BFH 29.11.2017, X R 8/16

Bewertung der Einlage wertgeminderter Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG und damit in Zusammenhang stehender Forderungen aus Gesellschafterdarlehen

Die Einlage einer Beteiligung, deren Wert unter die Anschaffungskosten gesunken ist, ist auch nach der ab 1996 geltenden Rechtslage mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Dabei sind die Grundsätze zur Bewertung der Einlage wertgeminderter Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG in ein Betriebsvermögen entsprechend auf die Bewertung der Einlage solcher wertgeminderter Forderungen aus Gesellschafterdarlehen anzuwenden, deren Ausfall sich im Fall der weiteren Zugehörigkeit der Forderung und der korrespondierenden Beteiligung zum Privatvermögen bei der Verwirklichung eines Realisationstatbestands nach § 17 EStG einkommensteuerrechtlich ausgewirkt hätte.

Der Sachverhalt:
Am 20.12.1996 hatte der Kläger als Alleingesellschafter eine Verwaltungs-GmbH (V-GmbH) gegründet. Er stattete sie mit einem Stammkapital von 1 Mio DM aus und verkaufte seine Beteiligung an der O GmbH für über 6 Mio. DM an die V GmbH. Aus diesem Vorgang ergab sich angesichts des hohen eingezahlten Stammkapitals der O GmbH ein Verlust nach § 17 EStG von rund 20,5 Mio. DM, den das Finanzamt der Besteuerung zugrunde legte. Zur Finanzierung des Kaufpreises gewährte der Kläger der V GmbH ein Darlehen über zunächst 4 Mio. DM. Der Zinssatz betrug 3 %. Tilgungen wurden nicht fest vereinbart, waren aber jederzeit möglich. Sicherheiten wurden nicht bestellt.

In der Folgezeit wurde der Darlehensbetrag aufgrund gesonderter schriftlicher Verträge mehrfach aufgestockt; hierfür galten dieselben Zins- und Tilgungsvereinbarungen wie im ursprünglichen Darlehensvertrag. Die Darlehenszinsen wurden jeweils dem Kapitalbetrag zugeschlagen.

Im Januar 2001 veräußerte der Kläger 25 % der Anteile an der V GmbH für 1 DM an den in Aussicht genommenen Unternehmensnachfolger (N), bei dem es sich um einen fremden Dritten handelte. Die O-GmbH war ursprünglich Erbbauberechtigte hinsichtlich des Grundstücks, auf dem sich ihr Betriebssitz befand. Eigentümer des belasteten Grundstücks war ein Dritter. Im  Juli 2001 erwarb der Kläger das belastete Grundstück zum 1.8. 2001. Der Erbbaurechtsvertrag wurde aufgehoben. Anschließend vermietete er das Grundstück  an die O GmbH und begründete dadurch eine Betriebsaufspaltung.

Im Dezember 2001 veräußerte der Kläger weitere 74 % der Anteile an der V GmbH für 1 DM an N, so dass er selbst noch mit 1 % an der V GmbH beteiligt blieb. Außerdem verzichtete er mit sofortiger Wirkung auf die der V GmbH gewährten Darlehen einschließlich der noch nicht abgerechneten Zinsen für das Jahr 2001. Darüber hinaus behielt er sich das Recht vor, die sofortige Liquidation der O GmbH verlangen zu können, sofern sie in einem der Geschäftsjahre 2002 bis 2006 einen akkumulierten Verlust von mehr als 1 Mio € erwirtschaften sollte. Ferner wurde verabredet, dass die V GmbH im Jahr 2002 auf die O GmbH verschmolzen werden und der Steuerpflichtige danach mit 1 % an der O GmbH beteiligt sein sollte. Diese Verschmelzung wurde im Jahr 2002 mit Rückwirkung auf den 1.1. 2002 tatsächlich durchgeführt.

