Werner G. Driesen,            
Rechtsanwalt, Bonn/Curitiba*

 

Jahresabschluss-Publizität wird zum Ernstfall: Elektronische Offenlegung bis zum Jahreswechsel 2007/2008

Der Silvestertag 2007 ist ein wichtiges Datum für publizitätspflichtige Unternehmen, deren Geschäftsjahr -- was der Regelfall sein dürfte -- dem Kalenderjahr entspricht: Bis spätestens dahin müssen sie ihre Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr 2006 elektronisch beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers in Köln einreichen. Ansonsten drohen Sanktionen in Form von Ordnungsgeldern in Höhe von bis zu 25.000 €.

Gegen die Jahresabschluss-Publizität -- aufgezwungen durch diverse EU-Bilanz-Richtlinien, die umgesetzt werden mussten -- hat der gesamte deutsche Mittelstand zwar viele Jahre unerbittlich gekämpft (u.a. auch die Herausgeberin dieser Zeitschrift, die Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt; s. zuletzt Jahresbericht in GmbHR 2000, 1 ff., m.w.N.). Leider konnte sie aber "als Preis für die Wohltat der beschränkten Haftung" letztlich nicht verhindert werden, im Gegenteil wurde sie vom EuGH in mehreren Entscheidungen ausdrücklich "abgesegnet" (s. zuletzt EuGH v. 23.9.2004 -- Rs. C-435/02 u. 103/03, GmbHR 2004, 1463 ff.). Auch im Schrifttum vorgestellte "Publizitäts-Vermeidungsmodelle" helfen nur bedingt; von daher ist die Publizitätspflicht im Unternehmensalltag nunmehr bittere Realität bzw. sie wird mit Ablauf des kommenden Silvestertags leider zum Ernstfall.

I. Neue Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten

Zum 1.1.2007 ist, wie auch in dieser Zeitschrift berichtet wurde (Clausnitzer/Blatt, GmbHR 2006, 1303 ff.; Seibert/Wedemann, GmbHR 2007, 17 ff.), das "Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG)" v. 10.11.2006, BGBl. I 2006, 2553) in Kraft getreten. Seitdem werden die Handelsregister in Deutschland nicht mehr in Papierform bei den Amtsgerichten (Registergerichten), sondern elektronisch geführt. Zuständig ist die Betreiberin des elektronischen Bundesanzeigers, die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH (www.ebundesanzeiger.de). Gleichzeitig wurde unter www.unternehmensregister.de ein elektronisches Unternehmensregister eingerichtet. Hier stehen alle wesentlichen Unternehmensdaten (z.B. Handelsregistereintragungen, Jahresabschlüsse, gesellschaftsrechtliche Bekanntmachungen etc.) für Jedermann zum Online-Abruf bereit. Damit ist -- nicht zuletzt auf weiteren Druck der EU, die mit der bisherigen Offenlegungsquote in Deutschland offenbar nicht so recht zufrieden war -- die Publizitätspflicht im Ergebnis nochmals verschärft worden.

II. Einzelheiten zur Publizitätspflicht

1. Publizitätspflichtige Unternehmen

Der Kreis der offenlegungspflichtigen Unternehmen hat sich durch das "EHUG" nicht geändert. Nach wie vor handelt es sich um

2. Offenlegungspflichtige Unterlagen

Das "EHUG" ändert auch nichts daran, welche Unterlagen die Unternehmen -- je nach Größenklassen gem. § 267 HGB (s. dazu noch unten III. a.E.) -- zur Veröffentlichung einreichen müssen:

3. Form der Einreichung und Kosten

Die Jahresabschluss-Unterlagen müssen dem elektronischen Bundesanzeiger elektronisch via Internet übermittelt werden. Für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2009 können die Unterlagen aber auch noch in Papierform eingereicht werden (vgl. § 4 der Verordnung über die Übertragung und Führung des Unternehmensregisters und die Einreichung von Dokumenten beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers v. 15.12.2006, BGBl. I 2006, 3202). Dadurch entsteht allerdings erhöhter Aufwand für die Digitalisierung; verursachte Kosten müssen von dem einreichenden Unternehmen getragen werden. Bezüglich Einreichungsformen und Kosten etc. hat die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH ein Papier erstellt, das im Internet zur Verfügung steht (Volltext PDF-Dokument).

4. Fristen der Offenlegung

Die durch das "EHUG" geänderten Vorschriften des HGB sind erstmals auf Abschlussunterlagen für das nach dem 31.12.2005 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (Art. 61 Abs. 5 S. 1 EGHGB). Wie bisher müssen diese unverzüglich nach ihrer Vorlage an die Gesellschafter, spätestens aber 12 Monate nach dem Abschluss-Stichtag eingereicht werden. Entspricht das Geschäftsjahr -- wie im Regelfall -- dem Kalenderjahr, ist der Abschluss für das Geschäftsjahr also spätestens bis 31.12.2007 einzureichen und bekannt zu machen. Für kapitalmarktorientierte Gesellschaften gilt i.Ü. eine kürzere Einreichungsfrist von vier Monaten (s. § 325 Abs. 4 S. 1 HGB).

 

5. Überprüfung der Unterlagen und Sanktionen

Der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers prüft, ob die einzureichenden Unterlagen fristgemäß und vollständig eingereicht worden sind (§ 329 Abs. 1 S. 1 HGB). Ergibt die Prüfung, dass die offen zu legenden Unterlagen nicht oder nur unvollständig eingereicht wurden, wird das für die Durchführung von Ordnungsgeldverfahren zuständige Bundesamt für Justiz in Bonn unterrichtet.

