BGH 29.4.2014, II ZR 216/13

Abfindungsausschlüsse in GmbH-Satzungen sind sittenwidrig und grundsätzlich nicht als Vertragsstrafe zulässig

Eine Bestimmung in der Satzung einer GmbH, nach der im Fall einer (groben) Verletzung der Interessen der Gesellschaft oder der Pflichten des Gesellschafters keine Abfindung zu leisten ist, ist sittenwidrig und nicht grundsätzlich als Vertragsstrafe zulässig. Gegen die Einordnung eines Abfindungsausschlusses im Fall einer groben Pflichtverletzung als Vertragsstrafe spricht insbesondere, dass in jedem Einzelfall die Verhältnismäßigkeit der "Strafe" überprüft werden müsste, ohne dass dafür praktisch handhabbare Maßstäbe bestehen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin war Gesellschafterin der beklagten GmbH mit einem Anteil von 49,6% und bis zur Niederlegung des Amtes im Juni 2010 auch Geschäftsführerin. In der Satzung der GmbH, war bestimmt, dass im Fall einer (groben) Verletzung der Interessen der Gesellschaft oder der Pflichten des Gesellschafters, diesem keine Abfindung zu leisten ist.

In der Gesellschafterversammlung der Beklagten im Dezember 2010 wurde durch Beschluss festgestellt, dass in der Person der Klägerin wichtige Gründe vorlägen, die dazu berechtigten, sie ohne Abfindung auszuschließen. Zum Vollzug der Ausschließung wurde die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin beschlossen.

Die Klägerin erhob gegen die genannten Beschlüsse Anfechtungsklage. LG und OLG gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Die Beschlüsse waren nach § 241 Nr. 4 AktG nichtig, weil der in der Satzung bestimmte Abfindungsausschluss sittenwidrig und nichtig ist.

Das Recht eines Gesellschafters, bei Ausscheiden aus der Gesellschaft eine Abfindung zu erhalten, gehört zu seinen Grundmitgliedsrechten. Ein gesellschaftsvertraglicher Abfindungsausschluss ist grundsätzlich sittenwidrig i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB und nur in Ausnahmefällen zulässig. Solche sind etwa die Verfolgung eines ideellen Zwecks durch die Gesellschaft, Abfindungsklauseln auf den Todesfall oder auf Zeit abgeschlossene Mitarbeiter- oder Managerbeteiligungen ohne Kapitaleinsatz. In diesen Fällen besteht ein sachlicher Grund für den Ausschluss der Abfindung darin, dass die ausscheidenden Gesellschafter kein Kapital eingesetzt haben oder bei der Verfolgung eines ideellen Ziels von vorneherein auf eine Vermehrung des eigenen Vermögens zugunsten des uneigennützigen Zwecken gewidmeten Gesellschaftsvermögens verzichtet haben.

Auch eine Bestimmung in der Satzung einer GmbH, nach der im Fall einer (groben) Verletzung der Interessen der Gesellschaft oder der Pflichten des Gesellschafters keine Abfindung zu leisten ist, ist als Abfindungsausschluss sittenwidrig und nicht grundsätzlich als Vertragsstrafe zulässig. Eine Vertragsstrafe soll als Druckmittel zur ordnungsgemäßen Leistung anhalten oder einen Schadensersatzanspruch pauschalieren. Als Pauschalierung eines Schadensersatzanspruches ist eine Regelung mit vollständigem Abfindungsausschluss aber zu undifferenziert, zumal wenn jeder Bezug zu einem möglicherweise eingetretenen Schaden fehlt. Eine (grobe) Pflichtverletzung des Gesellschafters führt auch nicht immer zu einem Schaden der Gesellschaft.

Gegen die Einordnung eines Abfindungsausschlusses im Fall einer (groben) Pflichtverletzung als Vertragsstrafe spricht auch, dass in jedem Einzelfall die Verhältnismäßigkeit der "Strafe" überprüft werden müsste, ohne dass dafür praktisch handhabbare Maßstäbe bestehen. Der vollständige Ausschluss ist - wie hier - jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn die Gesellschaft durch das Verhalten des Gesellschafters nicht in Existenznot geraten ist und den verbleibenden Gesellschaftern trotz der Pflichtverletzung ein nicht unerheblicher Wert zuwächst.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.07.2014 15:50
Quelle: BGH online

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