Im Oktober 2003 übertrug N seine 99 % Beteiligung an der O GmbH für 1 € an den Kläger. Zusätzlich wurde vereinbart, dass dem Steuerpflichtigen auch etwaige Gewinne aus den Geschäftsjahren 2001 bis 2003 zustehen sollten. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 erklärte der Kläger aus den Veräußerungen der Anteile an der V GmbH sowie aus dem Darlehensverzicht Einkünfte nach § 17 EStG i.H.v. insgesamt ./. 6.844.906,65 DM. Darin enthalten ist der Darlehensverlust mit knapp 6 Mio. DM. Das Finanzamt war der Ansicht, die Darlehensforderungen seien nicht Betriebsvermögen geworden, da ihre Hingabe privat veranlasst gewesen sei. Zudem sei die Gestaltung  missbräuchlich im Sinne on § 42 AO, da der Steuerpflichtige für die Übertragung der vormals von ihm unmittelbar gehaltenen Anteile an der O GmbH auf die V GmbH niemals eine Zahlung erhalten habe. Es sei klar gewesen, dass die V GmbH weder das Darlehenskapital noch die auflaufenden Zinsforderungen jemals hätte an den Steuerpflichtigen zahlen können. Dieser habe hierdurch die Möglichkeit erhalten, im Fall eines Sinkens des Werts der O GmbH einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG zu realisieren.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage im ersten Rechtsgang statt. Das FG sah die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung als erfüllt an und hielt daher § 17 EStG nicht für anwendbar. Diese Entscheidung hob der erkennende Senat auf die sowohl vom Kläger als auch vom Finanzamt erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden auf. Im zweiten Rechtsgang gab das FG der Klage teilweise statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Gründe:
Hinsichtlich der Einlage der wertgeminderten Beteiligung an der V GmbH in das Betriebsvermögen des Besitz-Einzelunternehmens ist eine teleologische Extension des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 2b EStG vorzunehmen und die Einlage mit den höheren Anschaffungskosten der Beteiligung zu bewerten.

Die Einlage einer von § 17 EStG erfassten Beteiligung, deren Teilwert unterhalb der Anschaffungskosten liegt, ist mit den höheren Anschaffungskosten zu bewerten, weil die gesetzliche Regelung insoweit eine planwidrige und deshalb ausfüllungsbedürftige Lücke enthält. Grundlage hierfür ist der Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 2b EStG. Dieser liegt darin, auch nach einer Einlage die ertragsteuerrechtliche Verstrickung von Wertsteigerungen zu erhalten, die in der Zeit der Zugehörigkeit der Beteiligung zu dem nach § 17 EStG steuerverstrickten Privatvermögen entstanden sind. Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, auch im Fall der Einlage einer wertgeminderten Beteiligung eine Bewertung mit den Anschaffungskosten vorzunehmen, um die im steuerverstrickten Privatvermögen eingetretenen, aber noch nicht realisierten Wertminderungen für den Fall ihrer Realisierung im Betriebsvermögen zu erhalten.

Die bislang noch offene Frage, ob die - mit Wirkung ab 1996 vorgenommenen - gesetzlichen Einschränkungen der Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten in den Fällen des § 17 EStG der bislang ergangenen Rechtsprechung den Boden entzogen haben, hat der BFH nunmehr dahingehend entschieden, dass die bei der Einlagebewertung bestehende Regelungslücke auch für die Zeit ab 1996 weiterhin in der beschriebenen Weise zu füllen ist, sofern § 17 Abs. 2 S. 4 EStG im konkreten Fall der Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts bei § 17 EStG nicht entgegenstehen würde. Ansonsten bliebe in diesen Fällen der Wertungswiderspruch zwischen der Möglichkeit, einerseits eine eingetretene Wertminderung im Fall der Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Privatvermögen geltend machen zu können, andererseits diese Möglichkeit durch eine Einlage aber zu verlieren, bestehen (s. die Verwaltungsauffassung in H 17 Abs. 8 "Einlage einer wertgeminderten Beteiligung" EStH ab 2012).

Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Bewertung der Einlage wertgeminderter Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG in ein Betriebsvermögen sind entsprechend auf die Bewertung der Einlage solcher wertgeminderter Gesellschafterdarlehensforderungen anzuwenden, deren Ausfall sich im Fall der weiteren Zugehörigkeit der Forderung und der korrespondierenden Beteiligung zum Privatvermögen bei der Verwirklichung eines Realisationstatbestands nach § 17 EStG einkommensteuerrechtlich ausgewirkt hätte. In einem solchen Fall ist als Einlagewert daher nicht der Teilwert anzusetzen, sondern derjenige Wert, mit dem die Forderung in den Fällen des § 17 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen wäre.

