Dr. Klaus D. Höfner,
Rechtsanwalt und Steuerberater,
München

Der EuGH bestätigt die Offenlegungspflicht bei der GmbH & Co. KG

In rascher Folge sind Entscheidungen des EuGH im Blickpunkt der deutschen Steuer- und Rechtsberater: War es vor wenigen Wochen die Entscheidung "Manninen" (EuGH v. 7.9.2004 -- Rs. C-319/02, GmbHR 2004, 1346; dazu Englisch, GmbHR 2004, R 421), die mit möglichen weit reichenden Folgen für die nationale deutsche Besteuerungspraxis aufhorchen ließ, so ist es nur kurze Zeit später der Beschl. des EuGH v. 23.9.2004 -- Rs. C-435/02 u. C-103/03, GmbHR 2004, 1463 -- Volltext (PDF), der zwar nicht offiziell den Namen "Axel Springer AG" trägt, aber vielleicht unter dieser Kennzeichnung in die Annalen eingeht. Der EuGH hat nämlich mit dieser Entscheidung den HGB-Publizitätspflichten für die GmbH & Co. KG die Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsgrundrechten attestiert und damit einen (vorläufigen) Schlußpunkt hinter eine jahrelange Diskussion gesetzt.

I. Das KapCoRiLiG

Erinnern wir uns: Seit Jahrzehnten ist die Einbeziehung der GmbH & Co. KG in die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses ein "Zankapfel" zwischen der EU-Kommission und dem deutschen Gesetzgeber, der die GmbH & Co. KG wie eine Personengesellschaft behandelte und zunächst von der Publizitätspflicht ausnahm. Der Forderung der sog. KapCo-Richtlinie auf Einbeziehung der GmbH & Co. KG in die Publizitätspflicht kam der deutsche Gesetzgeber nicht rechtzeitig nach, woraufhin der EuGH mit Urt. v. 22.4.1999 -- Rs. C-272/97, GmbHR 1999, 605 f. einer entsprechende Klage der Kommission stattgab und eine Vertragsverletzung durch die Bundesrepublik Deutschland feststellte. Daraufhin erging das KapCoRiLiG, das jede GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafter keine natürlichen Personen sind, in die sog. Zwangspublizität einbezog. Zugleich wurde das Zwangsgeldverfahren mit einem eingeschränkten Kreis von Antragsberechtigten (Gesellschafter, Gläubiger oder Betriebsräte) durch das Ordnungsgeldverfahren des § 335a HGB ersetzt, das auf Antrag von "Jedermann" einzuleiten ist.

Freilich war mit dem Ergehen des KapCoRiLiG die Auseinandersetzung um die Offenlegungspflichten bei der GmbH & Co. KG nicht beendet. Vielmehr ging der Streit in eine neue Runde mit den Entscheidungen des LG Essen v. 25.11.2002 -- 45 T 1/02, GmbHR 2003, 298 (LS) und des LG Hagen v. 11.2.2003 -- 23 T 5/03, abrufbar unter www.justiz.nrw.de, die dem EuGH die Frage vorlegten, ob die dem KapCoRiLiG zugrunde liegende KapCo-Richtlinie mit Gemeinschaftsgrundrechten vereinbar sei. Seither konzentrierte sich die Auseinandersetzung um die Offenlegung von Jahresabschlüssen bei der GmbH & Co. KG auf die Frage, wie mit § 325 HGB und insbesondere mit Ordnungsgeldverfahren nach § 335a HGB bis zu einer Entscheidung des EuGH umgegangen werden solle. Nach anfänglichem Zögern der Amts- und Beschwerdegerichte, von dem Verfahren beim EuGH Kenntnis zu nehmen, hatte sich in den letzten Monaten bei einer ganzen Reihe von Landgerichten die Praxis verfestigt, die Ordnungsgeldverfahren in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO auszusetzen (zuletzt LG Oldenburg v. 8.9.2004 -- 12 T 778/04, Volltext).

II. Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH hatte die beiden Vorlageverfahren der LGe Hagen und Essen verbunden und hierüber am 23.9.2004 durch Beschluß entschieden. Die Entscheidung erging nach vergleichsweise kurzer Verfahrensdauer, da der EuGH bei der Beantwortung der Vorlagefragen "keinen Raum für vernünftige Zweifel" sah und daher im Beschlußverfahren entschied. Daß der EuGH zu dem Ergebnis gelangte, die dem KapCoRiLiG zugrundeliegende Richtlinie 90/605/EWG sei mit den Gemeinschaftsgrundrechten in Einklang, halten manche Beobachter schon deshalb nicht für überraschend, weil der EuGH bereits im Jahr 1999 in dem Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Nichtumsetzung der Richtlinien deren Vereinbarkeit mit den Gemeinschaftsgrundrechten bejaht habe. Dem muß man entgegenhalten, daß die Entscheidungen der LGe Hagen und Essen durchaus valide Argumente für einen Verstoß gegen Gemeinschaftsgrundrechte enthalten. Auch sind in der Literatur (insbesondere von Naujok, GmbHR 2003, 263) sehr gewichtige Verstöße der Richtlinie gegen Gemeinschaftsgrundrechte geltend gemacht worden. An dieser Stelle soll zwar einer ausführlichen Würdigung nicht vorgegriffen werden (s. dazu Chr. Schmidt, GmbHR 2004, 1512 -- in diesem Heft), eine Anmerkung sei jedoch vorab gegeben: Eine der Vorlagefragen betraf einen wesentlichen Kritikpunkt an der Richtlinie, nämlich die Ungleichbehandlung der GmbH & Co. KG gegenüber Kommanditgesellschaften, bei denen mindestens ein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. An dieser Stelle hätte man vom EuGH eine detailliertere Auseinandersetzung mit den Argumenten der vorlegenden Landgerichte (und auch der Literatur) erwartet. Es ist nicht überzeugend, wenn der EuGH einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im wesentlichen mit dem Argument ablehnt, die Richtlinie 90/605 folge "derselben Logik wie die Vierte Gesellschaftsrichtlinie" und der Vorteil der Beschränkung der Haftung der GmbH & Co. KG müsse mit einer "angemessenen Offenlegung zum Schutz der Interessen Dritter" einhergehen. Dieser Ansatz, die objektive Ungleichbehandlung mit dem "sachlich einleuchtenden und gewichtigen Grund" (vgl. Naujok, GmbHR 2003, 263) des Gläubigerschutzes und den unterschiedlichen Haftungsverhältnissen der betroffenen Gesellschaften zu rechtfertigen, mag dann angehen, wenn es um Gläubiger als Antragsteller geht. Die KapCoRiLi hatte aber das "Jedermann-Verfahren" eingeführt und damit den Kreis derjenigen, die die Offenlegung durch einen nicht zurücknehmbaren Antrag auf Durchführung eines Ordnungsgeldverfahrens erzwingen können, drastisch erweitert. Gerade daran aber, daß die Richtlinie "Jedermann" -- und nicht nur Gesellschaftsgläubiger und vergleichbare Interessenträger -- als Antragsteller zuließ, hatte sich seinerzeit der Streit zwischen der Kommission und dem nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie entzündet. Rügt also ein Nichtgläubiger -- z.B. ein investitions- oder übernahmewilliger Dritter oder dessen Berater -- die fehlende Offenlegung der Jahresabschlüsse und stellt bei den zuständigen Registergerichten einen Antrag auf Durchführung des Ordnungsgeldverfahrens, so bleiben nach wie vor Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz, solange eine GmbH & Co. KG den Publizitätsbestimmungen zu folgen hat, während eine KG mit einer natürlichen Person als Vollhafter den Offenlegungspflichten nicht unterliegt.

III. Konsequenzen für die Unternehmenspraxis

Hat der EuGH mit seiner Entscheidung v. 23.9.2004 nunmehr das (vorläufige) Ende einer jahrzehntelangen Diskussion verkündet, so bedeutet dies, daß der traditionell besonders ausgeprägt in der GmbH & Co. KG organisierte Mittelstand künftig mit den Offenlegungsbestimmungen des HGB zu leben haben wird. An den Vorbehalten der Geschäftsführer und Gesellschafter betroffener GmbH & Co. KG gegenüber der "Zwangspublizität" wird der Beschluß des EuGH nichts ändern. In der Beraterpraxis werden wieder verstärkt die Gestaltungen diskutiert werden, mit denen man der Registerpublizität begegnen kann, insbesondere die Aufnahme einer natürlichen Person als Vollhafter. Obwohl verläßliche statistische Daten nicht vorliegen, wird man doch davon ausgehen können, daß über 100.000 GmbH & Co. KG im Grundsatz von der Registerpublizität betroffen sind. Eine nicht genau zu beziffernde Anzahl hieraus wird wohl versuchen, der Offenlegung zu begegnen.

Da nunmehr die prinzipielle Anwendbarkeit der §§ 325 ff. HGB außer Streit steht, werden die größenabhängigen Erleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§ 326, § 327 HGB) wieder verstärkt in den Blickpunkt rücken. Hierbei mag für manches Unternehmen das am 29.10.2004 vom Bundestag verabschiedete Bilanzrechtsreformgesetz von Bedeutung sein, mit dem die sog. Schwellenwertrichtlinie 2003/38/EG des Rates umgesetzt und die Größenmerkmale des § 267 HGB erhöht werden:

Danach gelten als kleine Kapitalgesellschaften (die in den Genuß der Publizitätserleichterungen nach § 326 HGB kommen) diejenigen Unternehmen, deren Bilanzsumme 4,015 Mio. Euro (bisher 3,438 Mio. Euro) und/oder deren Umsatzerlöse 8,030 Mio. Euro (bisher 6,875 Mio. Euro) nicht überschreiten. Die Arbeitnehmerschwelle von 50 ist unverändert.

Eine mittelgroße Kapitalgesellschaft darf Bilanz und Anhang in verkürzter Form veröffentlichen, wenn sie eine Bilanzsumme von 16,06 Mio. Euro (bisher 13,750 Mio. Euro) und Umsatzerlöse von 32,12 Mio. Euro (bisher 27,5 Mio. Euro) nicht überschreitet. Die Arbeitnehmerschwelle von 250 ist auch hier unverändert geblieben.

Die mit den erhöhten Schwellenwerten wirksam werdenden Folgen für die Einstufung als kleine, mittelgroße oder große Kapitalgesellschaft können bei kalendergleichem Geschäftsjahr erstmals für einen Abschluß zum 31.12.2004 in Anspruch genommen werden.

Im Ergebnis ist auf europäischer Ebene die Diskussion der Vereinbarkeit deutscher Offenlegungsvorschriften mit Gemeinschaftsgrundrechten zwar als abgeschlossen anzusehen, für die Beraterpraxis ist dies jedoch nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang der Beschäftigung mit den Offenlegungsvorschriften bei der GmbH & Co. KG.

 

* Partner der Sozietät Peters, Schönberger & Partner GbR.


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