Dr. Stephan Ulrich, Rechtsanwalt, Simmons & Simmons, Düsseldorf

Beruhigung für Berater: Auch weiterhin keine Beweislastumkehr bei der Anwaltshaftung

In der Entscheidung vom 16.7.2015 – IX ZR 197/14 hatte der IX. Zivilsenat des BGH eine vielschichtige Konstellation der Anwaltshaftung zu beurteilen.

Der beklagte Anwalt hatte hier unstreitig eine Pflichtverletzung bei Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags begangen. Als problematisch erwies sich sodann u.a. die erforderliche Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, d.h. die haftungsausfüllende Kausalität, die grundsätzlich der Mandant nach § 287 ZPO zu beweisen hat.
Das Berufungsgericht hatte an dieser Stelle aufgrund einer Übertragung der Rechtsprechung des BGH in Anlagefällen eine Beweislastumkehr zulasten des Anwalts angenommen. Es war der Ansicht, derjenige, der die Pflicht verletzt habe, sei beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte. Der BGH stellte sich jedoch der Übertragung dieser Rechtsprechung eindeutig entgegen. Eine Beweislastumkehr komme nicht in Betracht. Der BGH hält in diesem Urteil ausdrücklich daran fest, dass die Grundsätze des Anscheinsbeweises zu einer angemessenen Risikoverteilung zwischen rechtlichem Berater und Mandanten führen.
Zugunsten des Mandanten kommen also – die „bekannten“ – Beweiserleichterungen in Betracht. Im Rahmen von Verträgen mit rechtlichen oder steuerlichen Beratern gilt danach weiterhin die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, aber nur, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend unterrichteten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre. Voraussetzung sind danach tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten. Die genannte Beweiserleichterung gilt also nicht generell; sie setzt einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist, beruht also auf Umständen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen. Um dies beurteilen zu können, müssen bestehende Handlungsalternativen miteinander verglichen werden, die nach pflichtgemäßer Beratung zur Verfügung gestanden hätten. Die Regeln des Anscheinsbeweises sind unanwendbar, wenn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unterschiedliche Schritte in Betracht kommen und der Berater dem Mandanten lediglich die erforderlichen fachlichen Informationen für eine sachgerechte Entscheidung zu geben hat (Rz. 25 f.).
Kommen danach mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensweisen in Betracht, hat der Mandant grundsätzlich den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden hätte. Lässt der Mandant offen, für welche von mehreren Vorgehensweisen er sich entschieden hätte, ist die notwendige Schadenswahrscheinlichkeit nur gegeben, wenn diese sich für alle in Betracht kommenden Ursachenverläufe ergibt (Rz. 27).

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.09.2015 15:26

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