BFH 5.2.2014, I R 48/11

Ausnahmsweiser Abzug "finaler" ausländischer Betriebstättenverluste bei der Ermittlung des Gewinns

Der Senat hält auch für Art. 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 sowie Art. 13 Abs. 2 DBA-Belgien daran fest, dass Deutschland für (laufende und Veräußerungs-)Verluste, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in seiner in Belgien belegenen Betriebstätte erwirtschaftet, kein Besteuerungsrecht hat (sog. Symmetriethese). Ein Verlustabzug kommt abweichend davon aus Gründen des Unionsrechts nur ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat - als sog. finale Verluste - steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Geschäftsanteile im Streitjahr 1999 zu 60 % von der R-GmbH - zugleich Zuliefererbetrieb der Klägerin - und zu jeweils 20 % von den Brüdern P. gehalten wurden. Sie betrieb das Großhandelsgeschäft mit italienischen Eisspezialitäten und mit dem Zubehör für den Betrieb von Eiscafés. Im Jahr 1996 hatte sie eine Zweigniederlassung in Belgien gegründet, deren Aufbau sie mit einem Darlehen der R-GmbH finanzierte.

Für die Niederlassung erstellte die Klägerin eine gesonderte Buchführung, deren Ergebnisse in den deutschen Jahresabschluss eingingen. Als Ergebnisse der belgischen Betriebstätte berücksichtigte die Klägerin in ihren deutschen Jahresabschlüssen für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 Verluste. Insoweit fand die Regelung in § 2a Abs. 3 EStG 1997 Anwendung, die letztmals für den Veranlagungszeitraum 1998 anzuwenden war, jeweils i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999.

Im November 1998 veräußerte die Klägerin das Betriebsvermögen ihrer belgischen Niederlassung rückwirkend zum 31.8.1998 an eine belgische Kapitalgesellschaft, deren Gesellschafter ebenfalls die Gebrüder P. waren. In ihrer Gewinnermittlung für das Rumpfwirtschaftsjahr 1998/1999 berücksichtigte sie aus dem Wirtschaftsjahr vom 1.3. bis 31.8.1998 aus der belgischen Betriebstätte gewinnmindernd einen laufenden Verlust i.H.v. 169.708 DM und einen Veräußerungsverlust i.H.v. 504.523 DM, ferner Zinszahlungen aus dem Aufbaudarlehen i.H.v. 39.286 DM; diese Zahlungen hatte sie nicht der gesonderten Buchführung der belgischen Betriebstätte zugeordnet.

Das Finanzamt lehnte es ab, im Streitjahr die Verluste aus der belgischen Betriebstätte zu berücksichtigen. Sie seien sämtlich nach Maßgabe von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 S. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 sowie Art. 13 Abs. 2 DBA-Belgien von der deutschen Besteuerung auszunehmen. Das FG gab der Klage gegen den hiernach geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1999 statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Die im Inland ansässige und hier mit ihren sämtlichen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtige Klägerin erwirtschaftete mit ihrer in Belgien belegenen Betriebstätte im Streitjahr Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 DBA-Belgien. Die Einkünfte aus der Betriebstätte können gem. Art. 7 Abs. 1 S. 2 DBA-Belgien sowie - betreffend die Gewinne aus der Betriebstättenveräußerung - gem. Art. 13 Abs. 2 DBA-Belgien in Belgien besteuert werden und sind nach Art. 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 DBA-Belgien als aus Belgien stammende Einkünfte in Deutschland von der Steuer befreit. Die insoweit anzustellende Einkünfteermittlung richtet sich nach deutschem Recht.

Der Senat hält auch für Art. 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 sowie Art. 13 Abs. 2 DBA-Belgien daran fest, dass Deutschland für (laufende und Veräußerungs-)Verluste, die ein in Deutschland ansässiges Unternehmen in seiner in Belgien belegenen Betriebstätte erwirtschaftet, kein Besteuerungsrecht hat (sog. Symmetriethese). Er sieht keinen Grund dafür, seine Rechtsprechung, die auf der EuGH-Judikatur aufbaut, in Frage zu stellen oder abermals den EuGH anzurufen; die einschlägigen Rechtsfragen sind geklärt.

Ein Verlustabzug kommt abweichend davon aus Gründen des Unionsrechts nur ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat - als sog. finale Verluste - steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind (Anschluss an die ständige Rechtsprechung des EuGH). Eine derartige "Finalität" ist gegeben, wenn die Verluste im Quellenstaat aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können oder ihr Abzug in jenem Staat zwar theoretisch noch möglich, aus tatsächlichen Gründen aber so gut wie ausgeschlossen ist und ein wider Erwarten dennoch erfolgter späterer Abzug im Inland verfahrensrechtlich noch rückwirkend nachvollzogen werden könnte (Bestätigung des Senatsurteils vom 9.6.2010, Az.: I R 107/09.

Wird eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebstätte entgeltlich oder unentgeltlich übertragen, ist ein nach § 2a Abs. 3 S. 1 u. 2 EStG 1997 abgezogener Betriebstättenverlust nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 i.d.F. von § 52 Abs. 3 S. 5 EStG 1997 i.d.F. des StBereinG 1999 (jetzt § 52 Abs. 3 S. 7 EStG 2009) im Veranlagungszeitraum der Übertragung dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen; § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1997 ist in der vorgenannten Fassung für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2005 anzuwenden. Die Vorschrift bleibt im Veranlagungszeitraum 1999 danach unanwendbar, wenn die Übertragung der Betriebstätte (hier durch Verkauf an eine Kapitalgesellschaft) zwar im abweichenden Wirtschaftsjahr 1998/1999, tatsächlich jedoch noch im Kalenderjahr 1998 vorgenommen wurde.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.04.2014 12:40
Quelle: BFH online

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