Kurzbesprechung

Rechtsprechungsänderung zu eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen

Wird ein Gesellschafter im Insolvenzverfahren als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch genommen, führt dies nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.

BFH v. 11.7.2017 - IX R 36/15

EStG § 5 Abs. 2a, § 17 Abs. 1, § 17 Abs. 2, § 17 Abs. 4, § 20 Abs. 2
HGB § 255, § 272 Abs. 2 Nr. 4
BGB § 775 Abs. 1 Nr. 1
MoMiG Art. 1, Art. 9
InsO § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135

Im Streitfall ging es um einen Alleingesellschafter einer GmbH, der Bürgschaften für Bankverbindlichkeiten der GmbH übernommen hatte. In der Insolvenz der GmbH wurde er von der Gläubigerbank aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Da er mit seinem Regressanspruch gegen die insolvente GmbH ausgefallen war, machte er die in diesem Zusammenhang geleisteten Zahlungen steuerlich im Rahmen des § 17 EStG geltend und verwies hierzu auf die bisherige BFH - Rechtsprechung.

Der BFH hatte bislang in derartigen Fällen nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung angenommen, wenn das Darlehen oder die Bürgschaft eigenkapitalersetzend waren. Nachträgliche Anschaffungskosten minderten den Veräußerungs- oder Auflösungsgewinn oder erhöhten einen entsprechenden Verlust. Bei der Frage, ob die Finanzierungshilfe des Gesellschafters eigenkapitalersetzend war, orientierte sich der BFH an den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zum sog. Eigenkapitalersatzrecht.

Das Eigenkapitalersatzrecht wurde jedoch mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 aufgehoben und durch eine insolvenzrechtliche Regelung ersetzt. Darlehen, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft gegeben hat, sind danach im Insolvenzverfahren der Gesellschaft nachrangig zu erfüllen. Eine Kapitalbindung tritt nicht mehr ein. Bei dieser veränderten rechtlichen Ausgangslage war bislang höchstrichterlich ungeklärt, welche Auswirkungen dies steuerrechtlich auf die Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten hat.

Der BFH hat nun entschieden, dass mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts die gesetzliche Grundlage für die bisherige Annahme von nachträglichen Anschaffungskosten entfallen ist. Nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung sind deshalb - wie auch ansonsten im Einkommensteuerrecht - nur noch nach Maßgabe der handelsrechtlichen Begriffsdefinition in § 255 HGB anzuerkennen.

Obwohl der Steuerpflichtige vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechungsänderung eigentlich nicht mehr berechtigt war, seinen Forderungsausfall als nachträgliche Anschaffungskosten geltend zu machen, beurteilte der BFH den Streitfall unter Vertrauensschutzgründen noch nach den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen, mit der Folge, dass die Bürgschaften bereits im Zeitpunkt ihrer Hingabe eigenkapitalersetzend waren. Darüber hinaus entschied er generell, dass Vertrauensschutz in die bisherige Rechtsprechung generell für alle Fälle besteht, in denen der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung des Urteils am 27. 9. 2017 geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist. Diese Fälle sind daher, wenn es für die Steuerpflichtigen günstiger ist, weiterhin nach den bisher geltenden Grundsätzen zu beurteilen.

Die Entscheidung des BFH hat weitgehende Auswirkung auf die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Gesellschafterdarlehen und die Absicherung von Darlehen durch Bürgschaften des Gesellschafters. Mit weiteren höchstrichterlichen Entscheidungen zu dieser Problematik ist aufgrund diverser anhängiger Revisionsverfahren zu rechnen.

BFH, Urteil vom 11.7.2017, IX R 36/15, veröffentlicht am 27.9.2017.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.09.2017 09:27
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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