19 / 2016

Prof. Dr. Ulrich Prinz, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Köln

Schachteldividenden in gewerbesteuerlichen Organschaftsstrukturen: Gelöstes und Ungelöstes rund um den geplanten § 7a GewStG

Bezieht eine Organgesellschaft inländische oder ausländische Dividenden oberhalb der Beteiligungsgrenze für Streubesitz (ab 10 %), fordert § 15 Nr. 2 KStG wegen der abführungsbedingten Einkommenszurechnung an den Organträger die Anwendung der sog. Bruttomethode: § 8b KStG greift auf Organgesellschafts-Ebene nicht ein; die dem Organträger zugerechneten Dividenden unterfallen – abhängig von seinem Steuerstatus – § 8b KStG oder der Teileinkünftebesteuerung (§ 3 Nr. 40 EStG mit dem Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG). Die Regelung des § 15 Nr. 2 KStG ist der Tatsache geschuldet, dass auch Mitunternehmerschaften mit natürlichen Personen unter bestimmten Voraussetzungen Organträgerfunktion erlangen können (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 u. 3 KStG) und dadurch eigentlich körperschaftsteuerrelevantes Besteuerungssubstrat in die Einkommensteuer „fließt”. In einem solchen Fall ist für die Anwendung des § 8b KStG-Regimes steuersystematisch kein Raum. In Kapitalgesellschaftskonzernen dagegen gilt das 5 %-typisierte Betriebsausgabenabzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG systementsprechend beim Organträger. Die tatsächlich auf Organgesellschafts-Ebene anfallenden Beteiligungsaufwendungen bleiben abziehbar. Entsprechendes gilt für Veräußerungsgewinne gemäß § 8b Abs. 2 KStG.


I. Gebrochene Einheitstheorie bei gewerbesteuerlicher Organschaft

Für gewerbesteuerliche Organschaftszwecke bestehen trotz tatbestandsmäßigen Gleichlaufs mit der Körperschaftsteuer Besonderheiten. Insoweit gilt die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 S. 2 GewStG). Man spricht von „gebrochener Einheitstheorie”, weil zunächst eine selbständige Gewerbeertragsermittlung bei der Organgesellschaft erfolgt und erst anschließend eine Zusammenrechnung mit dem Gewerbeertrag des Organträgers bei gleichzeitiger Beseitigung von Doppelerfassungen bzw. Doppelkürzungen durchgeführt wird. Für die Dividendenbezüge der Organgesellschaft greift das nationale oder internationale gewerbesteuerliche Schachtelprivileg ein, was im Inlandsfall „zu Beginn”, im Auslandsfall „seit Beginn” des Erhebungszeitraums eine Beteiligungsgrenze von mindestens 15 % erfordert; bei Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie gilt eine 10 %-Grenze zu Beginn des Erhebungszeitraums. Die Dividendenfreistellung bei der Gewerbesteuer erfolgt besteuerungstechnisch im Nichtorganschaftsfall über eine Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 5 GewStG mit anschließender Kürzung gemäß § 9 Nr. 2a oder Nr. 7 u. 8 GewStG. In Organschaftsstrukturen wird § 8 Nr. 5 GewStG wegen der körperschaftsteuerlichen Suspendierung des § 8b KStG auf Organgesellschafts-Ebene „funktionslos”. Nach Meinung der Finanzverwaltung gilt das typisierte Betriebsausgabenabzugsverbot auf körperschaftlich strukturierter Organträger-Ebene auch für die gewerbesteuerliche Organschaft. Die tatsächlichen Beteiligungsaufwendungen bleiben abziehbar.


