Dr. Jochen Blöse, MBA,   
Rechtsanwalt und Mediator CfM, Köln*

 

MoMiG: Wie geht es weiter mit dem Eigenkapitalersatz?

 

Durch das am 1.11.2008 nun in Kraft getretene MoMiG (BGBl. I 2008, 2026 ff.) wird bekanntlich in das Recht des Eigenkapitalersatzes tief eingegriffen. Die Neufassung des § 30 Abs. 1 GmbHG enthält einen "Nichtanwendungserlass" hinsichtlich der Rechtsprechungsregeln. Die §§ 32a, 32b GmbHG, die die Novellenregeln enthielten, werden aufgehoben und ihr Regelungsgehalt findet in modifizierter Form eine neue Verortung in den §§ 44a, 135 und 143 InsO.

 

Zwingende Nachrangigkeit in der Insolvenz

Aus Gesellschaftersicht bedeutet dies insofern eine gute Nachricht, als dass Darlehen und wirtschaftlich entsprechende Gesellschafterleistungen -- zur Besonderheit bei eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassungen siehe weiter unten -- in der Krise gegeben und stehen gelassen werden können, ohne dass der Gesellschafter Gefahr läuft, seinen Rückforderungsanspruch zu verlieren. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass nunmehr in der Insolvenz der Gesellschaft Darlehensforderungen des Gesellschafters und gleichgestellte Forderungen zwingend nachrangig sind (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Erfolgte im letzten Jahr vor der Insolvenzantragstellung eine Befriedigung einer solchen Forderung, so unterliegt diese Rechtshandlung der Anfechtung nach § 135 InsO.

Im Ergebnis bedeutet diese Neuregelung, dass es in der Insolvenz der Gesellschaft nicht mehr darauf ankommt, ob eine Darlehensgewährung oder eine wirtschaftlich vergleichbare Gesellschafterleistung nach bisherigem Verständnis als eigenkapitalersetzend zu betrachten ist; Ansprüche des Gesellschafters im Zusammenhang mit diesen Leistungen sind vielmehr zwingend nachrangig und ihre Befriedigung unterliegt in einem Ein-Jahres-Zeitraum vor Insolvenzantragstellung der Anfechtung. Ergänzt wird diese Regelung durch die außerinsolvenzlich greifenden Anfechtungsvorschriften des neu gefassten § 6 AnfG und des neu eingefügten § 6a AnfG.

 

Besonderheit bei der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung

Eine Besonderheit gilt hinsichtlich der Fallgruppe der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung. Diese wird in § 135 Abs. 3 zum Gegenstand einer Sonderregelung gemacht. Solche zur Nutzung überlassenen Gegenstände, die unabdingbar betriebsnotwendig sind, können vom Gesellschafter unter Bezugnahme auf seinen Aussonderungsanspruch für einen Zeitraum von höchstens einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dann nicht herausverlangt werden, wenn der betreffende Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist.

Ob die neuen Regeln insgesamt tatsächlich eine vollständige Abkehr vom Eigenkapitalersatzrecht darstellen -- so die Begründung des Regierungsentwurfs zum MoMiG --, ob dies auch im Bereich der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung gilt -- so K. Schmidt, DB 2008, 1727 (1732) -- oder ob die eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung lediglich in abgewandelter Form wieder eingeführt wird -- so Wälzholz, GmbHR 2008, 841 (848) und demnächst Burg/Blasche, GmbHR Heft 23/2008 -- und ob sich die neu gefassten Regelungen der Kritik ausgesetzt sehen müssen, weil sie eine "Vereinfachung um jeden Preis" darstellen -- so Roth, GmbHR 2008, 1084 ff. -- in diesem Heft -- ist bereits jetzt Gegenstand einer Kontroverse.

Die Frage, ob das Eigenkapitalersatzrecht abgeschafft wurde oder ob sich, ggf. beschränkt auf den Bereich der Nutzungsüberlassung, ein neues Recht der Gesellschafterleistung ohne inhaltliche Abänderung zur alten Rechtslage ergeben hat, ist unabhängig davon, wie die Regelungen überschrieben sind. Die Auffassung des Vorsitzenden Richters des II. Zivilsenats des BGH Goette (WPg. 2008, 231 [236]), und des Richters am IX. Zivilsenat, Gehrlein (BB 2008, 846 [848]), dass das Eigenkapitalersatzrecht abgeschafft sei, ist sicherlich mehr als eine terminologische Aussage. In der Tat ist durch die Novellierung das zentrale Tatbestandsmerkmal für eine Eigenkapitalersatzqualifizierung, das Vorliegen einer Krise, entfallen. Entscheidende Zäsur ist nun nicht mehr der Kriseneintritt, sondern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zu diesem exakt definierten Zeitpunkt entscheidet sich das Schicksal der Ansprüche des Gesellschafters gegen seine Gesellschaft, so es sich um Darlehensrückforderungsansprüche oder Ansprüche aus mit Darlehen vergleichbaren Leistungen handelt.

