Achim Schroer,
Rechtsanwalt/Steuerberater /
Dipl.-Kfm. Peter Starke,
Steuerberater, Düsseldorf*

Gewinnabführung ab 2003

-- Mögliche Folgen der Planungen der Regierungskoalition --

I. Einleitung

Die Organschaft ist von den Regierungsparteien in den Koalitionsverhandlungen als Steuerschlupfloch ausgemacht worden (vgl. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz in Maybritt Illner, Berlin Mitte, ZDF am 24.10.2002). Entsprechend weitreichend sind die im Koalitionsvertrag angelegten diesbezüglichen Änderungsvorhaben. Ob mit diesen beabsichtigten Änderungen Deutschland als internationalem Holdingstandort geschadet wird, soll hier nicht weiter hinterfragt werden. Nachfolgend sollen vielmehr die Auswirkungen des geplanten Wegfalls der rückwirkenden steuerlichen Anerkennung der Organschaft und die damit einhergehenden Konsequenzen für die Praxis untersucht werden.

II. Abschluß eines Gewinnabführungsvertrags nach bisher geltendem Recht

Seit dem Veranlagungszeitraum 2001 ist zur Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft neben der finanziellen Eingliederung nur noch der Abschluß eines Gewinnabführungsvertrags Voraussetzung. Das gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2002 entsprechend für die Gewerbesteuer (§ 36 Abs. 2 GewStG i.d.F. des Solidarpaktfortführungsgesetzes v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3955 [3962]). Allerdings soll die gewerbesteuerliche Organschaft nach den Planungen der Koalitionsparteien abgeschafft werden. Der Gewinnabführungsvertrag muß nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 KStG i.d.F. der Bekanntmachung v. 22.4.1999 (mit 11 [!] nachfolgenden Änderungen, zuletzt durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und des Gesetzes zur Änderung von Steuergesetzen v. 23.7.2002, BGBl. I 2002, 2715 [2717]) bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft, für das die Gewinnabführung erstmals angewendet werden soll, auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und bis zum Ende des folgenden Wirtschaftsjahres zivilrechtlich wirksam werden. Die zivilrechtliche Wirksamkeit des Gewinnabführungsvertrags ergibt sich aus § 293, § 294 AktG. Der Vertrag bedarf der Schriftform, § 293 Abs. 3 AktG. Die Hauptversammlung der zukünftigen Organgesellschaft muß dem Vertrag mit einer qualifizierten Mehrheit von mindestens 75 % des vertretenen Grundkapitals zustimmen, § 293 Abs. 1 AktG. Hat der Organträger ebenfalls die Rechtsform einer AG, muß auch dessen Hauptversammlung mit einer qualifizierten Mehrheit von wenigstens 75 % zustimmen, § 293 Abs. 2 AktG. Der Gewinnabführungsvertrag muß zur Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft, die zur Gewinnabführung verpflichtet ist, angemeldet werden. Er erlangt erst dann zivilrechtliche Wirksamkeit, wenn er im Handelsregister eingetragen ist, § 294 Abs. 2 AktG.

Bei Kapitalgesellschaften, die keine AG sind, existieren keine besonderen handelsrechtlichen Normen zum Gewinnabführungsvertrag. Nach § 17 KStG muß der Gewinnabführungsvertrag in diesen Fällen für eine steuerliche Anerkennung folgende Voraussetzungen erfüllen:

-- Der Vertrag muß die Abführung des ganzen Gewinns zum Gegenstand haben.

-- Der Gewinnabführungsvertrag muß zivilrechtlich wirksam sein.

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 24.10.1988 -- II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 = GbmHR 1989, 25) wird ein Gewinnabführungsvertrag mit einer GmbH als Organgesellschaft ebenfalls nur wirksam, wenn die Gesellschafterversammlungen der beherrschten und der herrschenden Gesellschaft dem Vertrag zustimmen und sein Bestehen in das Handelsregister der Organgesellschaft eingetragen wird. Der Zustimmungsbeschluß der Gesellschafterversammlung der beherrschten Gesellschaft bedarf dabei der notariellen Beurkundung. Der Zustimmungsbeschluß der herrschenden Gesellschaft erfordert eine Mehrheit von mindestens Dreiviertel der bei der Beschlußfassung abgegebenen Stimmen.

