Dr. Wolfgang Lingemann, Köln*

Verdachtsmomente eines "Umsatzsteuerkrimis" – Aus der "schwarzen Liste" der Finanzbehörden

Als im Herbst 2001 die Bundesregierung der Umsatzsteuerhinterziehung durch ein eigenes "Umsatzsteuerverkürzungsbekämpfungsgesetz" den Kampf ansagte, da wurde das Bundesamt für Finanzen mit einer bundesweiten, länderübergreifenden Informationssammlung und Koordinationsaufgabe betraut. Das Bundesamt soll die umsatzsteuerlichen Ermittlungen der Bundesländer bündeln und – soweit erforderlich – selbst Prüfungen beim Verdächtigen und die neue "allgemeine Nachschau" beim noch Unverdächtigen veranlassen.

"Verdachtsmitteilungen"

Das Bundesamt soll jedoch nicht aus heiterem Himmel Ermittlungsaufträge an die Betriebsprüfungen der Länder erteilen oder Außenprüfungen anordnen, sondern lebt von den Verdachtsmitteilungen der Finanzämter, die zur Begründung aus einem mehr als hundert Punkte zählenden Katalog schöpfen soll, den das Bundesfinanzministerium aufgestellt hat und der Ende Oktober 2001 aus Zeitungsberichten bekannt wurde (Handelsblatt v. 23.10.2001, S. 3 und v. 24.10.2001, S. 4). Die "highlights" dieser "schwarzen Liste" seien nachfolgend im Überblick dargestellt:

"Fremdbestimmtheit" des Unternehmens

Es macht sich danach ein Unternehmen für eine Umsatzsteuersteuerprüfung verdächtig, wenn es über einen Geschäftsführer verfügt, der nicht im Nahbereich der Firma wohnt oder die Geschäftsführer gar Ausländer mit Wohnsitz im Ausland sind. Auch Geschäftsführer, die in gleicher Funktion bei anderen Unternehmen auftreten, erregen den Verdacht, daß umsatzsteuerlich etwas im Argen liegen könnte. Sind noch andere Personen außerhalb der Geschäftsführung vom Unternehmen mit Vollmachten ausgestattet oder ist eine ausländische Gesellschaft alleiniger Anteilseigner der Firma, dann bedeutet das einen Verdachtspunkt.

"Nicht ohne einen Steuerberater ..."

Die steuerlichen Pflichten eines Unternehmens können nach Ansicht der Finanzbehörden anscheinend gar nicht mehr ohne einen Steuerberater korrekt wahrgenommen werden. Denn fehlt es an professioneller Steuerberatung oder ist der Steuerberater nicht in der Nähe der Firma wohnhaft, erweckt auch dies den Argwohn der Umsatzsteuerprüfer.

Bloß kein "Know-how" Potential

Unternehmen der Dienstleistungsbranche und solche, die nicht mit körperlich faßbaren Wirtschaftsgütern handeln, sind offenbar besonders im Visier der Kontrolleure. Sie ruft schon der Geschäftszweck eines "Büroservices" oder die Beratung, Überlassung von Know-how oder Schutzrechten auf den Plan. Als schwarze Schafe werden zudem insbesondere solche Unternehmen angesehen, die mit Mobiltelefonen, Computern, Computerteilen oder Kraftfahrzeugen handeln. Leistet sich die Firma Gegenstände, die im allgemeinen hauptsächlich privat genutzt zu werden pflegen, wie Luxusautos, Yachten oder Flugzeuge, so bildet das ein Verdachtsmoment.

Keine "Drei-Buchstabenfirma"

Auch Firmensitz, Infrastruktur und das äußere Erscheinungsbild erregen die Aufmerksamkeit der Finanzbehörden. Eine "Drei-Buchstabenfirma", das Fehlen eines vorgedruckten Briefkopfes oder üblicher Angaben auf dem Geschäftspapier oder eine ausländische Bankverbindung lassen angeblich darauf schließen, daß mit dem Unternehmen etwas nicht stimmt.

Bloß keine steuerlich günstigen Verhältnisse

Treten bei der Firmengründung unverhältnismäßig hohe Vorsteueransprüche auf, sind die Lieferungen größtenteils steuerfrei, gibt es für das Erwirtschaften hoher Umsätze neben dem Geschäftsführer kein weiteres Personal oder gibt dieser die Umsatzsteuer-Identitäts-Nr. falsch an, dann kann das auffällig sein.

Meide falsche Berater

Schließlich fallen auch solche Unternehmen auf, die von Steuerberatern oder Rechtsanwälten beraten werden, die schon einmal im Zusammenhang mit auf Steuermanipulation ausgerichteten Rechtsgestaltungen bekannt geworden oder wiederholt als Berater von Steuerhinterziehern aufgetreten sind. Gegen solche Ächtung von Berufsträgern hat sich bei den Verbänden von Beratern ein Sturm der Entrüstung gelöst. Diese erhoben den Vorwurf der Maßlosigkeit bei den Anstrengungen der Finanzverwaltung, die öffentlichen Kassen wieder ein wenig zu füllen.

Eine unlösbare Aufgabe

Bei allem Verständnis für die Bekämpfung der Umsatzsteuerkriminalität, der Überblick zu den Verdachtsmomenten zeigt aber, daß eine saubere Trennung zwischen ehrlichen Teilnehmern des Wirtschaftslebens und den umsatzsteuerlich schwarzen Schafen kaum anhand von Indizien möglich ist. Vielmehr müssen wohl etliche Nachprüfungen erst noch die wirkliche Spreu vom Weizen trennen. Abzuwarten bleibt, wie die Finanzverwaltung ihre vielen neuen Aufgaben bewältigen soll. Neben der Ausgabe von "Unbedenklichkeitsbescheinigungen" für Bauunternehmen bei der Bauabzugsteuer und der Bankkonten-Rasterfahndung sieht das nach einem weiteren Beschäftigungsprogramm für die Finanzverwaltung und die steuerlichen Berater aus!

 

* Schriftleiter der "Finanz-Rundschau".


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