24 / 2018

Georg Geberth

Wie immer es jetzt heißt: es ist ein Jahressteuergesetz!

In diesem und im nächsten Jahr stehen zahlreiche Gesetzgebungsprojekte auf der Agenda des Steuergesetzgebers: die Reform der Hinzurechnungsbesteuerung im AStG, die Umsetzung der ATAD 2-Richtlinie, mit der die Bekämpfung von hybriden Gestaltungen weiter intensiviert werden soll, die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung sowie einer Anzeigepflicht für grenzüberschreitende und womöglich auch rein nationale Gestaltungsmodelle und schließlich das Brexit-Steuerbegleitgesetz. Nicht zuletzt steht die nicht enden wollende Debatte um die Besteuerung der digitalen Wirtschaft vor ihrem Höhepunkt auf der EU-Ebene, wenn am 4.12.2018 die Finanzminister in Brüssel einen Beschluss zur „Digitalsteuer“, d.h. zur Bruttobesteuerung von digitalen Dienstleistungen, fassen wollen – auf der OECD-Ebene wird uns das Thema noch einige Jahre begleiten.

Nun erscheinen diese „Aufregerthemen“ mitunter spannender, aber es lohnt sich auch ein näherer Blick auf ein Gesetzgebungsprojekt, das in unauffälligerem Gewand daherkommt. Gestartet ist es als „Jahressteuergesetz 2018“, wurde dann umbenannt und am 8.11.2018 vom Bundestag als „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ beschlossen (BT-Drucks. 19/5595). Im Vergleich zum Regierungsentwurf wurden noch einige wesentliche Verbesserungen eingefügt.

Mit dem Änderungsgesetz sollen insbesondere Umsatzsteuerausfälle beim Handel mit Waren auf elektronischen Marktplätzen im Internet verhindert werden. Betreiber von elektronischen Marktplätzen sollen zum einen künftig bestimmte Daten ihrer Nutzer, für deren Umsätze in Deutschland eine Steuerpflicht in Betracht kommt, aufzeichnen sowie zum anderen für die entstandene und nicht abgeführte Umsatzsteuer aus den auf ihrem elektronischen Marktplatz ausgeführten Umsätzen in Haftung genommen werden können. Dies insbesondere dann, wenn sie Unternehmer, die im Inland steuerpflichtige Umsätze erzielen und hier steuerlich nicht registriert sind, auf ihrem Marktplatz Waren anbieten lassen. Zudem soll dem fachlich zwingend notwendigen Gesetzgebungsbedarf in verschiedenen Bereichen des deutschen Steuerrechts entsprochen werden.

Abgesehen von den umsatzsteuerlichen Regelungen lassen sich dem Entwurf dieses Änderungsgesetzes nun folgende wesentliche Inhalte entnehmen:

  • Neu hat der Bundestag die Wiedereinführung der Steuerfreiheit von zusätzlich zum Arbeitslohn gewährten Job Tickets und Arbeitgeberzuschüssen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr beschlossen (§ 3 Nr. 15 EStG n.F.). Die Steuerbegünstigung soll zudem auf private Fahrten im öffentlichen Personennahverkehr erweitert werden. Die steuerfreien Leistungen sollen jedoch – entgegen der ursprünglichen Forderung der Länder im ersten Durchgang Bundesrat – auf die Entfernungspauschale angerechnet werden.

  • Auch eine Steuerbefreiung für die zusätzlich zum Arbeitslohn gewährte Privatnutzung eines betrieblichen Fahrrads oder Elektrofahrrads wurde vom Bundestag neu aufgenommen (§ 3 Nr. 37 EStG n.F.). Die Anrechnung dieser steuerfreien Leistungen auf die Entfernungspauschale sowie die Anwendung des Abzugsverbots nach § 3c Abs. 1 EStG sollen ausgeschlossen sein. Die Regelung wird auf die Gewinnermittlung übertragen, d.h. eine Entnahme für die private Nutzung eines betrieblichen Fahrrads, das verkehrsrechtlich kein Kraftfahrzeug ist, bleibt außer Ansatz (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 6 EStG n.F.). Vorgesehen ist für beides eine Befristung zunächst bis 2021.

