Dr. Volker Römermann,
Rechtsanwalt, Hannover*

RDG -- Der Regierungsentwurf

Langsam wird es ernst. Nach einem Diskussions- und einem Referentenentwurf liegt seit dem 23.8.2006 der Regierungsentwurf eines Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) vor (BR-Drucks. 623/06 v. 1.9.2006), das nach dem Willen des Bundesjustizministeriums schon Mitte 2007 das überkommene Rechtsberatungsgesetz (RBerG) ablösen soll. Zu den früheren Überlegungen und Entwürfen wurde an dieser Stelle bereits mehrfach kritisch Stellung genommen (Römermann, GmbHR 2003, R 25; 2004, R 209; 2005, R 181; ausführlich BRAK-Mitt. 2005, 98 (Teil I) und 212 (Teil II); DB 2005, 897). Im neuen Entwurf hat sich kaum etwas verändert. Der Verbraucher, aber auch der rechtlich unerfahrene Unternehmer werden sich zukünftig Legionen von Quacksalbern ausgeliefert sehen, die sich berufen wähnen, rechtliche Er- oder besser: Un-Kenntnisse unter das Volk zu streuen.

Anwaltsorganisationen "haben sich stets bemüht"

Die Anwaltverbände hatten in den letzten Monaten in gewohnt leiser, harmonischer und erfolgloser Manier diplomatische Bemühungen angestellt, die uferlose Liberalisierung auf ein Maß zu begrenzen, das den gebotenen Schutz des nichtsahnenden Publikums wahrt. Eigentlich kein Kunststück, mag es manchem scheinen, der chirurgische Eingriff bleibt schließlich auch in Zukunft aus guten Gründen approbierten Medizinern vorbehalten und für die Rechtspflege sollte doch im Grundsatz dieselbe Logik gelten wie im Gesundheitswesen. Im Ergebnis aber verhallte die anwaltsoffizielle Kritik in Berlin weitestgehend ungehört. Veränderungen gegenüber dem Referentenentwurf sind praktisch nur in der Begründung des Gesetzentwurfs festzustellen. Dort wird nun sinngemäß behauptet, Verkehrsrecht sei eine so schwierige Materie, dass die damit zusammenhängende Rechtsbesorgung in aller Regel den Anwälten vorbehalten sein müsse (ob die Gerichte dieser unverbindlichen Einschätzung in den konkreten Fällen später folgen werden, erscheint mir mehr als fraglich). Die Verkehrsrechtler, vermutlich in den Vorständen der Anwaltskammern wie in den Gremien des Deutschen AnwaltVereins eine Mehrheit, mögen sich damit zufrieden erklärt haben. Jedenfalls wurde die Bundesjustizministerin auf dem letzten Deutschen Anwaltstag in Köln für die konstruktive Zusammenarbeit und die gemeinsam gefundenen Resultate artig gelobt und lobte ebenso erfreut zurück. Erste Stellungnahmen aus dem Bereich des DAV (z.B. Hamacher, AnwBl. 2005, 378; 2006, 618) fallen so positiv aus, dass die WELT AM SONNTAG am 27.8.2006 titelt: "Rechtsberatung von jedermann -- Verbraucherschützer und Rechtsanwälte begrüßen die Liberalisierung bei der Beratung".

Rechtsanwendung ohne juristische Subsumtion?

Dabei gäbe es nach wie vor bei näherer Betrachtung einigen Anlass zu nüchterner Skepsis gegenüber dem Überschwang der Befreiungsgefühle: Nach wie vor ist der Anwendungsbereich des RDG unbestimmt. Nur noch derjenige fällt zukünftig in den grundsätzlichen Verbotsbereich des Gesetzes, der "Rechtsdienstleistungen" anbietet. Was das ist, definiert § 2 Abs. 1 RDGE so:

"Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie nach der Verkehrsanschauung oder der erkennbaren Erwartung des Rechtsuchenden eine besondere rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert."

Was aber ist eine "besondere" rechtliche Prüfung (der Referentenentwurf hatte noch mit der "vertieften" Prüfung operiert)? Die Entwurfsbegründung will darauf abstellen, ob eine "substanzielle" Rechtsprüfung mit einem "spezifisch juristischen Subsumtionsvorgang" erforderlich sei im Unterschied zur "einfachen Rechtsanwendung", die sich in "der bloßen Anwendung von Rechtsnormen erschöpft" (S. 94). Da Rechtsanwendung notwendig eine Subsumtion voraussetzt, will mir diese Abgrenzung nicht recht einleuchten. Versuchen wird sich an ihr demnächst der Anbieter selbst, also z.B. der Kfz-Mechaniker für die Geltendmachung von Unfallschäden, der Bankberater bei der erbrechtlichen Gestaltung, der Unternehmensberater bei dem share deal. Falls sich der nichtjuristische Dienstleister bei der Beurteilung der rechtlichen Schwierigkeit etwas verschätzt, ist das häufig folgenlos. Eine Bußgelddrohung wird es nicht mehr geben (um die Länderetats von derartigen Kosten zu entlasten). Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche macht nur der geltend, der sie kennt. Zudem wird man an die Sorgfaltspflichten juristischer Laienberater vermutlich nicht dieselben hohen, nahezu unerfüllbaren (aber durch eine Berufshaftpflichtversicherung abgedeckten) Ansprüche stellen wie bei Rechtsanwälten (dazu näher Römermann in Hartung, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl. 2006, Vor § 51 BRAO Rz. 1 ff.).

Anwaltssozietät mit jedermann

Wenn der Anwendungsbereich des RDG grundsätzlich eröffnet ist, gibt es im übrigen in §§ 5 ff. RDGE zahlreiche "Schlupflöcher", die interessierten Laien durchaus komplex Rechtsberatung gestatten -- sei es als "Nebenleistung", unter Hinzuziehung anwaltlicher Subunternehmer oder im Rahmen von Verbänden (wie etwa dann auch dem ADAC). Ein neu gefasster § 59a BRAO soll sogar Sozietät mit Anwälten mit nahezu allen denkbaren Berufen ermöglichen -- eine Vorschrift, über deren Auswirkungen sich bisher offenbar kaum jemand Gedanken gemacht hat. Wenn das Gesetz in der Entwurfsfassung Wirklichkeit wird -- wovon auszugehen ist --, eröffnen sich viele neue Marktchancen für nichtjuristische Berater -- und Gefahren für deren Mandanten.

 

* Partner der Sozietät Römermann Rechtsanwälte in Hannover und Lehrbeauftragter der Humboldt-Universität zu Berlin.

 



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