II. Durch Rechtsprechung „entdeckte” Hinzurechnungslücke schafft gesetzlichen Änderungsbedarf

Der verwaltungsseitig nur mit 95 % praktizierten gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegierung in Organschaftsfällen hat der I. Senat des BFH in seiner Entscheidung vom 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052 = GmbHR 2015, 489 mit Komm. Suchanek/Rüsch widersprochen und für den italienischen Dividendenbezug einer inländischen Organgesellschaft (72,3 % Beteiligung) und einer GmbH & Co. KG als Organträger eine „Hinzurechnungslücke” entdeckt/geschaffen. Der gewerbesteuerliche Kürzungsbetrag gemäß § 9 Nr. 2a u. Nr. 7 GewStG auf Ebene der Organgesellschaft ist ausdrücklich nicht um die 5 %ige „Schachtelstrafe” zu kürzen; beim Organträger kann eine eigenständige Hinzurechnung gemäß § 8b Abs. 5 KStG ebenfalls nicht mehr durchgeführt werden. Als Folge dieser äußerst wortlautorientierten Normauslegung durch den BFH werden Schachteldividenden nicht mehr zu 95 %, sondern zu 100 % gewerbesteuerbefreit. In Nichtorganschaftsfällen besteht diese Lücke nicht. Nach anfänglichem Zögern hat die Finanzverwaltung die „ungeliebte” BFH-Entscheidung im Bundessteuerblatt veröffentlicht und damit für die nachgeordneten Behörden zur Anwendung freigegeben. Dies gilt auch für vororganschaftliche Mehrabführungen außerhalb des Einlagekontos. Ein Nichtanwendungserlass wurde nicht verfügt. Allerdings wird nun in aktuellen Betriebsprüfungsfällen die gewerbesteuerliche Behandlung der mit Schachteldividenden unmittelbar zusammenhängenden Beteiligungsaufwendungen auf Organgesellschafts-Ebene diskutiert, zumal dem Gesetzeswortlaut nach seit dem Erhebungszeitraum 2006 nur der „Nettogewinn” schachtelprivilegiert ist (§ 9 Nr. 2a S. 3, Nr. 7 S. 2 GewStG). Die Aufwendungsseite der Schachtelfreistellung könnte sich deshalb in der Praxis als „fiskalischer Bumerang” erweisen. Die BFH-Entscheidung selbst schweigt dazu (vgl. Witt in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 6.92 – 6.98). Die OFD Karlsruhe vertritt in ihrer Verfügung vom 17.2.2016 – G 142.5/50/2 - St 226, DB 2016, 741 eine vergleichsweise großzügige Lösung mittels Anwendung einer zweistufigen Korrekturpostenmethode, die aber von anderen Fiskalvertretern dem Vernehmen nach nicht geteilt wird. Insoweit scheint eine bundeseinheitliche Abstimmung in Arbeit zu sein. Kernfrage für Fallgestaltungen bis einschließlich Erhebungszeitraum 2016 wird sein, wann ein „unmittelbarer Veranlassungszusammenhang” zwischen Beteiligungsaufwendungen und Schachtelerträgen besteht. Nur direkt zurechenbare Einzelkosten kommen in Betracht; allgemeine Finanzierungskosten einer Holding dürften z.B. nicht darunter fallen. Thesaurierungsstrategien bei Enkelgesellschaften oder die Trennung von Finanzierung und Beteiligungsertragsbezug können daher Sinn machen. Sind Beteiligungsaufwendungen abziehbar, ist § 8 Nr. 1 GewStG gesondert zu prüfen. Zur Vermeidung von Nachteilen aus der BFH-Entscheidung im Zusammenhang mit Beteiligungsaufwendungen prüft der Gesetzgeber derzeit ein rückwirkend geltendes Antragswahlrecht für § 7a GewStG-E (vgl. BR-Drucks. 406/1/16 v. 9.9.2016, S. 39 f.).


III. Geplanter § 7a GewStG für organschaftsbezogene Gewerbeertragsermittlung

Mit Geltung ab 1.1.2017 sieht der Entwurf des „Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen” (Stand: 5.9.2016) eine neue „Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags einer Organgesellschaft” vor (§ 7a GewStG-E). Ziel des Gesetzgebers in diesem sog. Ersten BEPS-UmsG ist es, das 5 %ige typisierte Betriebsausgabenabzugsverbot auch für gewerbesteuerliche Organschaftszwecke entgegen der BFH-Rechtsprechung bei Organträger-Kapitalgesellschaften oder Organträger-Personengesellschaften mit Kapitalgesellschaften als Mitunternehmern zur Anwendung zu bringen. Damit soll die bisherige Verwaltungsauffassung gesetzlich kodifiziert werden. Inhaltlich liegt deshalb ein Nichtanwendungsgesetz vor, bei dem erstmals Details zur Gewerbeertragsermittlung in Organschaftsfällen festgelegt werden. Die Besserstellung des Dividendenbezugs über eine Organgesellschaft im Vergleich zu Nichtorganschaftsstrukturen soll beseitigt werden. Das gesetzgeberische Anliegen erscheint nachvollziehbar und verständlich. Veräußerungsvorgänge nach § 8b Abs. 2 KStG sind wegen fehlenden Eingreifens des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nicht betroffen.

