19 / 2017

Prof. Dr. Ulrich Seibert / Dr. Christian Bochmann, LL.M. / Dr. Johannes Cziupka

Musterprotokoll als Transparenzhindernis?

Begleitend zur Schaffung des Transparenzregisters, das die „wirtschaftlich Berechtigten” von Gesellschaften identifizierbar machen soll, hat der Gesetzgeber jüngst die Vorgaben zum Inhalt der GmbH-Gesellschafterliste verfeinert. § 40 GmbHG n.F. schreibt nunmehr u.a. die Angabe von Prozentwerten für jeden Geschäftsanteil und für die Summe mehrerer von einem Gesellschafter gehaltener Geschäftsanteile vor (zum praktischen Umgang hiermit Seibert/Bochmann/ Cziupka, GmbHR 2017, R241 f.).

In der Praxis zeigt sich Unsicherheit darüber, ob die Verwendung des Musterprotokolls für die vereinfachte Gründung einer GmbH oder einer UG (haftungsbeschränkt) gemäß § 2 Abs. 1a GmbHG den neuen Transparenzanforderungen gerecht wird. Denn das Musterprotokoll selbst hat der Gesetzgeber im Zuge der Änderungen des § 40 GmbHG nicht angetastet. Es verlangt deshalb nach wie vor keine Prozentangaben. Daraus wird teilweise abgeleitet, das Musterprotokoll genüge nicht den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gesellschafterliste, und selbst wenn dies anders zu beurteilen sei, eigne das Musterprotokoll sich geldwäscherechtlich nicht, den wirtschaftlich Berechtigten transparent zu machen (vgl. etwa Melchior, NotBZ 2017, 281 [284]). Als Konsequenz sei entweder dem Registergericht eine Gesellschafterliste, die den Anforderungen des § 40 Abs. 1 GmbHG n.F. entspreche, gemeinsam mit dem Musterprotokoll zu übermitteln oder dem Transparenzregister eine gesonderte Mitteilung über den wirtschaftlich Berechtigten zu machen (Melchior, NotBZ 2017, 281 [284]; vgl. auch Prüfungsabteilung der Ländernotarkasse A.d.ö.R., NotBZ 2017, 302 [303]).

Dem ist allerdings mit Blick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut zu widersprechen: Das Musterprotokoll fügt sich nahtlos in die neue Transparenzsystematik ein. Weder ist gesellschaftsrechtlich eine gesonderte Gesellschafterliste (dazu unter I.) noch geldwäscherechtlich eine gesonderte Mitteilung (dazu unter II.) vonnöten.


I. Kein Erfordernis einer gesonderten Gesellschafterliste

Der Gesetzgeber hat das Musterprotokoll nicht ohne Bedacht unverändert gelassen; sein Schweigen ist „beredt”. Das Musterprotokoll darf nur bei höchstens drei Gesellschaftern verwendet werden und wird in der Praxis allein für Einpersonen-Gründungen empfohlen, weil Mehrpersonengesellschaften regelmäßig weitergehende ordnende Satzungsregelungen erforderlich machen (dazu Bochmann/Cziupka in Centrale für GmbH [Hrsg.], GmbH-Handbuch, 160. Erg.-Lfg., Rz. I 1522). Bei derart einfach gelagerten Beteiligungsverhältnissen sind die „gewichtigen” Beteiligungen unschwer zu erkennen. Nach der Fiktion des § 2 Abs. 1a S. 4 GmbHG „gilt” das Musterprotokoll als Gesellschafterliste. Diese Fiktion greift ohne Rücksicht darauf, ob das Musterprotokoll eine Gesellschafterliste im Sinne von § 40 Abs. 1 GmbHG n.F. darstellt – was ja offenkundig gerade nicht der Fall ist. Das Musterprotokoll ersetzt – wie bislang – aufgrund dieser Fiktion die gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG n.F. für die Handelsregisteranmeldung geforderte Gesellschafterliste. Im Übrigen kommt die Pflicht zur Angabe der prozentualen Gesamtbeteiligung eines Gesellschafters gemäß § 40 Abs. 1 S. 3 GmbHG bei Verwendung des Musterprotokolls von vornherein nicht zum Tragen, da hierbei kein Gesellschafter mehr als einen Geschäftsanteil übernehmen kann.