 

Verzicht auf das Merkmal der Krise

Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Forderungen dieser Art zwingend nachrangig i.S.d. § 39 InsO, werden im Insolvenzverfahren also erst dann berücksichtigt, wenn die Insolvenzforderungen i.S.d. § 38 InsO vollständig befriedigt sind. Auch bei der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung wird eine im Vergleich zur früheren Rechtslage entscheidende Änderung eingeführt. Zwar kann der Insolvenzverwalter auf Grundlage des neu gefassten § 135 Abs. 3 InsO auch zukünftig -- jedoch begrenzt auf ein Jahr -- die weitere Überlassung des fraglichen Gegenstands verlangen, jedoch ist dies dann nicht mehr unentgeltlich, sondern der Gesellschafter hat einen Ausgleichsanspruch, der sich der Höhe nach an den vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihm und der Gesellschaft orientiert.

Gerade gegen den Verzicht auf das Merkmal der Krise führte Roth in seinem Beitrag in diesem Heft gewichtige Bedenken an.

Jedenfalls unter einem praktischen Gesichtspunkt ist der Verzicht auf das Merkmal der Krise allerdings zu begrüßen. Die Feststellung, ob zu einem Jahre zurückliegenden Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Krise vorgelegen haben, ist trotz aller Scheingenauigkeit, die insbesondere Überschuldungsprüfungen innewohnt, in denen auf den Cent genau der Betrag einer Überschuldung angegeben wird, mit erheblichen praktischen Unsicherheiten belastet. Die Prozessparteien zukünftig solchen Zweifelhaftigkeiten nicht mehr ausgesetzt zu sehen, wäre schon ein gesetzgeberischer Erfolg an sich.

 

Auch künftige Befassung der Rechtspraxis mit "Eigenkapitalersatzrecht"

Gleichgültig, ob das Eigenkapitalersatzrecht nun tatsächlich abgeschafft ist, ob es unter anderem Namen in gewissen Bereichen weiter gilt und ob die neuen Regelungen geglückt sind oder nicht, wird sich die Rechtspraxis jedenfalls auf noch einige Jahre hinaus mit dem, was bislang als Recht des Eigenkapitalersatzes bezeichnet wurde, beschäftigen müssen (s. schon BFH v. 20.8.2008 -- I R 19/07, GmbHR 2008, 1222 m. Komm. Schröder -- in diesem Heft). Es ist nicht selten, dass sich oberinstanzliche Gerichte unter dem Gesichtspunkt dieser Regeln mit Sachverhalten beschäftigen müssen, die bereits sechs, sieben und mehr Jahre zurückliegen. Den Gerichten wird das Thema also noch einige Zeit erhalten blieben. Dies gilt insbesondere für die Rechtsprechungsregeln. Der Gesetzgeber hat insoweit keine Übergangsbestimmung vorgesehen, aus der zu entnehmen ist, ab wann diese Regeln keine Anwendung mehr finden dürfen (dazu bereits Wedemann, GmbHR 2008, 1131 [1134 f.]). Damit ist auf die allgemeinen Regelungen der Art. 170, 229 § 5 und 232 § 1 EG BGB zurückzugreifen (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. 2008, 2008, Einl. v. § 271 Rz. 14). Dies bedeutet, dass auf Gesellschafterleistungen, die vor Inkrafttreten des MoMiG gewährt wurden, die Rechtsprechungsregeln weiterhin Anwendung finden oder anders formuliert: Die Rechtsprechungsregeln gelten für solche Gesellschafterleistungen nicht, die nach dem 31.10.2008 gewährt wurden. Für die neuen bzw. neu gefassten Regelungen der §§ 44a, 135 und 143 InsO hat der Gesetzgeber zwar in Art. 103d EG InsO eine Übergangsbestimmung geschaffen, jedoch ist im Hinblick auf die gerade bei Eigenkapitalersatzprozessen nicht unüblich langen Verfahrensdauern davon auszugehen, dass bis weit in das nächste Jahrzehnt hinein die Gerichte auch insoweit noch mit den alten Regelungen umgehen müssen.

Überraschen würde es hingegen im Hinblick auf den klar geäußerten Willen des Gesetzgebers, wenn der BGH im Wege richterlicher Rechtsfortbildung eine Art Ersatz-Eigenkapitalersatzrecht schaffen würde. Eine Vergleichbarkeit mit der Situation nach Inkrafttreten der Novellenregeln, als der BGH bereits rund drei Jahre später in seiner Entscheidung v. 26.3.1984 -- II ZR 14/84, BGHZ 90, 370 = GmbHR 1984, 313 urteilte, dass die Novellenregeln die Rechtsprechungsregeln nicht verdrängen, sondern beide nebeneinander gelten, ist nach Inkrafttreten des MoMiG nicht gegeben. Hier hat der Gesetzgeber vielmehr ausdrücklich seinen Willen zur Abkehr vom Eigenkapitalersatz erklärt und offenkundig sehen es auch die vorstehend zitierten Mitglieder des BGH so.

Spannend wird es aber sein, zu sehen, ob die Rechtsprechung in den Fällen, in denen das alte Recht noch zugrunde zu legen ist, eine weitere Ausdifferenzierung der Rechtsprechungs- und Novellenregeln, wie sie in den letzten Jahren in einer Vielzahl von Entscheidungen stattgefunden hat, weiter betreiben wird oder ob die Abkehr vom Eigenkapitalersatz auch in diesen Fällen bereits ihren Schatten voraus wirft.

 

 

*              Kanzlei Jacobs & Dr. Blöse.

 

 



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