Thomas Wachter, Notar, Osterhofen (Bayern)
Gesetz zur "Erleichterung" der Unternehmensnachfolge
Die angekündigte Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes
wird bereits seit langem erwartet. Anfang Oktober hat das Bundesfinanzministerium
nunmehr einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Erleichterung der
Unternehmensnachfolge veröffentlicht, den die Bundesregierung am 25.10.2006
beschlossen hat (BR-Drucks. 778/06 v. 3.11.2006), so dass das Gesetz bereits
Anfang 2007 in Kraft treten könnte. Gleichwohl lässt sich derzeit
kaum vorhersehen, wie die Übertragung von Unternehmen im neuen Jahr tatsächlich
besteuert werden wird. Immerhin haben die Länderfinanzminister, denen
das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer zusteht, am 28.9.2006 mehrheitlich entschieden,
dass sie zunächst die Entscheidung des BVerfG zum derzeit geltenden Erbschaftsteuerrecht
abwarten möchten (Az. 1 BvL 10/02). Möglicherweise hat man auch
im Bundesfinanzministerium gewisse Zweifel, ob man den Zeitplan bis zum Jahresende
noch einhalten kann. Notwendige Änderungen im Bereich der Grundstücksbewertung
(s. § 138 Abs. 4 BewG), die ursprünglich in das Gesetz zur
Sicherung der Unternehmensnachfolge aufgenommen werden sollten (so ein interner
Entwurf vom Juli 2006), wurden kurzfristig in das Jahressteuergesetz 2007
ausgelagert (BR-Drucks. 622/06 v. 1.9.2006).
Der jetzt vorgelegte Gesetzesentwurf beruht im Wesentlichen
auf dem bereits in der letzten Legislaturperiode diskutierten Abschmelzungsmodell
(s. die Gesetzesentwürfe BR-Drucks. 341/05 v. 4.5.2005 = BT-Drucks. 15/5448
v. 10.5.2005 und BT-Drucks. 15/5555 v. 30.5.2005 = BR-Drucks. 322/05 v. 6.5.2005).
Die Erbschaft- und Schenkungsteuer für produktives Vermögen soll
demnach zunächst auf die Dauer von zehn Jahren gestundet werden und dann
im Falle einer Betriebsfortführung jedes Jahr in Höhe eines Zehntels
erlöschen. Die Steuer für das nicht produktive Vermögen wird
dagegen sofort in voller Höhe fällig. Im Vergleich zu den bisherigen
Reformüberlegungen weist der Gesetzesentwurf u.a. folgende Besonderheiten
auf:
- Bewertung: Der Entwurf enthält praktisch keine Neuregelungen
zur Bewertung von Unternehmen oder Grundbesitz. Insbesondere ist die ursprünglich
geplante Einführung des Stuttgarter Verfahrens für Einzelunternehmen
und Anteilen an Personengesellschaften nicht mehr vorgesehen. Die Übernahme
der Steuerbilanzwerte für Anteile an Kapitalgesellschaften von mehr
als 25 % ist gleichfalls nicht mehr Inhalt des Gesetzesentwurfs.
- Stundung: Die bisherigen Vergünstigungen für unternehmerisches
Vermögen (§§ 13a, 19a ErbStG) werden vollständig gestrichen.
Die Vergünstigung erfolgt künftig ausschließlich durch die
Stundung der Erbschaft- und Schenkungsteuer.
- Großunternehmen: Die Begrenzung der Vergünstigungen
auf unternehmerisches Vermögen im Wert von 100 Mio. € ist
entfallen. Die Vergünstigungen sollen vielmehr unabhängig vom
Wert des übertragenen Vermögens gewährt werden.
- Betriebsaufspaltungen: Wirtschaftsgüter, die Dritten zur Nutzung
überlassen werden, gehören grundsätzlich nicht zum begünstigten
Vermögen. Für Betriebsaufspaltungen sieht der Gesetzesentwurf
allerdings eine Ausnahme vor (§ 28a Abs. 1 Nr. 2 S. 2
Buchst. a) S. 2 Alt. 1 ErbStG-E). Die Gesetzesformulierung
stimmt allerdings nicht mit den bislang anerkannten Grundsätzen der
Betriebsaufspaltung überein, so dass nicht alle Fälle der Betriebsaufspaltung
begünstigt sein werden.
