahme geht über Notverwertungen, die als zulässig erachtet werden hinaus. Notverwertungen in diesem Sinne sind lediglich Verwertungshandlungen hinsichtlich einzelner Massegegenstände, die notwendig sind, um erhebliche Wertminderungen zu verhindern. Nicht in diesen Bereich fällt jedoch die Veräußerung von wesentlichen Teilen des Anlagevermögens oder eben des gesamten schuldnerischen Betriebs. Der Gesetzentwurf hat sich dagegen entschieden, bereits im Eröffnungsverfahren eine vollständige Betriebsveräußerung zuzulassen. Dies wird vor allem dadurch begründet, dass zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststeht, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. Ohne die Sicherheit, dass das Unternehmen insolvenzreif ist, besteht aber auch keine Berechtigung, einen Eingriff in das Eigentum des Schuldners vorzunehmen. Eine Verwertungserleichterung soll für den Insolvenzverwalter im Wege einer Ergänzung des § 21 Abs. 2 InsO jedoch dadurch geschaffen werden, dass die Möglichkeit eingeräumt werden soll, ein Verwertungs- und Einziehungsverbot gegenüber Aussonderungsberechtigten und Sicherungsgläubigern zu verhängen. Zweck ist es, die Nutzung von mit Sicherungsrechten belasteten Betriebsmitteln zu ermöglichen, wenn diese für die Fortführung des Betriebs von wesentlicher Bedeutung sind. Die Interessen der Sicherungsgläubiger werden durch die Anordnung einer Ausgleichspflicht nach § 169 S. 2 u. 3 InsO sowie einer Entschädigung für nutzungsbedingten Wertverlust gewahrt. Nach dem Willen des Bundesrates soll diese Ausgleichspflicht allerdings nur dann bestehen, wenn durch die Nutzung die Sicherung des Gläubigers beeinträchtigt wird (BR-Drucks. 549/06 [Beschluss] v. 22.9.2006). Durch eine Ergänzung des § 158 wird die Möglichkeit der Betriebsveräußerung vor dem Berichtstermin geschaffen.

IV. Anpassungen bei Postsperre

Ziel einer Postsperre ist es, den Insolvenzverwalter in die Lage zu versetzen, sich einen vollständigen Überblick über das Vermögen des Schuldners zu verschaffen und die Aufgabe der Massesicherung zu erfüllen. Die praktische Durchführung einer Postsperre hat sich dadurch erschwert, dass das Beförderungsmonopol der Deutschen Post AG im Zuge der Liberalisierung des Postdienstleistungsmarktes entfallen ist. Der Adressat der Verpflichtung, Postsendungen dem Verwalter zuzuleiten, ist nach der geplanten Neufassung ausdrücklich im Beschluss des Insolvenzgerichts zu bezeichnen. Im Zweifel wird dies dazu führen, dass künftig alle Anbieter von Postdienstleistungen benannt werden.

V. Förderung einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners

Das Institut der Freigabe ist allgemein anerkannt in Fällen, in denen massezugehörige Gegenstände wertlos sind oder Kosten verursachen, die den zu erwartenden Verwertungserlös übersteigen. Davon ausgehend sieht der Gesetzentwurf in einer Ergänzung des § 35 um die neuen Abs. 2 u. 3 vor, dass der Insolvenzverwalter gegenüber einem Schuldner, der eine selbständige Tätigkeit ausübt oder der beabsichtigt, demnächst eine solche Tätigkeit aufzunehmen, erklären kann, dass dessen Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit nicht zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden können. Auf diese Weise soll die Motivation des Schuldners zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gesteigert werden.

Während der Regierungsentwurf vorsieht, dass auf Antrag des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung des Insolvenzverwalters anordnet, schlägt der Bundesrat vor, dass der Insolvenzverwalter insoweit nur mit Zustimmung des Gläubigerausschusses / der Gläubigerversammlung handeln darf. Der Bundesrat fordert weiterhin eine Klarstellung dazu, wie die Verbindlichkeiten zu behandeln sind, die aus einer Tätigkeit des Schuldners während des laufenden Insolvenzverfahrens entstehen. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sind diese Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten, wenn der Insolvenzverwalter die neu geschaffene Möglichkeit der Freigabe nicht nutzt. Da diese Wertung im Gesetzentwurf nur unzureichenden Ausdruck findet, drängt der Bundesrat auf Klarstellung.

