Aktuell in der GmbHR

Insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit von Eigenkapitalausschüttungen? (Priester, GmbHR 2017, 1245)

In einem neueren Urteil v. 8.2.2017 - 9 U 84/16 (GmbHR 2017, 527) hat das OLG Schleswig entschieden, die Ausschüttung von Eigenkapital unterliege nicht der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Dieser Beitrag stimmt der sorgfältig begründeten Entscheidung in Auseinandersetzung mit abweichenden Stellungnahmen in Judikatur und Literatur ausdrücklich zu.

  1. Ausgangspunkt
    1. Problem
    2. OLG Schleswig
  2. Historie und Zielsetzung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO
    1. Das frühere Eigenkapitalersatzrecht
    2. Die insolvenzrechtliche Neuregelung
  3. Eigenkapital versus Fremdkapital
    1. Abgrenzung
    2. Bilanzielle Behandlung
    3. Sonderfall GmbH & Co. KG?
  4. Gesellschaftsrechtlicher Präventivschutz
    1. Instrumente
    2. Bevorzugung des gesellschaftsrechtlichen Schutzes?
  5. Wider die These der einheitlichen Anwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO
    1. Zur Kritik an der Bilanzorientierung des gesellschaftsrechtlichen Schutzes
    2. Wirtschaftliche Entsprechung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO)?
    3. Analoge Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO?
    4. Unzutreffende Behandlung von Eigenkapital als Fremdkapital
  6. Fazit
    1. Separate Schutzkonzepte
    2. These

I. Ausgangspunkt
1. Problem

Gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr seines Darlehens an die Gesellschaft Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. Das Gesetz spricht dabei von einem Darlehen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.

Umstritten ist, ob diese Vorschrift auch dann zur Anwendung kommt, wenn Gesellschaftern durch Ausschüttung von Gewinnvorträgen bzw. aufgelösten Rücklagen liquide Mittel zur Verfügung gestellt werden. Zur Begründung einer solchen Ansicht heißt es, der Anspruch auf Bilanzgewinn bilde eine dem Gesellschafterdarlehen gleichgestellte Forderung, wenn er auf der Auflösung einer Gewinnrücklage oder eines Gewinnvortrags beruhe.

Diese Auffassung wird sowohl im Schrifttum  vertreten als auch in der Rechtsprechung. Insoweit ist ein Urteil des OLG Koblenz  zu nennen, wonach nicht ausgeschüttete Gewinne der Gesellschaft einem Darlehen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gleichgestellt sind. Die Ausschüttung des Gewinnvortrags unterfalle deshalb der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Vermerkt sei allerdings, dass im Fall des OLG Koblenz über die Ausschüttung durch einen alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer zu befinden war.

2. OLG Schleswig
Den gegenteiligen Standpunkt hat das OLG Schleswig in einem noch leidlich ofenfrischen Urteil eingenommen.  Darin kommt das Gericht zu dem Ergebnis, eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO scheide aus, wenn ein Kommanditist Gelder aus dem Vermögen der Gesellschaft entnimmt, wobei die Entnahmen durch Guthaben auf einem Kapitalkonto gedeckt sind, das eine Beteiligung am Eigenkapital der Gesellschaft ausweist und keine Forderung des Gesellschafters darstellt.

Folgender Sachverhalt lag zugrunde: Die Insolvenzverwalterin über das Vermögen einer GmbH & Co. KG verlangte von einer Kommanditistin Rückzahlung von Entnahmen. Nach dem Gesellschaftsvertrag wurden die Einlagen auf einem Kapitalkonto gebucht, das die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen auswies. Daneben wurde für jeden Kommanditisten ein zweites Kapitalkonto geführt, auf dem Gewinn- und Verlustanteile sowie ...


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.12.2017 09:59
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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