BFH 2.12.2015, V R 15/14 u.a.

Neuordnung der Konzernbesteuerung bei der Umsatzsteuer

Neben einer juristischen Person kann auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung). Der BFH lehnt es aber ausdrücklich ab, die Organschaft aus Gründen des Unionsrechts auf lediglich eng miteinander verbundene Personen zu erweitern.

Der Sachverhalt:

+++ V R 25/13 +++
Die Klägerin, eine AG, war im Streitjahr 2001 Alleingesellschafterin der O-GmbH und der VuB-GmbH, die ab Februar 2001 als B-GmbH firmierte. Die O-GmbH erbrachte als Servicegesellschaft Catering- und Reinigungsleistungen. Geschäftsführer war der K., der zudem vertretungsbefugter Generalbevollmächtigter der Klägerin war. Geschäftsführer der B-GmbH war der S., der bei der Klägerin angestellt war. Die Klägerin war darüber hinaus Kommanditistin mit einem Kapitalanteil von 100 % bei der Kb-KG und der Gf-KG. Komplementär ohne Geschäftsanteil war jeweils die B-GmbH. Die Kb-KG war im Vorjahr aus einer formwechselnden Umwandlung der Kb-GmbH entstanden. Ebenso war es bei der Gf-KG, die Rechtsnachfolgerin der Gf-GmbH war.

Beide KGs betrieben Altenheime und erbrachten dabei Leistungen, die sie als umsatzsteuerfrei ansahen. Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft O-GmbH erbrachten Leistungen gegen Entgelt an beide KGs. Durch Gesellschafterbeschlüsse aus Februar 2001 brachte die Klägerin ihre Anteile an beiden KGs in die B-GmbH ein, wodurch es zu einer sog. Anwachsung des Gesellschaftsvermögens beider KGs bei der B-GmbH kam. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin und die mit ihr organschaftlich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verbundene O-GmbH umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die beiden KGs erbracht hatten. Aufgrund der im Vorjahr erfolgten formwechselnden Umwandlungen seien die KGs - anders als die jeweilige GmbH vor der Umwandlung - nicht mehr als Organgesellschaften anzusehen. Daher lägen umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Klägerin und ihrer Organgesellschaft, der O-GmbH, an die beiden KGs vor.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

+++ V R 15/14 +++
Die Klägerin ist eine GmbH. Gesellschafter waren in den Streitjahren 2003 bis 2008 jeweils zur Hälfte die D. und ihre Tochter B. Sie hatten eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen. Alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war B. D. war darüber hinaus alleinige Kommanditistin der A-KG und Alleingesellschafterin der V-GmbH, die Komplementärin der A-KG war. D. war zudem bis Oktober 2007 einzige Geschäftsführerin der V-GmbH. Seitdem ist B. weitere einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der V-GmbH. Die A-KG betrieb ein sog. Seniorenzentrum als Wohn- und Pflegeheim. Sie sah die von ihr erbrachten Pflegeleistungen gem. § 4 Nr. 16 UStG als steuerfrei an.

Die Klägerin erbrachte in den Streitjahren entgeltliche Leistungen im Bereich der Speisenversorgung an die A-KG, die die KG in der von ihr betriebenen Altenhilfeeinrichtung verwendete. Die Klägerin hatte dabei "die komplette Verpflegung der Bewohnern mit Speisen und Getränken nach Anweisung und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Auftraggebers" zu übernehmen. Die KG teilte der Klägerin "die Anzahl der täglich zu liefernden Portionen mit". Die Verpflegung war in einem "Tablettsystem" zusammenzustellen und auf Transportwagen zu laden, die vom Hol- und Bringdienst der A-KG auf die Wohnbereiche des Seniorenzentrums gebracht und später wieder abgeholt wurden. Weitere Leistungen erbrachte die Klägerin aufgrund eines gleichfalls im Juni 1998 abgeschlossenen "Wäscherei-Full-Servicevertrags" und eines "Hausreinigungs-Full-Servicevertrags". Darüber hinaus war die Klägerin bei der Bewirtschaftung eines Kiosks, einer Cafeteria und in der Personalkantine für die A-KG gegen Entgelt tätig.

