Aktuell in der GmbHR

Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers vor und nach Stellung eines Insolvenzantrags - Status quo, notwendige Kritik und Thesen (Poertzgen, GmbHR 2018, 881)

Die Haftung des Geschäftsführers in der Unternehmenskrise ist nur zum Teil durch die Verantwortlichkeit für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife (§ 64 GmbHG) geregelt. Darüber hinaus ist die Verantwortlichkeit des Organvertreters wegen solcher Zahlungen in ihren sämtlichen Konseqenzen und Verästelungen nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut des § 64 S. 1 GmbHG ableitbar. Gerade die 2012 eingeführten Fälle vorläufiger Eigenverwaltung (§§ 270a, 270b InsO) und zuletzt das Urteil des BGH vom 26.4.2018 – IX ZR 238/17, GmbHR 2018, 632 m. Komm. Hoos/Forster werfen weitere Fragen auf. Dieser Beitrag versucht, die Ursachen für die komplexe Rechtslage aufzuzeigen und den gegenwärtigen Diskussionsstand zusammenzufassen.

I. Das Grundprinzip: Innenhaftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG

II. Inhalt und Problematik der Innenhaftung gemäß § 64 GmbHG

III. Notwendigkeit eines Perspektivwechsels

IV. Praxis arrangiert sich mit status quo

1. Begründung einer Forderung als verbotene Zahlung?

2. Berücksichtigung von Gegenleistungen

3. Zahlungseingang auf debitorischem Konto

4. Grundsätze des Bargeschäfts (§ 142 InsO) gelten nicht bei § 64 GmbHG

5. Konkrete Anwendung der Rechtfertigungsklausel (§ 64 S. 2 GmbHG)

V. Unternehmensfortführung in der Krise

1. Einführung

2. Haftung des Geschäftsführers analog §§ 60, 61 InsO nach Eröffnung

3. Anwendung des § 64 GmbHG nach Antragstellung?

VI. Zusammenfassung und Ausblick
 

I. Das Grundprinzip: Innenhaftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG
Nach der bis heute maßgeblichen und zutreffenden Entscheidung des GmbHG-Gesetzgebers von 1892 haftet der Geschäftsführer für Schäden, die er im Rahmen der Ausübung seiner Organfunktion schuldhaft verursacht, allein gegenüber der Gesellschaft (§ 43 Abs. 2 GmbHG).

Diese Innenhaftung ist Konsequenz des kapitalgesellschaftsrechtlichen Grundprinzips, dass den Gläubigern der GmbH für deren Verbindlichkeiten ausschließlich das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zur Verfügung steht (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Unmittelbar gegenüber Gläubigern der Gesellschaft bzw. Dritten haftet der Geschäftsführer nur bei Verletzung absoluter Rechte (§ 823 Abs. 1 BGB), deliktischer Schutzgesetze (§ 823 Abs. 2 BGB) sowie in Fällen des § 311 Abs. 3 BGB, wonach ein Schuldverhältnis auch zulasten des Geschäftsführers einer GmbH entstehen kann, obwohl die Gesellschaft und nicht deren Organvertreter der eigentliche Vetragspartner werden soll.

Die Konzeption der Innenhaftung dient – auch wenn dieser Gesichtspunkt in Fällen des § 43 Abs. 2 GmbHG nicht im Vordergrund stehen mag – vor allem auch der Umsetzung eines insolvenzrechtlichen Grundprinzips. So soll durch die Liquidation von Ersatzleistungen zugunsten des Gesellschaftsvermögens sichergestellt werden, dass sämtliche Gläubiger der Gesellschaft anteilig in gleicher Weise von der Anreicherung des Haftungsfonds profitieren. Hierdurch soll ein Gläubigerwettlauf vermieden und das Gebot der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum) gewahrt werden.

II. Inhalt und Problematik der Innenhaftung gemäß § 64 GmbHG
In Form der Regelung des § 64 GmbHG hält der Gesetzgeber bis heute an der Innenhaftung auch für das Stadium nach Eintritt der Insolvenzreife fest. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die Innenhaftung nach § 64 GmbHG einen (deutlich) anderen Inhalt als die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 2 GmbHG hat.

Während der Organvertreter gegenüber der (noch) nicht insolventen Gesellschaft auf Ersatz schuldhaft verursachter Schäden haftet, muss er gemäß § 64 S. 1 GmbHG Zahlungen erstatten, die nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und oder Überschuldung (§ 19 InsO) geleistet werden und die angesichts der eingetretenen Insolvenzreife nicht mehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind (Umkehrschluss aus § 64 S. 2 GmbHG).

Problematisch ist die Innenhaftung auch nach Eintritt der Insolvenzreife vor allem deshalb, weil ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.08.2018 14:11
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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