- Sonderbetriebsvermögen: Der Gesetzesentwurf stellt klar, dass
auch Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters zum begünstigten
Betriebsvermögen gehört (§ 28a Abs. 1 Nr. 2 S. 2
Alt. 2 ErbStG-E). Allerdings soll dies davon abhängig sein, dass
"diese Rechtsstellung auf den Erwerber" übergeht, was in Fällen
einen disquotalen Übertragung von Mitunternehmeranteil und Sonderbetriebsvermögen
möglicherweise eine Einschränkung gegenüber der jetzigen
Rechtslage darstellen könnte (s. R 51 Abs. 3 ErbStR).
- Kapitalgesellschaften: Die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften
soll auch in Zukunft nur dann begünstigt sein, wenn der Erblasser oder
Schenker am Nennkapital zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt ist.
Für die Bestimmung der Mindestbeteiligung sollen künftig allerdings
auch Anteile anderer Gesellschafter zu berücksichtigen sein, wenn die
Gesellschafter sich verpflichtet haben, nur einheitlich über die Anteile
zu verfügen und das Stimmrecht nur einheitlich auszuüben (§ 28
Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG-E). Damit soll vor allem den Interessen
von (größeren) Familiengesellschaften Rechnung getragen werden,
bei denen der einzelne Gesellschafter vielfach nicht mehr über eine
Beteiligung von mehr als 25 % verfügt.
- Eigenkapital: Geldbestände sowie Geldforderungen gegenüber
Kreditinstituten gehören bei Personen- und Kapitalgesellschaften nicht
zum begünstigten Vermögen. Der Vorschlag, zumindest einen Anteil
von 10 % zum begünstigten Vermögen zu rechnen, wurde nicht
aufgegriffen.
- Auslandsgesellschaften: Ausländisches Betriebsvermögen
soll unverändert mit dem gemeinen Wert bewertet werden, obwohl dies
gegen die europäischen Grundfreiheiten verstoßen dürfte.
Allerdings soll künftig auch Betriebsvermögen in den anderen Mitgliedsstaaten
der EU und des EWR zum begünstigten Vermögen gehören. Gleiches
gilt für Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung
im europäischen Ausland.
- Rückforderungsrechte: Die Übertragung von produktivem
Vermögen ist bis zum 1.1.2012 nicht begünstigt, wenn es der Erwerber
bereits vor dem 1.1.2007 einmal erworben hatte und dann aufgrund eines vertraglichen
Rückforderungsrechts wieder an den Veräußerer zurückübertragen
hat (§ 37 Abs. 3 ErbStG-E). Mit dieser Neuregelung sollen steuerlich
motivierte Rückforderungsrechte verhindert werden.
- Betriebsfortführung: Kernstück des jetzt vorgelegten
Gesetzesentwurfs ist die sog. Betriebsfortführungsklausel (§ 28
Abs. 2 ErbStG-E). Danach erlischt die Steuer nur dann, wenn der Betrieb
"in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse
vergleichbaren Umfang fortgeführt" wird. "Voraussetzung hierfür
ist, dass der Betrieb insbesondere nach dem Umsatz, dem Auftragsvolumen,
dem Betriebsvermögen und der Anzahl der Arbeitnehmer vergleichbar ist."
Andernfalls ist die gestundete Steuer zur Zahlung fällig. Die Bundesregierung
hat sich damit gegen die sog. Arbeitsplatzklausel entschieden, wonach die
Stundung allein von der Beibehaltung der bisherigen Anzahl sozialversicherungspflichtiger
Arbeitsverhältnisse abhängig sein sollte.
Die Betriebsfortführungsklausel dürfte die Unternehmensnachfolge
in der Praxis allerdings kaum erleichtern. Vielmehr ist zu erwarten, dass
die geplante Neuregelung schon bald Anlass für zahlreiche Streitigkeiten
zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung sein wird. Beispiele dafür
sind etwa:
- Betrieb: Die Stundung ist davon abhängig, dass "der Betrieb
des begünstigten Vermögens" (gemeint ist wohl der Betrieb,
dem das begünstigte Betriebsvermögen zuzurechnen ist) fortgeführt
wird. Dies soll wohl auch dann gelten, wenn nicht ein ganzer Betrieb, sondern
nur ein Teilbetrieb übertragen worden ist. Der Gesetzeswortlaut ("der
Betrieb") deutet zudem darauf hin, dass bei einer Gesellschaft stets
vom Vorliegen eines (und nicht von mehreren) Betriebs ausgegangen wird.