Das Ordnungsgeldverfahren wegen Verletzung der Publizitätspflicht wird seit dem 1.1.2007 nun von Amts wegen betrieben. Es muss also kein Antrag mehr gestellt werden, um ein solches Verfahren einzuleiten. Für Verstöße ist ein Ordnungsgeldrahmen von 2.500 € bis 25.000 € vorgesehen (§ 335 Abs. 1 S. 4 HGB).

Interessant ist in diesem Zusammenhang die "Geschichte" der Sanktionen bei Nicht-Offenlegung von Jahresabschlüssen, die nun zum dritten Mal verschärft worden sind: Während ursprünglich nach dem "BiRiLiG" v. 19.12.1985 (BGBl. I 1985, 2355) antragsberechtigt nur ein beschränkter Kreis, nämlich Gläubiger, Gesellschafter und Mitglieder eines Betriebsrats waren, führte das "KapCoRiLiG" v. 16.12.1999 (BGBl. I 2000, 154 ff.) die Antragsberechtigung durch "Jedermann" ein. Bei einer Verfahrenssimulation im Vorfeld dieses Gesetzes (dazu Dieckmann, GmbHR 2000, 353 ff.), an der auch der Verf. teilnehmen durfte, ist zwar bereits das "Amtsverfahren" diskutiert worden; hiergegen wurden von Vertretern der Registergerichte jedoch Kapazitätsbedenken vorgebracht. Nunmehr hat der Gesetzgeber mit dem zum 1.1.2007 errichteten Bundesamt für Justiz in Bonn (s. Gesetz zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamts für Justiz v. 17.12.2006, BGBl. I 2006, 3171) sozusagen eine eigene "Verfolgungsbehörde" dafür eingesetzt.

Das Ordnungsgeld muss vorher angedroht werden und kann sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen ihre gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer), bei Nichtbefolgung notfalls auch mehrfach festgesetzt werden.

Gegen die Androhung des Ordnungsgeldes kann Einspruch eingelegt werden, der aber keine aufschiebende Wirkung hat. Gegen die Ablehnung eines Einspruchs und gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes kann sofortige Beschwerde erhoben werden. Zuständig dafür ist gem. § 335 Abs. 5 HGB das "für den Sitz des Bundesamts der Justiz zuständige Landgericht", also das LG Bonn. Eine sofortige weitere Beschwerde zum OLG findet nicht statt.

 

III. Ausblick: Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz

Gewisse Erleichterungen in Sachen Publizität verspricht der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes -- BilMoG), der am 9.11.2007 veröffentlicht worden ist (Volltext (PDF-Dokument) zu den vorbereitenden "Eckpunkten" v. 16.10.2007 s. Werner, GmbHR 2007, R 341). Dieser sieht Änderungen im Bilanzrecht sowie im Recht der Abschlussprüfung vor und setzt zwei EU-Richtlinien aus 2006 um (sog. Abänderungsrichtlinie sowie sog. Abschlussprüferrichtlinie). Die Reform soll für die nach dem 31.12.2008 beginnenden Geschäftsjahre wirksam werden. Verbunden damit ist eine moderate Heranführung des Handelsbilanzrechts an die IFRS: Unternehmen, die sich auch im Rahmen ihres Jahresabschlusses nach den IFRS präsentieren möchten, wird erlaubt, anstelle des handelsrechtlichen Jahresabschlusses einen solchen nach den IFRS aufzustellen, dessen Anhang aber um eine HGB-Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung zu ergänzen ist. Durch das modernisierte Bilanzrecht soll aber auch eine gleichwertige, jedoch einfachere und kostengünstigere Alternative zu den IFRS geboten werden.

Erfreulich ist, dass wieder gewisse Erleichterungen für "kleine Mittelständler" herbeigeführt werden sollen, indem Kaufleute und Personengesellschaften, die nicht mehr als 50.000 € Jahresüberschuss und nicht mehr als 500.000 € Umsatzerlöse erzielen, gänzlich von der handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzpflicht befreit werden sollen (§ 241a HGB-E). Durch eine erneute Erhöhung der Schwellenwerte für kleine bzw. mittelgroße Gesellschaften (§ 267 HGB) werden weitere Gesellschaften "klein" im Sinne des Bilanzrechts und können künftig mehr Unternehmen als bisher größenabhängige Erleichterungen in Anspruch nehmen, d.h. müssen nur verkürzte Angaben in ihre Jahresabschlüsse einstellen bzw. offen legen. Diese sollen künftig wie folgt aussehen:

 

Kleine
Gesellschaften
bis zu €

mittelgroße
Gesellschaften
bis zu €

große
Gesellschaften
über €

Bilanzsumme alt

4.015.000

16.060.000

16.060.000

Bilanzsumme neu

4.840.000

19.250.000

19.250.000

Jahresnettoumsatz alt

8.030.000

32.120.000

32.120.000

Jahresnettoumsatz neu

9.860.000

38.500.000

38.500.000

Durchschnittliche Arbeitnehmerzahl (unverändert)

bis 50

bis 250

mehr als 250

 

*    Kanzlei Hohlfeld -- Ketzer -- Driesen, Bonn.




Zurück