Allerdings ist der neue § 7a GewStG-E mit seinen drei Absätzen hochtechnisch formuliert. Er verwendet eine irreführende Verweistechnik und erscheint deshalb erst „nach längerem Grübeln” halbwegs verständlich. Mit Studium des Beispielsfalls in der Begründung des Gesetzesentwurfs wird die Wirkungsweise der Norm beim Organträger erkennbar, obwohl dieser nach Maßgabe der gesetzlichen Überschrift zu § 7a GewStG-E gerade nicht gemeint ist. In Abs. 1 des neuen § 7a GewStG wird die Anwendung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs bei der Organgesellschaft suspendiert. Damit wird die Bruttomethode im Gleichklang von Körperschaftsteuer/Gewerbesteuer angewandt. Die Finanzierungskostenhinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 GewStG wird gleichermaßen außer Kraft gesetzt. Kernstück der Neuregelung des § 7a GewStG ist dann sein anschließender Abs. 2. Dort wird für gewerbesteuerliche Schachtelprivilegierungsfälle eine entsprechende Anwendung des § 15 Nr. 2 S. 2 – 4 KStG angeordnet, die materiellrechtlich auf den Organträger abstellt, der in § 7a GewStG-E aber gerade nicht angesprochen ist. Damit soll die vom BFH entdeckte Hinzurechnungslücke der 5 %igen Schachtelstrafe geschlossen werden. Die Wirkungen des Abs. 2 im Zusammenspiel mit Abs. 1 sind aber deutlich weiterreichend und hängen insbes. vom Steuerstatus des Organträgers ab sowie der Höhe unmittelbarer Beteiligungsaufwendungen auf Ebene der Organgesellschaft, die faktisch unter- oder oberhalb der 5 %-Typisierungsgrenze liegen können. Für die ertragsteuerlich abziehbaren Beteiligungsaufwendungen ist § 8 Nr. 1 GewStG separat anzuwenden. Der Gewerbeertrag der Organgesellschaft wird damit im Ergebnis „netto” in die Gewerbeertragsermittlung beim Organträger einbezogen. Letztlich wird deshalb nach Maßgabe des § 7a GewStG die Bruttomethode trotz Verklammerung mit § 15 Nr. 2 KStG nicht einheitlich bei Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer angewandt. Es droht ein methodisches Verwirrspiel. Schließlich verweist § 7a Abs. 3 GewStG-E auf die „doppelt entsprechende Anwendung” der DBA-Schachtelprivilegien bei der Gewerbeertragsermittlung der Organgesellschaft. Der Gesetzgeber wird sich mit § 7a GewStG-E aber im Verlaufe des Verfahrens noch intensiver befassen. Die Beschlussempfehlung des Bundesrates v. 9.9.2016 enthält die Prüfbitte, § 7a GewStG-E einfacher und praxisgerechter zu fassen (BR-Drucks. 406/1/16, S. 35 f.).


IV. Praktische Schlussfolgerungen

Die durch die jedenfalls vordergründig günstig wirkende BFH-Entscheidung vom 17.12.2014 ausgelöste Rechtsunsicherheit für Altfälle, laufende Gestaltungen sowie die neu ab 1.1.2017 geplante Gesetzeslage ist äußerst unschön. Das vom Steuergesetzgeber mit § 7a GewStG verfolgte Ziel ist gerechtfertigt; die geplante Rechtsnorm sollte allerdings klarer und einfacher gefasst werden. Der Rechtsverweis auf § 15 Nr. 2 KStG führt in die Irre. Bezogen auf die Jahre bis 2016 ist vor allem der Aufwandsseite der schachtelprivilegierten Dividendenbezüge besonderes Augenmerk zu widmen. Die Finanzverwaltung sollte nicht hinter ihre bisherige Beurteilungslinie zurückfallen. Denn eine Veröffentlichung der günstigen BFH-Entscheidung im Bundessteuerblatt bei gleichzeitig deutlicher Rechtsverschärfung im Aufwendungsbereich mutet unfair an. Betroffene Unternehmen dürften gut beraten sein, schnellstmöglich ihren Beteiligungsaufwand zu durchleuchten und ggf. Umstrukturierungen vorzunehmen. Die Aufwendungsseite von Beteiligungserträgen ist schon vor Jahren als Schwachpunkt des § 8b KStG / § 3 Nr. 40 EStG-Regelungskonzepts entdeckt worden. Dies gilt auch in Organschaftsstrukturen.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 23.02.2017 08:52