Zwar beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 2b EStG nach seinem klaren Wortlaut auf Beteiligungen. Für Forderungen gilt demgegenüber sowohl bei Wertsteigerungen (die in der Praxis jedoch allenfalls bei Fremdwährungsansprüchen vorkommen dürften) als auch bei Wertminderungen die Grundregel des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 1 EStG, wonach Einlagen mit dem Teilwert zu bewerten sind. Auch unterscheidet der BFH grundsätzlich selbst dann zwischen den Wirtschaftsgütern "Beteiligung" einerseits und "Forderung aus Gesellschafterdarlehen" andererseits, wenn eine solche Forderung eigenkapitalersetzend ist.

Teleologische Erwägungen gebieten allerdings auch in diesem Fall - ebenso wie bei der Einlage einer wertgeminderten Beteiligung - eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Hs. 2b EStG über seinen Wortlaut hinaus. Das EStG enthält insoweit eine Regelungslücke, die als planwidrig anzusehen ist. Denn der Ausfall einer zum Privatvermögen gehörenden, aber gemäß den Rechtsprechungsgrundsätzen nach § 17 EStG steuerverstrickten Darlehensforderung hätte sich bei Verwirklichung eines der in § 17 EStG genannten Realisationstatbestände steuermindernd ausgewirkt.

Im Ergebnis dieselbe Rechtsfolge wäre eingetreten, wenn eine solche Forderung von Anfang an zum Betriebsvermögen gehört hätte und später ausfiele. Dann ist es aber als planwidrig zu beurteilen, wenn eine einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung allein deshalb nicht möglich sein soll, weil aufgrund eines Rechtsvorgangs (im Streitfall die Begründung einer Betriebsaufspaltung) eine Einlage in ein Betriebsvermögen fingiert wird, die nach dem Gesetzeswortlaut mit dem (niedrigen) Teilwert zu bewerten ist, so dass die bereits eingetretene Wertminderung dem Privatvermögen zugeordnet wird, allerdings unter Wegfall der zuvor bestehenden Möglichkeit, sie nach § 17 EStG geltend machen zu können.

Die - anhand der erkennbaren Gesetzessystematik objektivierte - Interessenlage des Einlegenden ist daher in den hier zu beurteilenden Fällen, in denen die Forderung zunächst zum steuerverstrickten Privatvermögen gehört hat und nach Eintritt einer Wertminderung gemeinsam mit der Beteiligung in ein Betriebsvermögen eingelegt wird, dieselbe wie bei einem Steuerpflichtigen, bei dem die Forderung durchgängig entweder zum Betriebsvermögen oder aber durchgängig zu dem nach § 17 EStG steuerverstrickten Privatvermögen gehört. Dabei verkennt der BFH nicht, dass die Einlage einer Forderung zu nachträglichen Anschaffungskosten für die Folgezeit zusätzliche Überwachung verlangt, er hält diesen Aufwand aber ebenfalls für vertretbar. Hierfür ist entscheidend, dass es vorliegend ausschließlich um Sachverhalte geht, in denen eine wertgeminderte Forderung zugleich mit einer nach § 17 EStG steuerverstrickten Beteiligung eingelegt wird, die in diesen Fällen in aller Regel ebenfalls bereits wertgemindert sein wird.

Im Streitfall lag nach den Feststellungen des FG ein Finanzplandarlehen vor, dessen Ausfall in den Fällen des § 17 EStG grundsätzlich in Höhe seines Nennwerts einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen ist. Der Annahme des Finanzamtes, die vom Kläger gewählte Gestaltung sei missbräuchlich i.S.v. § 42 AO, war nicht zu folgen. Insbesondere die Annahme der Behörde, erst durch Anteilsverkauf habe der Steuerpflichtige erreicht, bei einem weiteren Wertverfall der O GmbH einen Verlust nach § 17 EStG geltend zu machen, erwies sich als nicht haltbar. Vielmehr wären die Voraussetzungen des § 17 EStG auch dann erfüllt gewesen, wenn der Steuerpflichtige eine unmittelbare Beteiligung an der O GmbH veräußert hätte.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.04.2018 10:26
Quelle: BFH online

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