Weder muss daher das Musterprotokoll durch Aufnahme von Prozentangaben modifiziert werden, noch ist der Handelsregisteranmeldung eine gesonderte Gesellschafterliste beizufügen (vgl. auch Wicke in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 2 Rz. 133 f. [im Erscheinen]). Derartige Abweichungen vom Musterprotokoll würden im Übrigen wohl das Kostenprivileg nach § 105 Abs. 6 GNotKG entfallen lassen (so Melchior, NotBZ 2017, 281 [285]; Prüfungsabteilung der Ländernotarkasse A.d.ö.R., NotBZ 2017, 302 [303]). In jedem Falle würde eine gesonderte Gesellschafterliste die 0,3 Vollzugsgebühr gemäß Nr. 22111 KV GNotKG unter Berücksichtigung der Vorschrift in Nr. 22113 KV GNotKG auslösen, sofern die Einreichung der Gesellschafterliste als Vollzugstätigkeit zur Anmeldung betrachtet wird (so Prüfungsabteilung der Ländernotarkasse A.d.ö.R., NotBZ 2017, 302 [303]), sonst eine 0,5 Vollzugsgebühr gemäß Nr. 22110 (hierfür Böhringer, BWNotZ 2017, 61 [64]).

Auch besteht keine Notwendigkeit, § 2 Abs. 1a GmbHG unionskonform dahin auszulegen, dass in das Musterprotokoll Prozentangaben aufzunehmen sind (in diesem Sinne aber Melchior, NotBZ 2017, 281 [285]). Denn die Vierte EU-Geldwäscherichtlinie (Richtlinie [EU] 2015/849) verlangt in Art. 30 Abs. 3, Abs. 4 lediglich, dass die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass angemessene, präzise und aktuelle Angaben zu wirtschaftlich Berechtigten in einem zentralen Register erfasst werden. Details der Darstellungsweise und insbesondere das Erfordernis von Prozentangaben sind europarechtlich gerade nicht vorgegeben.


II. Keine gesonderte Mitteilung an das Transparenzregister

Ein ordnungsgemäß errichtetes Musterprotokoll (ohne Prozentangaben) ersetzt nicht nur die Gesellschafterliste, sondern nach dem eindeutigen Wortlaut von § 20 Abs. 2 S. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 4 GwG auch eine Mitteilung an das Transparenzregister. Sinn und Zweck der Mitteilungsfiktion gemäß § 20 Abs. 2 GwG ist es, Doppelmeldungen zu vermeiden, da die in § 22 Abs. 1 GwG aufgeführten Informationen über das Transparenzregister im Wege der Verlinkung zum Handelsregister zugänglich sind (Begr. RegE, BT-Drucks. 18/11555, S. 128; Seibert, GmbHR 2017, R97 f.). Mit dieser „schlanken Lösung” sollen GmbHs – und damit v.a. der Mittelstand – soweit europarechtlich irgend möglich vor unnötiger Bürokratie geschützt werden (vgl. Seibert, GmbHR 2017, R97 f.). Im Grundsatz greift die Mitteilungsfiktion zwar dann nicht, wenn sich wirtschaftliche Berechtigungen lediglich aus dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags – und nicht bereits aus dem Handelsregisterausdruck oder der Gesellschafterliste – erschließen (Bochmann, DB 2017, 1310 [1316 f.]). In Abweichung von diesem Grundsatz sieht § 20 Abs. 2 S. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 4 GwG jedoch ausdrücklich vor, dass Gesellschaftsverträge dann mitteilungsersetzende Wirkung haben, wenn es sich um solche im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1a S. 2 GmbHG handelt, welche gemäß § 2 Abs. 1a S. 4 GmbHG als Gesellschafterliste gelten.