Wird der Gewinnabführungsvertrag in einem Wirtschaftsjahr abgeschlossen, liegen aber die zivilrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen mit der Eintragung im Handelsregister der Organgesellschaft erst im Folgejahr vor, so entfaltet der Gewinnabführungsvertrag nach geltendem Recht bereits handelsrechtliche und steuerliche Wirkung für das Jahr, für das er abgeschlossen worden ist. Eine derartige Handhabung koppelt die Anerkennung eines Gewinnabführungsvertrags vorübergehend von seiner Eintragung ab, weil die Parteien diesen Zeitpunkt teilweise nicht beeinflussen können.

Beispiel: Eine GmbH erwirbt im September 2002 sämtliche Anteile an einer AG, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht. Im Verlaufe des Jahres 2003 wird ein Gewinnabführungsvertrag zwischen den beiden Gesellschaften geschlossen. Nach Zustimmungen der Gesellschafterversammlungen wird der Vertrag im Februar 2004 im Handelsregister der AG eingetragen.

Folge: Nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG in bisheriger Fassung kann der Gewinnabführungsvertrag bereits ab dem 1.1.2003 steuerlich anerkannt werden.

III. Wirkung des Gewinnabführungsvertrags nach den Plänen der Regierungsparteien

Die SPD und Bündnis90/DIE GRÜNEN haben sich unter dem Titel:

Erneuerung -- Gerechtigkeit -- Nachhaltigkeit

Für ein wirtschaftlich starkes, soziales und ökologisches Deutschland

Für eine lebendige Demokratie

am 16.10.2002 auf die Koalitionsvereinbarung verständigt. Darin sind auf den S. 14 bis 18 die Vorstellungen der Koalitionsparteien zu den Finanzen und Steuern niedergelegt. Dazu hat das Bundesministerium der Finanzen eine "Erläuterung zu steuerlichen Maßnahmen" veröffentlicht. Darin wird u.a. folgende Maßnahme vorgesehen (Erläuterung S. 16, Maßnahmen im Unternehmensbereich):

"Einschränkung der körperschaftsteuerlichen Organschaft durch steuerliche Nichtanerkennung der Rückwirkung eines Gewinnabführungsvertrags und einer Berücksichtigung der Organschaft erst nach dem Wirksamwerden des Gewinnabführungsvertrags."

Die Erläuterungen dazu haben folgenden Wortlaut:

"Steuerliche Organschaften erlauben Verlustverrechnungen zwischen Gesellschaften. Eine Organschaft wird nach geltendem Recht bereits für das laufende Wirtschaftsjahr anerkannt, wenn in diesem ein Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wird, der bis zum Ende des folgenden Wirtschaftsjahres wirksam, d.h. im Handelsregister eingetragen wird. Diese Rückwirkung wird zukünftig abgeschafft. Die Organschaft gilt erst für das Wirtschaftsjahr, das dem Wirtschaftsjahr der Eintragung des Vertrags folgt."

Diese Vorstellungen wurden in der Zwischenzeit in Art. 3 Nr. 5 a) bb) des am 4.11.2002 bekannt gewordenen Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz -- SteVAG) umgesetzt. Dort heißt es:

"Das Einkommen der Organgesellschaft ist dem Organträger erstmals für das Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, das nach dem Wirksamwerden des Gewinnabführungsvertrags beginnt."

Würden die geplanten Vorstellungen endgültig umgesetzt, so hätte das für das obige Beispiel folgende steuerlichen Konsequenzen:

Der in 2003 geschlossene Gewinnabführungsvertrag wird mit seiner Eintragung im Handelsregister wirksam, also im Februar 2004. Damit besteht für die Organgesellschaft handelrechtlich spätestens für das Jahr 2004 die Verpflichtung zur Ergebnisabführung. Im Verlustfall muß der Organträger spätestens ab 2004 einen Verlust der Organgesellschaft ausgleichen. Steuerrechtlich soll die Organschaft erst ab dem der Eintragung folgenden Wirtschaftsjahr, also dem Jahr 2005 gelten, mithin ein Jahr später.

