Aktuell in der GmbHR

Die Beweislastverteilung im Rahmen des § 64 GmbHG - Bestehen noch Exkulpationsmöglichkeiten für den Geschäftsführer? (Arens, GmbHR 2018, 555)

Anknüpfungspunkt des § 64 S. 1 GmbHG sind Zahlungen des Geschäftsführers, welche nach „Eintritt der Zahlungsunfähigkeit“ oder nach „Eintritt der Überschuldung“ aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet werden. Damit knüpft das GmbH-Gesetz an die Insolvenzauslösungstatbestände des § 17 InsO (Zahlungsunfähigkeit) und § 19 InsO (Überschuldung) an. Nicht haftungsauslösend ist eine drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO. Dabei wird seit jeher kritisiert, dass die Tatbestände erkennbar und justiziabel sein müssen. Der BGH und die obergerichtliche Rechtsprechung haben dazu im Jahr 2017 wichtige Entscheidungen getroffen, welche versuchen die Voraussetzungen des § 64 S. 1 GmbHG zu präzisieren. Ziel dieses Beitrags soll es sein, die Besonderheiten der Darlegungs- und Beweislast darzustellen und die „Verteidigungsmöglichkeiten“ des in Anspruch genommenen Geschäftsführers.

I. Insolvenzantragsgründe
1. Zahlungsunfähigkeit
2. Überschuldung
II. Verteidigungsmöglichkeiten des Geschäftsführers
1. Zahlungsunfähigkeit
2. Überschuldung
3. Informationsrecht
4. Sonderproblem: Verschwiegenheitsverpflichtung von Zeugen
5. Rangrücktritt/Stundungsvereinbarung
III. Strafrecht
IV. Ergebnis

I. Insolvenzantragsgründe
Von § 64 S. 1 GmbHG werden Zahlungen erfasst, die nach Insolvenzreife; d.h. nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung an Gläubiger geleistet wurden. Die Rechtsprechung hat sich mit diesen Voraussetzungen nochmals intensiv beschäftigt.

1. Zahlungsunfähigkeit
Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2005 liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und die Liquiditätslücke auf unter 10 % zurückzuführen.  Vorzunehmen ist diese Beurteilung allein anhand objektiver Umstände.

Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist dagegen regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist.

Zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit wird ausschließlich das liquide Barvermögenspotential des Schuldners betrachtet und geprüft, ob er damit seine kurzfristigen Zahlungspflichten erfüllen kann. Gebundene Vermögenswerte, die nicht kurzfristig realisiert werden können (z.B. Immobilien, Anlagen) bleiben außer Betracht. Gebundenes, werthaltiges Aktivvermögen hilft dem Schuldner mithin nicht, wenn ihm ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.05.2018 11:31
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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