Kommunale GmbH: Vertretung der Gemeinde in der Gesellschafterversammlung für einen Satzungsänderungsbeschluss

GO NW § 64, § 113 Abs. 2; GmbHG § 48, § 53

Die in der Sondervorschrift des § 113 Abs. 2 GO NW vorgeschriebene Vertretung der Gemeinde in Gesellschafterversammlungen durch einen vom Rat bestellten Vertreter greift auch dann ein, wenn die Gemeinde Alleingesellschafterin einer GmbH ist.

OLG Hamm, Beschl. v. 21.6.2007 -- 15 W 400/06

Gründe:

I.

Die Stadt Z1 ist Alleingesellschafterin der Beteiligten. Der Bürgermeister der Stadt Z1, Herr E, und der Fachbereichsleiter Herr E2 als vertretungsberechtigter Beamter haben als Vertreter der Stadt Z1 unter Berufung auf § 64 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (fortan: NWGO) am 30.1.2006 in notarieller Form einen Gesellschafterbeschluss der Beteiligten gefasst, der verschiedene Änderungen und Ergänzungen des Gesellschaftsvertrages betrifft.

Das AmtsG Arnsberg hat den Antrag der Beteiligten auf Eintragung der Änderungen bzw. Ergänzung des Gesellschaftsvertrags in das Handelsregister gemäß Anmeldung v. 31.6.2006 mit Beschl. v. 3.5.2006 zurückgewiesen, weil die Stadt Z1 als Alleingesellschafterin bei der Beschlussfassung am 30.1.2006 durch den Bürgermeister und den vertretungsberechtigten Beamten nicht wirksam vertreten worden sei. § 64 Abs. 1 NWGO, nach dem die Gemeinde bei Verpflichtungserklärungen durch den Bürgermeister oder seinen Stellvertreter und einen vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten vertreten werde, sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig. In einer Gesellschaftsversammlung einer juristischen Person, an der die Gemeinde beteiligt sei, werde sie gem. § 113 Abs. 2 NWGO durch einen vom Rat bestellten Vertreter vertreten. Der Beschluss v. 30.1.2006 sei von einem solchen Vertreter nicht gefasst worden.

Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte am 27.7.2006 Beschwerde eingelegt.

Sie ist der Auffassung, die Vertretungsregelung des § 113 Abs. 2 NWGO gehe nur dann der Vertretungsregelung des § 64 NWGO vor, wenn die Gemeinde bei einer juristischen Person Mitgesellschafterin, nicht aber, wenn sie Alleingesellschafterin sei.

Das LG -- Kammer für Handelssachen -- hat die Beschwerde mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen (LG Arnsberg v. 7.9.2006 -- 8 T 5/06) ...

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten ergibt sich bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die weitere Beschwerde unbegründet, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten gegen die Zurückweisung ihres Eintragungsantrags ausgegangen.

Auch die Sachentscheidung des LG hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Nach allgemeiner Auffassung hat das RegG die Rechtswirksamkeit des einzutragenden Satzungsänderungsbeschlusses zu prüfen, soweit Zweifel an dessen Wirksamkeit bestehen (vgl. OLG Hamm v. 30.1.1996 -- 15 W 20/96, FGPrax 1996, 117 = NJW-RR 1997, 417 = GmbHR 1996, 614, m.w.N.). Hier bestanden Zweifel an der ordnungsgemäßen Vertretung der Beteiligten, weil sich die für sie Handelnden bei der Beschlussfassung am 30.1.2006 ausdrücklich auf § 64 NWGO berufen haben und nicht auf § 113 NWGO. Liegt aber eine nicht ordnungsgemäße Vertretung der Alleingesellschafterin bei der Beschlussfassung über die Satzungsänderung nach §§ 53, 48 Abs. 3 GmbHG vor, so führt dies zu deren Unwirksamkeit. Die Eintragung eines unwirksamen Gesellschafterbeschlusses darf das Registergericht nicht vornehmen (vgl. Baumbach/Zöllner, GmbHG, 18. Aufl., § 54 Rz. 20, m.w.N.).

Die Auffassung des LG, die Stadt Z1 als Alleingesellschafterin der Beteiligten sei bei der Beschlussfassung v. 30.1.2006 nicht wirksam vertreten gewesen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die Vorschriften des § 63 Abs. 1 S. 1 und des § 64 Abs. 1 NWGO, nach denen dem Bürgermeister die gesetzliche Vertretung der Gemeinde in Rechts- und Verwaltungsgeschäften obliegt und Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, der Unterzeichnung durch den Bürgermeister und einem vertretungsberechtigtem Beamten oder Angestellten bedürfen, erfahren durch § 63 Abs. 2 NWGO eine Einschränkung dahin, dass für die Vertretung der Gemeinde in Organen von juristischen Personen oder Personenvereinigungen § 113 NWGO gilt. Nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung vertritt u.a. in Gesellschafterversammlungen von juristischen Personen, an denen die Gemeinde beteiligt ist, ein vom Rat bestellter Vertreter die Gemeinde. Sofern weitere Vertreter zu benennen sind, muss der Bürgermeister oder ein von ihm vorgeschlagener Beamter oder Angestellter dazu zählen. § 113 NWGO stellt eine Spezialvorschrift dar, die der allgemeinen Außenvertretung nach § 63 Abs. 1 NWGO vorgeht (vgl. OLG Hamm v. 30.1.1996 -- 15 W 20/96, FGPrax 1996, 117 = NJW-RR 1997, 417 = GmbHR 1996, 614; Rehn/Cronauge/v. Lennep, Kommentar zur NWGO, Loseblattsammlung, 2. Aufl., 28. Erg. 2004, Band II, § 113 II.2.). Diese Regelung entspricht sachlich der Vorgängerregelung in § 55 NWGO i.d.F. des Änderungsgesetzes v. 15.5.1979, durch die die Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten der Gemeinde in juristischen Personen grundsätzlich aus der Zuständigkeit des Gemeindedirektors herausgelöst und auf den Rat übertragen worden ist (vgl. OLG Hamm v. 30.1.1996 -- 15 W 20/96, FGPrax 1996, 117 = NJW-RR 1997, 417 = GmbHR 1996, 614).

Die Vertretungsregelung in § 113 Abs. 2 GO NW hängt nicht davon ab, mit welchem Umfang die Gemeinde an der Gesellschaft beteiligt ist und ob die Beteiligung unmittelbar oder über eine Holding besteht. Die Vorschrift unterscheidet weder nach dem Beteiligungsumfang noch nach der Art der rechtlichen Konstruktion, sondern setzt lediglich voraus, dass die Gemeinde überhaupt an einer Gesellschaft beteiligt ist. Dies erklärt sich daraus, dass die Zwecke der Entsendung von Art und Umfang der Beteiligung unabhängig sind. In jedem Falle soll die Gemeinde über ihre Vertrauensperson ihre Interessen in den genanten Gremien zur Geltung bringen können (vgl. OVG NW v. 8.12.2006 -- 1 A 3842/05, Rz. 53, zitiert nach juris).

Das LG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Gemeindeordnung dementsprechend auch sonst nicht zwischen einer Mit- und Alleinbeteiligung unterscheidet. Die in § 108 NWGO aufgenommene "Gründung" eines Unternehmens ist als Sonderfall der Beteiligung in die Vorschrift einbezogen worden, um auch die Fälle echter Umwandlung nach den §§ 57, 58 UmwG zu erfassen (vgl. Rehn/Cronauge/v. Lennep, Kommentar zur NWGO, Loseblattsammlung, 2. Aufl., 28. Erg. 2004, Band II, § 108 II. 2.). ...