Dipl.-Finanzwirt Georg Harle, Büttelborn / Dipl.-Finanzwirtin Grit Kulemann, Bad Homburg v.d.H.

Die partielle Steuerpflicht der überdotierten Unterstützungskasse – entspricht die Rechtslage noch den faktischen Gegebenheiten?

Kurzüberblick über die neue betriebliche Altersversorgung im Steuerrecht

Ab dem 1.1.2002 wird es aufgrund der Neufassung des § 1 BetrAVG, hier § 1b Abs. 3 fünf Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung geben. Bei der Direktversicherung, der Pensionskasse und dem Pensionsfond wird aus den – bei der Direktversicherung und dem Pensionsfonds zum Teil pauschal – lohnversteuerten und sozialversicherungspflichtigen Bezügen- ein Teil zur Altersversorgung verwendet, der Arbeitnehmer erhält später eine Rente, die mit dem Ertragsanteil zu versteuern ist. Eine Gesamtauszahlung der Direktversicherung wäre als Kapitalauszahlung einer Lebensversicherung nicht steuerpflichtig.

Diese Regelung wird ab dem 1.1.2002 für bis zu 4 % des rentenversicherungspflichtigen Einkommens des Vorjahres insofern geändert, als diese Bezüge steuer- (vgl. § 3 Nr. 63 EStG-E) und bis 2008 sozialversicherungsfrei – soweit in Pensionsfonds oder Pensionskassen einbezahlt – belassen werden und dafür die Rente bei Bezug in voller Höhe als Einnahme i.S.d. § 22 EStG beim Empfänger versteuert wird.

Dieser kann allerdings auch ein Wahlrecht zugunsten der Individualbesteuerung ausüben, d.h. er versteuert die Bezüge und beantragt die Vergünstigung einer Zulage nach dem "Riester-Modell" bzw. den Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG-E.

Unbegrenzt unterliegen jedoch der Systematik der sog. "nachgelagerten Besteuerung" nur die Durchführungswege Pensionszusage und Unterstützungskasse, bei denen der Arbeitgeber sofort den Betriebsausgabenabzug erhält und eine Versteuerung der Altersbezüge als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i.S.d. § 19 EStG beim Empfänger stattfindet. Dabei besticht jedoch der Durchführungsweg Unterstützungskasse (UK), da hier der Träger, also der Arbeitgeber keine Belastung in Form einer Verpflichtung in der Bilanz ausweisen muß, was ja bei der Pensionszusage in bezug auf die Rückstellung äußerst problematisch ist, da der nach § 6a EStG steuerlich zulässige Teilwert nicht dem tatsächlichen Wert der Verpflichtung entspricht. Ein Unternehmen, das eine derartige Rückstellung in der Bilanz ausweist, ist oft nur sehr schwer verkäuflich.

Ein weiterer Vorteil der UK liegt darin, daß nicht nur die Zuführungen seitens des Trägers bei der Kasse steuerbefreit sind sondern auch die Erträge aus der Wiederanlage daraus, allerdings nur solange, als keine Überdotierung vorliegt.

Das Unterstützungskassenmodell

Beispiel: Ein Trägerunternehmen sagt seinen Arbeitnehmern eine Altersversorgung im Wert von insgesamt 2.800.000 DM zu. Als Betriebsausgabe sind bei dem Arbeitgeber abzugsfähig 560.000 DM (8 x 2,5 %) über den Zeitraum von acht Jahren. Diese Zuführungen sind bei der UK steuerbefreit, vgl. untenstehende Ausführungen. Legt die UK das Geld unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Rendite von 9 % an, ergibt sich auf die Laufzeit von 35 Jahren nach Abfluß von Zahlungen i.H.v. 2.800.000 DM in verschiedenen Jahren (je nach Alter der Leistungsanwärter) eine Überschuß von 1.881.670 DM.

Diese Überdotierung wird nun nach Auffassung der Finanzverwaltung besteuert.

