BGH 12.7.2011, II ZR 28/10

Britische Gerichte sind bei Streitigkeiten innerhalb einer Limited international zuständig

Bei Klagen nach Art. 22 Nr. 2 EuGVVO bestimmt sich die Frage der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit nach der Gründungstheorie und damit grundsätzlich nach dem Satzungssitz im Herkunftsstaat. Bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten innerhalb einer Limited sind britischer Gerichte international zuständig.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Private Limited Company (Limited) mit eingetragenem Sitz in England. Sie wurde im Januar 2007 nach Recht des Vereinigten Königreichs gegründet und ist zudem persönlich haftende Gesellschafterin einer Ltd. & Co. KG, die ihren Sitz in Deutschland. In dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten heißt es u.a.:

Alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern sowie der Gesellschafter mit der Gesellschaft oder ihren Organen werden den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland zugewiesen, sofern die Gesellschaft dort ihren tatsächlichen Verwaltungssitz unterhält. Örtlich zuständig in der Bundesrepublik Deutschland ist dann das Gericht am Verwaltungssitz der Gesellschaft.

Der Kläger ist geschäftsführender Gesellschafter der Beklagten. Mit seiner Klage begehrte er, Beschlüsse gegen seine Abberufung als Geschäftsführer für nichtig zu erklären, da die Gesellschafterversammlung der Beklagten, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland habe, nicht ordnungsgemäß einberufen worden und nicht beschlussfähig gewesen sei. Das LG gab der Klage statt; das wies sie als unzulässig ab. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Die Klage war unzulässig, da es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte fehlte.

Der Anwendungsbereich des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO war eröffnet, da sich die Klage unmittelbar gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung richtete und beantragte, diese für nichtig zu erklären. Die Vorschrift weist die ausschließliche Zuständigkeit für die dort aufgeführten Klagen den Gerichten des Mitgliedstaats zu, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat. Diese sind am besten in der Lage sind, über derartige Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden.

In Deutschland ist das internationale Privatrecht, das bei Klagen gegen eine Auslandsgesellschaft festlegt, welcher Rechtsordnung deren Gesellschaftsstatut zu unterstellen ist, nicht kodifiziert. Es ergibt sich aus den - jeweils ungeschriebenen - Regeln der Sitztheorie, nach der auf den tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft abzustellen ist, oder der Gründungstheorie, die besagt, dass das Personalstatut der Auslandsgesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats zu beurteilen ist. Im vorliegenden Fall war die Gründungstheorie anwendbar, da die beklagte Gesellschaft in einem Mitgliedstaat der EU gegründet worden war. Infolgedessen waren die Regeln der Gründungstheorie maßgebend für die Entscheidung darüber, wo sich der nach Art. 22 Nr. 2 S. 2 EuGVVO zuständigkeitsbegründende Sitz der Beklagten befindet. Danach war der Sitz der Gesellschaft der im Herkunftsstaat bestehende Satzungssitz.

Das Recht des Vereinigten Königreichs enthält zu Art. 22 Nr. 2 EuGVVO eine Regelung, die im vorliegenden Fall zur Zuständigkeit der dortigen Gerichte führte. Nach Schedule 1 paragraph 10 der Civil Jurisdiction and Judgments Order 2001 hat eine Gesellschaft, die nach dem in einem Teil des Vereinigten Königreichs geltenden Recht gegründet wurde, dort auch ihren Sitz. Auf einen in einem anderen Mitgliedstaat bestehenden Verwaltungssitz kommt es demnach neben dem Gründungssitz im Vereinigten Königreich nicht an. Die im Gesellschaftsvertrag getroffene Gerichtsstandsvereinbarung war unwirksam, da die nach Art. 22 Nr. 2 EuGVVO zu bestimmende Zuständigkeit eine ausschließliche ist.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.09.2011 12:17
Quelle: BGH online

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