BGH 31.5.2011, II ZR 109/10

Herrschender Gesellschafter bei Beschluss über ordentliche Kündigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags stimmberechtigt

Bei der Beschlussfassung über die ordentliche Kündigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags durch die beherrschte Gesellschaft ist der herrschende Gesellschafter stimmberechtigt. Von dem Stimmverbot des § 47 Abs. 4 S. 2 Fall 1 GmbHG ausgenommen sind sog. körperschaftliche Sozialakte, bei denen der Gesellschafter sein Mitgliedsrecht ausübt.

Der Sachverhalt:
Die beklagte GmbH schloss im Juli 1999 mit der L-mbH, die 90 Prozent ihrer Geschäftsanteile hält, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ab. Die restlichen Geschäftsanteile hält die Schuldnerin. Der Vertrag sollte ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus wichtigem Grund, im Übrigen erstmals zum Ablauf des 31.12.2004 mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich gekündigt werden können und sich, wenn er nicht gekündigt wird, bei gleicher Kündigungsfrist jeweils um ein Kalenderjahr verlängern. Ein Ausgleich für die Schuldnerin war nicht vorgesehen. Mit einem notariell beurkundeten Beschluss stimmten die Gesellschafter der Beklagten im August 1999 dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu, der daraufhin ins Handelsregister eingetragen wurde.

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde im Januar 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er beantragte in der Gesellschafterversammlung der Beklagten im November 2007, die Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zu beschließen. Der Antrag wurde mit den Stimmen der herrschenden Gesellschaft abgelehnt. Der Kläger beantragte, den Beschluss der Gesellschafterversammlung für nichtig zu erklären und festzustellen, dass der Beschluss gefasst worden ist, den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag außerordentlich, hilfsweise fristgerecht zum 31.12.2008 zu kündigen.

Das LG erklärte den Beschluss für nichtig und wies die Klage im Übrigen ab. Das OLG wies die Klage insgesamt ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Anfechtungsklage gegen den Beschluss, mit dem die Gesellschafterversammlung der Beklagten die ordentliche Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit den Stimmen der L-mbH abgelehnt hat, ist unbegründet. Damit entfällt auch die Grundlage für die beantragte Feststellung, dass die Kündigung beschlossen wurde.

Die Gesellschafterversammlung hat die ordentliche Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags nicht mit Mehrheit beschlossen. Die Stimmen der L-mbH waren mitzuzählen. Sie unterlag keinem Stimmverbot (§ 47 Abs. 4 S. 2 Fall 1 GmbHG) und war auch nicht aufgrund der gesellschafterlichen Treuepflicht verpflichtet, für die Kündigung zu stimmen. Bei der Beschlussfassung über die ordentliche Kündigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags durch die beherrschte Gesellschaft ist der herrschende Gesellschafter stimmberechtigt.

Nach § 47 Abs. 4 S. 2 Fall 1 GmbHG hat ein Gesellschafter zwar bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts gegenüber ihm betrifft, kein Stimmrecht. Dazu gehören auch einseitige oder rechtsgeschäftsähnliche Handlungen und damit eine ihm gegenüber zu erklärende Kündigung eines Vertragsverhältnisses. Von dem Stimmverbot ausgenommen sind aber sog. körperschaftliche Sozialakte, bei denen der Gesellschafter sein Mitgliedsrecht ausübt, wie Organbestellungsakte einschließlich der Beschlussfassung über die dazugehörigen Regelungen der Bezüge und Anstellungsbedingungen, über die Genehmigung von Anteilsübertragungen, über die freiwillige Einziehung, über die Nachfolge eines ausscheidenden Gesellschafters oder über die Einforderung der Stammeinlagen.

Bei solchen, die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft betreffenden Beschlüssen ist dem Gesellschafter die Mitwirkung nicht schon zu versagen, wenn der Beschlussinhalt zugleich auf seinen persönlichen Rechtskreis einwirkt, es sei denn, er würde, weil es gerade um die Billigung oder Missbilligung seines Verhaltens als Gesellschafter oder Geschäftsführer geht, dadurch zum Richter in eigener Sache. Der Beschluss über die ordentliche Kündigung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags gegenüber dem herrschenden Gesellschafter betrifft nicht nur das Verhältnis der beherrschten Gesellschaft zu ihrem herrschenden Gesellschafter, sondern auch die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft und verändert ihre Organisationsstruktur, so dass dem herrschenden Gesellschafter seine Mitwirkung nicht versagt werden kann.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.07.2011 14:20
Quelle: BGH online

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