Die Klägerin ging in ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen davon aus, dass sie steuerpflichtige Leistungen erbracht habe, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Das Finanzamt war demgegenüber der Auffassung, dass der Regelsteuersatz anzuwenden sei und erließ entsprechende Umsatzsteuerjahresbescheide.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auch die Revision der Klägerin vor dem BFH blieb erfolglos. Auf die Revision des Finanzamtes im Fall V R 25/13 hob der BFH das vorinstanzliche Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die Organschaft führt zu einer Zusammenfassung von herrschendem Organträger und abhängiger Organgesellschaft. Der Organträger ist allein für den gesamten Organkreis steuerpflichtig. Die Organschaft ist von großer Bedeutung für Unternehmensgruppen ohne Recht auf Vorsteuerabzug, wie etwa im Bank-, Versicherungs-, Krankenhaus- oder Pflegebereich. Aufgrund der Organschaft ist es Unternehmen in diesen Bereichen möglich, untereinander Leistungen zu erbringen, die nicht steuerpflichtig sind und damit nicht zur Entstehung von Vorsteuerbeträgen führen, die wegen des fehlenden Rechts auf Vorsteuerabzug nicht abziehbar wären.

+++ V R 25/13 +++
Zwar musste es sich bislang bei der Tochtergesellschaft um eine juristische Person handeln. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung kann eine Organschaft aber fortan auch mit Tochterpersonengesellschaften zu gelassen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass Gesellschafter der Personengesellschaft nur der Organträger und andere vom Organträger finanziell beherrschte Gesellschaften sein müssen.

Diese Einschränkung der Organschaft auf abhängige juristische Personen ist dem Grunde nach sachlich gerechtfertigt, da nur so einfach und rechtssicher über die Beherrschungsvoraussetzungen der Organschaft entschieden werden kann. Bei der juristischen Person ist dies durch das dort geltende Mehrheitsprinzip und die rechtliche Ausgestaltung von Gesellschaftsgründung und Anteilsübertragung gewährleistet.

Demgegenüber gilt bei Personengesellschaften grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip. Zudem lassen sich Personengesellschaften im Grundsatz ohne Formzwang gründen, wobei Gesellschaftsanteile ebenso formfrei übertragen werden können. Diese Unterschiede rechtfertigen aber nicht den Ausschluss von Tochterpersonengesellschaften, an denen nur der Organträger und andere von ihm finanziell beherrschte Gesellschaften beteiligt sind. Die Beherrschung kann dann nicht in Frage gestellt werden. Damit erweitert sich der Kreis der in die Organschaft einzubeziehenden Tochtergesellschaften.

Im vorliegenden Fall ging es um steuerbare und steuerpflichtige Leistungen der Muttergesellschaft an ihre Tochterpersonengesellschaften, die ihrerseits steuerfrei Altenheime betrieben und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren. Das FG muss nun im weiteren Verfahren prüfen, ob eine Organschaft zwischen Muttergesellschaft und deren Tochterpersonengesellschaften vorliegt. Denn dann sind die Leistungen untereinander nicht steuerbar und es entsteht keine für die Töchter nicht als Vorsteuer abziehbare Umsatzsteuer.

+++ V R 15/14 +++
Die klagende GmbH erbrachte steuerpflichtige Leistungen an ihre Schwestergesellschaft (KG), die ohne Recht auf Vorsteuerabzug ein Wohn- und Pflegheim betrieb. Eine Organschaft schied aus.

Es bleibt daran festzuhalten, dass die Organschaft eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Tochtergesellschaft voraussetzt und dass zudem im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Personengesellschaft bestehen muss. Damit bleibt es beim Erfordernis einer Beherrschung der Tochtergesellschaft durch den Organträger.

Der Senat lehnt es ausdrücklich ab, die Organschaft aus Gründen des Unionsrechts auf lediglich eng miteinander verbundene Personen zu erweitern. Somit bleibt eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften weiterhin ausgeschlossen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext von V R 25/13 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext von V R 15/14 zu gelangen, klicken Sie bitte hier.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.01.2016 11:31
Quelle: BFH PM Nr. 4 vom 27.1.2016

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