§ 20 Abs. 2 GwG, der die Mitteilung an das Transparenzregister entfallen lässt, wenn sich der wirtschaftlich Berechtigte aus dem Handelsregister ergibt, setzt ferner keine Prozentangabe voraus. Deshalb kann z.B. die Eintragung von Kommanditisten im Handelsregister gemäß § 20 Abs. 2 S. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 5 GwG die Mitteilungsfiktion tragen – obgleich es auch insofern an Prozentangaben fehlt. Auch die Vierte EU-Geldwäscherichtlinie verlangt, wie bereits ausgeführt, nicht, dass der wirtschaftlich Berechtigte, dessen Berechtigung auf einer Anteilsinhaberschaft von mehr als 25 % des Stammkapitals basiert, ausdrücklich als solcher inklusive einer Prozentangabe im Transparenzregister genannt wird. Es genügt, dass der interessierte – und zur Einsicht berechtigte – Nutzer des Transparenzregisters aus den in § 20 Abs. 2 S. 1, § 22 Abs. 1 GwG referenzierten Dokumenten ersehen kann, ob ein Gesellschafter schon aufgrund seiner Beteiligungshöhe wirtschaftlich Berechtigter ist; im Übrigen ist diesem Erfordernis bereits dann genügt, wenn sich der wirtschaftlich Berechtigte mittelbar, d.h. durch die Verfolgung einer transparenten Beteiligungskette, ergibt.

Die flankierende Vorgabe des Gesetzgebers, dass Gesellschafterlisten prozentuale Beteiligungshöhen auszuweisen haben, ist insoweit allein ein besonderer „Service”, der die Auswertbarkeit jener erleichtern soll. Da der Nutzer diesen „Service” bei maximal dreigliedrigen Gesellschaften, die unter Verwendung des Musterprotokolls gegründet werden, aber typischerweise nicht benötigt, da er die Beteiligungsquoten auch ohne Prozentangaben unschwer ersehen kann, hat der Gesetzgeber auf die Prozentangabe im Musterprotokoll verzichtet und dem Anliegen der Übersichtlichkeit und Einfachheit der Musterprotokollgründung den Vorrang vor der Aufwertung der Gesellschafterliste eingeräumt. Allerdings wäre es im Sinne der Gesetzesnovelle wünschenswert, wenn in den Datenbäumen der Handelsregister künftig deutlich werden würde, dass das Musterprotokoll zugleich als Gesellschafterliste gilt, etwa
durch die Überschrift „Musterprotokoll/Gesellschafterliste”.

III. Liste der Übernehmer und Gründungssatzung

Nebenbei sei darauf hingewiesen, dass weiterhin keine Prozentangaben in der Liste der Übernehmer nach einer Kapitalerhöhung gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 2 GmbHG gefordert sind. Der Gesetzgeber hat auch hier keine Veränderungen vorgesehen, und zwar wiederum aus gutem Grund: Denn nur die Gesellschafterliste ist ein Instrument, um Beteiligungsverhältnisse transparent zu machen; nur hierauf – und nicht auf die Liste der Übernehmer – wird auch im Rahmen der Mitteilungsfiktion gemäß § 20 Abs. 2 S. 1, § 22 Abs. 1 GwG verwiesen.

Selbiges gilt für die Mindestangaben in der Satzung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG: Hier sind ebenfalls im Rahmen der Angaben zu Gründungsgesellschaftern und den von ihnen übernommenen Geschäftsanteilen keine Prozentangaben zu machen (Cziupka in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 3 Rz. 51 [im Erscheinen]; Melchior, NotBZ 2017, 281 [282]). Prozentangaben fakultativ aufzunehmen, etwa gar durch Hineinkopieren der Gesellschafterliste (dagegen auch Melchior, NotBZ 2017, 281 [282]), wäre auch nicht zweckmäßig, da bei entsprechenden Veränderungen zwar die Gesellschafterliste, nicht aber die Satzung aktualisiert werden muss.

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Prof. Dr. Ulrich Seibert ist Leiter des Referats für Gesellschaftsrecht im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und Honorarprofessor an der Universität Düsseldorf; Dr. Christian Bochmann, LL.M. (Cambridge), ist Rechtsanwalt am Hamburger Standort der Sozietät Flick Gocke Schaumburg und geschäftsführender Direktor des Notarrechtlichen Zentrums Familienunternehmen der Bucerius Law School; Dr. Johannes Cziupka ist Notarassessor in Hamburg.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 27.09.2017 15:49