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG sind die UK von der Körperschaftsteuer befreit. Diese Befreiung wird nach Maßgabe des §6 Abs.5 KStG begrenzt. Die Höhe der Begrenzung ergibt sich schließlich aus § 5 Abs. 1 Nr. 3e KStG. Danach gilt: die UK ist steuerbefreit, wenn das Vermögen ohne Berücksichtigung künftiger Versorgungsleistungen nicht höher ist als das um 25 % erhöhte zulässige Kassenvermögen. Dieses ergibt sich aus den Regelungen des § 4d EStG.

Festzuhalten bleibt: Sofern das tatsächliche das zulässige Kassenvermögen um mehr als 25 % übersteigt, liegt eine sog. Überdotierung vor, die zu einer partiellen Steuerpflicht führt.

Die nachfolgende Abhandlung soll sich lediglich auf die sog. Anschubfinanzierung beschränken, dem Reservepolster für Leistungsanwärter. Dieses Reservepolster darf rechnerisch maximal das Achtfache der jährlich zulässigen Leistungen für jeden berücksichtigungsfähigen Leistungsanwärter betragen (25 % der erreichbaren Rentenversorgungsleistung bzw. 2,5 % der erreichbaren Kapitalsumme p.a.), also insgesamt 20 % der Kapitalsumme, so § 4d Abs. 1 Nr. 1b EStG.

Beispiel: Der Arbeitgeber gewährt für 10 Mitarbeiter insgesamt eine Kapitalzusage von 1.000.000 DM. Das Reservepolster beträgt danach jährlich 2,5% = 25.000 DM, insgesamt also für 8 Jahre = 200.000 DM.

Nach dem Gesetzeswortlaut ist eigentlich die Auffassung zu vertreten, es wären hiernach lediglich die 20 % nach §4d Abs.1 EStG zulässige Dotierung für Leistungsanwärter zuzüglich 25 % davon (5 %) nach § 6 Abs. 5 KStG und § 5 Abs. 1 Nr. 3e KStG, folglich insgesamt 25 % steuerfrei. Das wäre dann das zulässige Kassenvermögen bei einer neuerrichteten UK, die lediglich Leistungsanwärter aufweist (Anschubfinanzierung).

Zu beachten ist dabei, daß das zulässige Kassenvermögen, auch wenn es sich rechnerisch aus mehreren Faktoren zusammensetzt, regelmäßig als Einheit zu behandeln ist. Die Begrenzung der Zuwendungen kommt nicht jeweils im Rahmen der einzelnen Begrenzungsfaktoren (Gesamtdeckungskapital für laufende Leistungen, Höchstbetrag des Reservepolsters), sondern nur im Rahmen des Gesamtbetrags des zulässigen Kassenvermögens in Betracht (so auch Blümich/Förster, EStG, § 4d Rz. 149.). Solange das tatsächliche Kassenvermögen das zulässige Kassenvermögen insgesamt nicht übersteigt, können die jährlich zulässigen Zuwendungen zum Reservepolster ohne Einschränkung vorgenommen werden.

Das tatsächliche Kassenvermögen besteht im Unterschied zwischen den Aktiva und den Passiva der UK, also im Eigenkapital.

Dabei sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 3e KStG die zukünftig zu erbringenden Versorgungsleistungen aus den Zusagen nicht als Verbindlichkeiten auszuweisen.

Diese Auffassung des historischen Gesetzgebers (BT-Drucks. 7/1281, S. 36) war zum Zeitpunkt der Gesetzesfassung 1974 im Ergebnis auch zutreffend, da damals nicht nur der gesetzliche Rechtsanspruch des Empfängers beim U-Kassenmodell fehlte, sondern auch kein zumindest faktischer Rechtsanspruch aufgrund der Rechtsprechung des BAG und des BVerfG bestand. Wären die Versorgungsleistungen die sich auf Grund eines inzwischen bestehenden faktischen Rechtsanspruchs (vgl. Ausführungen unten) begründen als Verbindlichkeiten ausweisbar, ergäbe sich konsequenterweise ein wesentlich niedrigeres tatsächliches Kassenvermögen mit der Folge, daß sich die Problematik der Überdotierung so nicht mehr stellen würde.

