Aktuell in der GmbHR

Neues BMF-Anwendungsschreiben vom 30.11.2017 zu §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG (Prinz/Otto, GmbHR 2018, 497)

Der Steuergesetzgeber hat Ende 2013 - also vor rund viereinhalb Jahren - mit §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG zwei hochproblematische bilanzsteuerliche Sondernormen geschaffen, die eine vorgezogene Realisierung stiller Lasten entgegen der Rechtsprechung des BFH bei entgeltlichen Schuldübertragungen im Fiskalinteresse abmildern bzw. verteilen sollen. Beide Rechtsnormen stecken "voller Tücken". Das BMF hat nun am 30.11.2017 (BStBl. I 2017, 1619) eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung zu beiden Vorschriften publiziert, die einerseits zur Rechtsklarheit bei den betroffenen Unternehmen beiträgt, andererseits aber auch eine Reihe stark restriktiver Auffassungen vor allem im Bereich betrieblicher Altersversorgung deutlich macht. Schließlich fehlen zu wichtigen Anwendungsbereichen beider Normen klarstellende Aussagen. Der Beitrag arbeitet die Kernaussagen des BMF-Schreibens für die Praxis heraus, weist auf seine diversen Schwachstellen hin und gibt Gestaltungshinweise zum Umgang mit dem Erlass.

I. Ausgangspunkt: §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG als Abwehrgesetzgebung zur Hebung stiller Lasten
1. Entgeltliche Schuldübertragungen: Gestaltungsinstrument zur Realisierung stiller Lasten
2. Steuergesetzliche Abwehrmaßnahmen der §§ 4f,  5 Abs. 7 EStG mit Wirkung ab 2013
3. Finalisiertes BMF-Schreiben als norminterpretierende Verwaltungsanweisung
II. Praxisrelevante Kernaussagen des BMF-Schreibens vom 30.11.2017
1. Wichtige Anwendungshinweise „vor der Klammer“
2. Wichtige Anwendungshinweise zu § 4f EStG
3. Wichtige Anwendungshinweise zu § 5 Abs. 7 EStG
III. „Schwachstellen“ des BMF-Schreibens vom 30.11.2017
1. Übertragung einzelner Pensionsverpflichtungen/Betriebsübertragungen gemäß § 613a BGB
2. Anwendung von §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG in Umwandlungsfällen
IV. Mitunternehmeranteilsübertragungen/ Teilmitunternehmeranteilsübertragungen
V. Schlussfolgerungen für die Beratungspraxis


I. Ausgangspunkt: §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG als Abwehrgesetzgebung zur Hebung stiller Lasten
1. Entgeltliche Schuldübertragungen: Gestaltungsinstrument zur Realisierung stiller Lasten

Im maßgeblichkeitsgeprägten Bilanzsteuerrecht gibt es eine Reihe von Situationen, in denen der Verkehrswert einer Verpflichtung höher ist als der steuerbilanziell zulässige Wertansatz. Es bestehen diverse Ansatzverbote, Ansatzbeschränkungen und Bewertungsvorbehalte. Besonders „prominentes Beispiel“ ist die Sonderregelung für Pensionsrückstellungen gemäß § 6a EStG (Direktzusagen gegenüber Arbeitnehmern) mit ihrem möglicherweise verfassungswidrigen marktfernen Festzinssatz von 6 %.  Weiterhin ist etwa das steuerbilanzielle Verbot der Drohverlustrückstellungen des § 5 Abs. 4a EStG zu erwähnen. Zur „Hebung“ derartig unterdotiert ausgewiesener Verpflichtungen, aber vor allem auch zur Sicherstellung von Altersversorgungsverpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern hat die Praxis Techniken zur entgeltlichen und fremdüblichen Übertragung auf Dritte/Konzernunternehmen entwickelt. Im Einzelnen handelt es sich um die befreiende Schuldübernahme gemäß § 414 BGB (Gläubigerzustimmung erforderlich), den Schuldbeitritt sowie die im Innenverhältnis wirkende Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung, die juristisch jeweils unterschiedlich wirken, wirtschaftlich aber einvernehmlich zu einer Schuldübertragung auf einen anderen Rechtsträger per Entgelt führen. Derartige entgeltliche Transaktionen sind von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt worden. Beim „Veräußerer“ der Schuld wird laut BFH ein steuerrelevanter Verlust in Höhe der entgeltlich übertragenen stillen Last realisiert. Beim „Erwerber“ erfolgt zum Übertragungszeitpunkt sowie den Folgeabschlussstichtagen ein erfolgsneutrales Anschaffungsgeschäft in Bezug auf eine Verbindlichkeit. Entgegen der Meinung der Finanzverwaltung ist auch bei einer bloßen wirtschaftlichen Schuldübertragung beim „Veräußerer“ kein Freistellungsanspruch zu aktivieren. Vielmehr entfällt die rückstellungsbegründende Verpflichtung durch den Übertragungsvorgang. Ungeachtet der unterschiedlichen zivilrechtlichen Übertragungswege behandelt der BFH rechtliche und wirtschaftliche Schuldübertragungen in seiner Judikatur systementsprechend gleich.

2. Steuergesetzliche Abwehrmaßnahmen der §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG mit Wirkung ab 2013
Wegen vermeintlicher „Steuerausfallrisiken in Milliardenhöhe“ hat der Steuergesetzgeber im AIFM-StAnpG vom 18.12.2013 mit §§ 4f, 5 Abs. 7 EStG die Rechtsprechung weitgehend konterkarierende Regelungen eingeführt. Beide Vorschriften haben hohe Praxisrelevanz, vor allem bei der Bilanzierung von Altersversorgungsverpflichtungen und sind steuersystematisch fragwürdig. Für Gewinnermittler nach § 4 Abs. 3 EStG sind die Regelungen nicht anzuwenden.

  • Auf der einen Seite sieht § 4f EStG beim Veräußerer (= ursprünglich Verpflichtetem) eine außerbilanziell wirkende, typisierte Aufwandsverteilung der realisierten stillen Last über 15 Jahre vor. Für Schuldübertragungsfälle bestehen gemäß § 4f Abs. 1 S. 3 – 6 EStG einige gewichtige Ausnahmen für die Aufwandsverteilung (Kleinunternehmen gemäß § 7g EStG, Arbeitgeberwechsel mit Pensionstransfer sowie diverse Betriebsaufgabe-Konstellationen). Diese Ausnahmebestimmungen zum Verteilungsgebot gelten gemäß § 4f Abs. 2 EStG allerdings nicht in Schuldbeitritts-/Erfüllungsübernahmefällen. Die verschiedenen zivilrechtlichen Übertragungswege werden damit ...


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.05.2018 16:01

zurück zur vorherigen Seite