Zwar könnte daran gedacht werden, den Gewinnabführungsvertrag unter die aufschiebende Befristung zu stellen, daß er erst mit Beginn des Wirtschaftsjahres 2004 wirksam wird. Das würde aber nur dann helfen, wenn das Handelsregister einen aufschiebend befristeten Gewinnabführungsvertrag bereits in 2003 im Handelsregister eintragen würde. Das dürfte aber wegen der Befristungsfeindlichkeit des Handelsregister nicht erfolgen. Schließt sich das Registergericht dieser Auffassung an, wird es den Gewinnabführungsvertrag erst eintragen, wenn die Befristung eingetreten ist, also zu Beginn des Jahres 2004. Damit würde die Organschaft bei einer Umsetzung der Vorstellungen der Koalitionsparteien jedoch erst in 2005 steuerwirksam werden.

Dies hat zur Konsequenz, daß die im Rahmen eines handelsrechtlich bestehenden, steuerlich aber nicht anerkannten Gewinnabführungsvertrags abgeführten Ergebnisse steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet werden. Im umgekehrten Fall wird die Verlustübernahme durch den Organträger als verdeckte Einlage gewertet.

Zwar löst die Einstufung der handelsrechtlichen Gewinnabführung bei steuerlicher Nichtanerkennung der Organschaft keine direkten nachteiligen steuerlichen Folgen aus, da die verdeckte Gewinnausschüttung über § 8b KStG beim Organträger steuerfreigestellt ist. Folgen könnten sich allerdings beispielsweise aus dem Bereich § 3c EStG ergeben. Sind nämlich im Zusammenhang mit der Finanzierung der Anteile an der Organgesellschaft beim Organträger Finanzierungsaufwendungen entstanden, so sind diese Finanzierungsaufwendungen ohne Organschaft über § 3c Abs. 1 EStG als Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen anzusehen mit der Folge, daß diese bis zur Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung (hier sieht der Entwurf der SteVAG in Art. 3 Nr. 3a] zudem die Aufhebung der Koppelung des Abzugsverbots an die Höhe der steuerfreien Dividenden vor) nicht zum Abzug zugelassen sind.

Im Falle einer Verlustübernahme durch den Organträger und einer Wertung dieser Verlustübernahme als verdeckte Einlage hat dies zur Folge, daß, da die Organgesellschaft wegen steuerlicher Nichtanerkennung der Organschaft selbständig steuerpflichtig ist, der entsprechende Verlust auf der Ebene der Organgesellschaft festgestellt wird. Greift im Folgejahr die steuerliche Anerkennung der Organschaft, so hat die Organgesellschaft (vorsteuerliche) organschaftliche Verluste. Diese können erst nach Beendigung des Gewinnabführungsvertrags gegebenenfalls mit eigenen positiven Ergebnissen verrechnet werden. Das ist umso gravierender, als der Entwurf des SteVAG in Art. 1 Nr. 11b) eine Einschränkung der Verlustvortrags- und Nutzungsmöglichkeit vorsieht.

Beim Organträger wird die Verlustübernahme nicht steuerwirksam. Die Verlustübernahme selbst wird steuerlich als Einlage gewertet mit der Folge, daß in der Steuerbilanz des Organträgers der Beteiligungsansatz an der Organgesellschaft um den Verlustübernahmebetrag erhöht wird.

IV. Fazit

Die Ausführungen haben gezeigt, daß ein Auseinanderklaffen zwischen zivilrechtlicher Wirksamkeit und erst im darauf folgenden Jahr steuerlicher Anerkennung des Gewinnabführungsvertrags zu teils gravierenden steuerlich negativen Auswirkungen führen kann. Damit schießt die Bunderregierung u.E. über ihr Ziel, die rückwirkende Begründung einer steuerlichen Organschaft nicht mehr zuzulassen, hinaus. Es sollte daher die steuerliche Organschaft zumindest ab dem Jahr anerkannt werden, in dem der Gewinnabführungsvertrag im Handelsregister eingetragen wird.

 

* Die Verfasser sind Partner der BDO Deutsche Warentreuhand AG, Düsseldorf.


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