Nach der Gesetzesbegründung soll die Stundung der Steuer demgegenüber
nur dann möglich sein, wenn "die Betriebe oder Betriebsteile"
fortgeführt werden.
- Betriebsfortführung: Die Stundung der Steuer entfällt,
wenn der Betrieb nicht fortgeführt wird. Dies gilt unabhängig
davon, warum der Betrieb nicht bzw. nicht unverändert fortgeführt
wird (z.B. Konjunktureinbruch, allgemeine Marktentwicklung). Es spielt demnach
auch keine Rolle, ob der Erwerber (z.B. als Minderheitsgesellschafter) auf
die Fortführung des Betriebes Einfluss genommen hat oder nehmen konnte.
Entscheidungen der Gesellschaft über eine geänderte Betriebsfortführung
können künftig demnach zum Wegfall der Stundung bei einzelnen
Gesellschaftern führen.
- Zeitpunkt: Bei Prüfung der Betriebsfortführung soll der
Betrieb am 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres mit dem Betrieb verglichen
werden, wie er im "Zeitpunkt der Entstehung der Steuer" bestand.
Demnach dürfte es ausschließlich auf die Ausgangssituation im
Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer ankommen. Dies
würde auch dem strengen Stichtagsprinzip im Erbschaftsteuerrecht entsprechen.
Durch eine kurzfristige Verkleinerung des Betriebes vor der Übertragung
(z.B. Auslagerung von Arbeitsplätzen) könnte demnach gezielt auf
den Vergleichsmaßstab Einfluss genommen werden. Indes ist zu befürchten,
dass im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung auch die wirtschaftlichen
Verhältnisse des Betriebes in den letzten Jahren vor der Übertragung
zu berücksichtigen sind.
- Vergleichbarer Umfang: Die Stundung ist davon abhängig, dass
der Betrieb in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse
vergleichbaren "Umfang" fortgeführt wird. Auf die Art und Weise
der Betriebsfortführung dürfte es demnach nicht ankommen. Eine
Änderung der betrieblichen Tätigkeit wäre danach steuerunschädlich.
Dies müsste sogar dann gelten, wenn der Betrieb in diesem Zusammenhang
produktives Vermögen in nicht produktives Vermögen erwirbt. Selbst
eine Betriebsverlagerung ins (europäische) Ausland scheint unschädlich,
solange der Umfang des Betriebes als solches erhalten bleibt. Das "Gesamtbild
der wirtschaftlichen Verhältnisse" könnte allerdings auch
so ausgelegt werden, dass der Betrieb mit seinem produktiven Vermögen
im Inland fortgeführt werden muss.
- Nachweispflicht: Unklar erscheint auch, wem die Nachweispflicht
für die Betriebsfortführung obliegt. Der Gesetzgeber will dem
Steuerpflichtigen immerhin die Verpflichtung auferlegen, die fällige
Steuer "selbst zu berechnen und dem Finanzamt anzuzeigen" (angezeigt
werden soll wohl nicht der Steuerbetrag, sondern das Unterlassen der Betriebsfortführung;
§ 28 Abs. 5 ErbStG-E). Der Steuerpflichtige muss demnach das Vorliegen
einer Betriebsfortführung überwachen und die dafür anfallenden
Kosten tragen. Die Verletzung der Anzeigepflicht kann zudem eine strafbare
Steuerhinterziehung sein.
Die geplante Betriebsfortführungsklausel wird nicht dazu
beitragen können, dass Betriebe im Inland tatsächlich erhalten bleiben.
Im Gegenteil: sie erschwert die Fortführung von Betrieben und macht wirtschaftlich
notwendige Anpassungen weitgehend unmöglich. Der Gesetzgeber sollte die
Betriebsfortführungsklausel daher ersatzlos streichen und das Gesetz
zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge auch im Übrigen nochmals
grundlegend überarbeiten. Der jetzt vorgelegte Gesetzesentwurf ist schlicht
zu kompliziert, als dass er einen Beitrag zur "Erleichterung der Unternehmensnachfolge"
leisten könnte.