Tatsächliches Kassenvermögen und die Nichtberücksichtigung der zukünftigen Versorgungsleistungen

Seit dem Inkrafttreten des BetrAVG zum 1.1.1975 haben sich die Bedingungen speziell des zeitgleich erlassenen § 4d EStG erheblich verändert. Aufgrund der Rechtsprechung des BAG (BAG v. 5.7.1979 – 3 AZR 197/78, BB 1979, 1605; v. 5.6.1984 – 3 AZR 33/84, DB 1984, 2461 [2462]; v. 17.4.1985 – 3 AZR 72/83, DB 1986, 228), besteht inzwischen ein faktischer, einklagbarer Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Zusage. Die Rechtsprechung des BAG wurde in zwei Urteilen des BVerfG v. 14.1.1987 – 1 BvR 1052/79 und BB 1987, 616 bestätigt. Damit ist das Argument des Gesetzgebers, es fehle für die Begründung der Verbindlichkeit der generelle Rechtsanspruch, nicht mehr ohne weiteres zu bestätigen.

Die partielle Steuerpflicht für die UK wurde vom Gesetzgeber vor allem damit begründet, daß das Vermögen der UK aus sozialpolitischen Gründen zu versteuern sei, wenn es die erforderliche Höhe übersteigt (BT-Drucks. 7/1281, S. 42). Basis für die rechnerische Ermittlung des zulässigen Kassenvermögens ist das Reservepolster, mit dem aber nach allgemeiner Ansicht (a.A. Wittmayer, QW Capital AG, Broschüre Betriebliche Altersversorgung, http:www.qwag.de) eine Ausfinanzierung nicht erfolgen kann. Folgt man dieser Auffassung, kann die erforderliche Höhe für die zugesagte Altersversorgung nicht erreicht werden, folglich müßte eine Berücksichtigung der Verbindlichkeiten aus den Zusagen bei der Ermittlung des tatsächlichen Kassenvermögens möglich sein.

Auch ohne gesetzliche Regelung wurde in der Vergangenheit den Notwendigkeiten der Praxis Rechnung getragen. So wurde – ohne eine formelle rechtliche Anerkennung durch das Betriebsrentengesetz – seit Jahrzehnten die Entgeltumwandlung praktiziert. Erst mit Wirkung zum 1.1.1999 wurde sie in § 1 als neuer Abs. 5 eingefügt. Dies ist auch ein Indiz dafür, daß der Gesetzgeber scheinbar einige Entwicklungen nicht gesetzlich regeln möchte.

Die Finanzverwaltung wird ohne ein Eingreifen seitens der Rechtsprechung nicht den o.g. Überlegungen folgen.

Eine formelle Änderung des Gesetzes würde die gewünschte Abgrenzung zur Pensionskasse vollständig vermischen und zu erheblichen Verwicklungen führen.

Ein Eingreifen der Gerichte setzt aber eine entsprechende Klage voraus.

Schmidt/Seeger, EStG, 20. Aufl. 2001, § 4d Rz. 12 ist dagegen sogar der Ansicht, daß es bei der Ermittlung des zulässigen und des tatsächlichen Kassenvermögens nicht mehr auf die Erträge der UK ankommt, da diese seit dem JStG 1996 nicht mehr anzusetzen sind. Das heißt, eine Überdotierung kann in der Praxis nicht mehr eintreten, sofern das Unternehmen lediglich – wie üblich – das Reservepolster für die Leistungsanwärter dotiert.

Zusammenfassung

Die Rechtslage bezüglich der partiellen Steuerpflicht bei der überdotierten UK ist hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen eindeutig, entspricht aber nicht mehr dem tatsächlichen und gewollten Geschehensablauf. Da eine entsprechende gesetzliche Änderung im Moment wohl nicht zu erwarten ist, wäre hier u.E. dringend die Rechtsprechung gefordert.

 


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