VI. Masseunzulänglichkeitsanzeige

Die Verfasser des Gesetzentwurfs haben davon abgesehen, die zeitweise geplante Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung einer Masseunzulänglichkeitsanzeige des Insolvenzverwalters vorzusehen. Die Entscheidung gegen eine solche Möglichkeit, die vor dem Hintergrund der einschneidenden Konsequenzen der Masseunzulänglichkeitsanzeige für die Massegläubiger nicht fernliegend erscheint, wird damit begründet, dass erhebliche Verfahrensverzögerungen zu erwarten seien, wenn die Möglichkeit der Überprüfung auf Antrag eines Gläubigers eingeräumt wird. Der Rechtspfleger, der regelmäßig zur Entscheidung berufen ist, werde -- so vermuten die Entwurfsverfasser -- ein Sachverständigengutachten darüber einholen, ob eine Masseunzulänglichkeit tatsächlich vorliege.

Der Entwurf folgt auch nicht dem Vorschlag, eine Eröffnung des Verfahrens davon abhängig zu machen, dass die unausweichlichen Verwaltungskosten gedeckt sind. Die Ablehnung dieses Vorschlags wird zum einen damit begründet, dass geeignete Kriterien zur Definition der unausweichlichen Verfahrenskosten und zur Abgrenzung von den sonstigen Verfahrenskosten nicht vorliegen und außerdem die Zielrichtung der Insolvenzordnung, die Verfahrenseröffnung zu erleichtern, verfehlt werden könnte, wenn eine zu weitreichende Definition der unausweichlichen Verfahrenskosten gewählt würde.

VI. Weitere Änderungen

Neben den vorstehend dargestellten größeren Einzelthemen wird die Änderung von zahlreichen Detailpunkten angestrebt. So soll unter anderem die Abweisung mangels Masse öffentlich bekannt gemacht, die Durchführung eines schriftlichen Verfahrens vorgesehen, für den Eröffnungsantrag Schriftform vorgesehen und eine Kündigungsfrist von drei Monaten für Miet- und Pachtverträge über Geschäftsräume vorgeschrieben werden. Bei einem Widerspruch des Schuldners gegen einen zur Tabelle angemeldeten titulierten Anspruch eines Gläubigers soll künftig der Schuldner binnen einer Frist von einem Monat den Widerspruch verfolgen müssen. Anderenfalls soll der Widerspruch als nicht erfolgt gelten.

Für breitere Kreise von Interesse ist immer wieder die Frage des Verfahrens der Auswahl des Insolvenzverwalters. Mittlerweile geschieht die Bewerbung eines Interessenten um die Aufnahme in die Verwalterlisten bei den Insolvenzgerichten üblicherweise unter Verwendung von Fragebögen, die von den Insolvenzgerichten erarbeitet wurden. Diese Fragenkataloge legen überwiegend den ganz entscheidenden Schwerpunkt auf die einfach zu überprüfenden Faktoren, wie z.B. die sächliche Ausstattung der Kanzlei des Interessenten oder die Frage von dessen personellen Ressourcen. Ein anderer Bereich, der zur Beurteilung der Eignung eines Interessenten von sicherlich ebenfalls großer Bedeutung ist, wird jedoch in den Fragebögen nicht oder nur rudimentär abgefragt. Gemeint sind die weichen Faktoren, also z.B. Themen wie die Überzeugungskraft des Insolvenzverwalters oder dessen Umgang mit der Belegschaft. Zweifellos sind dies Gesichtspunkte, deren Beurteilung deutlich schwieriger ist, als die Frage, ob ein Interessent über eine angemessene Kanzleiausstattung verfügt. Für die Frage, ob der richtige Verwalter für das konkrete Verfahren gefunden wurde, ist die Bedeutung dieser Aspekte jedoch besonders groß. Dabei ist festzustellen, dass die für die Auswahl zuständigen Insolvenzrichter ihre bestehenden Erkenntnismöglichkeiten nicht immer vollständig ausschöpfen. So könnten durch die häufigere Abhaltung von Anhörungen oder auch die Teilnahme an Betriebsversammlungen durchaus Informationen über die Eignung von Insolvenzverwaltern gewonnen werden. Daneben ist es im Übrigen so, dass die Beurteilung der Eignung eines Aspiranten auch davon abhängig ist, ob der Beurteiler die Fähigkeit besitzt, das Vorhandensein der erforderlichen Kompetenzen abzuschätzen. Auf diese Fragestellungen gibt der Gesetzentwurf keine Antworten.

 

* Kanzlei Jacobs & Dr. Blöse.

 



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