  • Für die Privatnutzung von betrieblichen Elektro- und Hybridfahrzeugen soll künftig eine hälftige Versteuerung mittels halbierten Ansatzes des Listenpreises gelten (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 u. 3 EStG n.F.). Die Neuregelung soll gelten für Elektro- und Hybridfahrzeuge, die vom 1.1.2019 bis zum 31.12.2021 angeschafft oder geleast werden. Der bisherige Nachteilsausgleich, der die Bemessungsgrundlage mindert, fällt dann ab 2019 weg und gilt wieder ab 2022.

  • In § 6b Abs. 2a S. 4 ff. EStG n.F. soll eine Sanktion (Verzinsung) für die Fälle eingeführt werden, in denen es zu keiner oder nur einer partiellen EU-Reinvestition des Veräußerungsgewinns kommt. Dies soll erstmals anzuwenden sein auf Gewinne i.S.d. § 6b Abs. 2 EStG, die in nach dem 31.12.2017 beginnenden Wirtschaftsjahren entstanden sind.

  • Steuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an sog. Immobiliengesellschaften (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. cc EStG n.F.) sowie Vorschrift zur Gewinnermittlung bei Immobilienveräußerung (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f S. 4 EStG n.F.).

  • Verhinderung von Cum/Cum-Gestaltungen unter Zuhilfenahme steuerbegünstigter Anleger (§ 44a Abs. 10 S. 1 Nr. 3 EStG n.F.).

  • Der Bundestag will die Neuregelung zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen (§ 3a EStG und § 7b GewStG) nun gem. Art. 19 des Gesetzentwurfs unmittelbar zum 5.7.2017 in Kraft setzen. Auf Antrag soll die Anwendung dieser Regelungen zudem auf Altfälle (Schuldenerlass vor dem 9.2.2017) möglich sein, nachdem der Große Senat des BFH den Sanierungserlass mangels einer Rechtsgrundlage mehrfach verworfen hatte. Dies ist besonders wichtig für die Gewerbesteuer, weil die Steuerfreistellung nach § 7b GewStG als Teil der Ermittlung des Gewerbeertrags in die allgemeine Zuständigkeit des Finanzamts für den Erlass des Messbescheides fällt.

  • Die durch das EuGH-Urteil vom 28.6.2018 – C-203/16 P – Heitkamp BauHolding GmbH u. Dirk Andres, GmbHR 2018, 824 (LS) als EU-rechtskonform ausjudizierte Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) soll durch Neufassung der Anwendungsregelung in § 34 Abs. 6 S. 3 KStG n.F. rückwirkend ab dem VZ 2008 bzw. für Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 wieder zur Anwendung gebracht werden.

  • Der quotale Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG bei einem schädlichen Gesellschafterwechsel von mehr als 25 % und bis zu 50 % soll über den Regierungsentwurf des Gesetzes hinaus nicht nur suspendiert, sondern ohne zeitliche Begrenzung von Beginn an (also ab VZ 2008) vollständig aufgehoben werden.

  • Nach § 14 Abs. 2 KStG n.F. soll die Vereinbarung und Leistung einer variablen, vom Ergebnis der Organgesellschaft abhängigen Ausgleichszahlung an außenstehende Gesellschafter in gewissen Grenzen unschädlich sein. Der Bundestag hat hierzu nun noch Übergangsregelungen aufgenommen (§ 34 Abs. 6b S. 2 ff. KStG n.F.)

  • Als Folgeänderungen zum InvStG 2018 in Organschaftsfällen soll die sog. Bruttomethode auf die Regelungen zu den rechtsformabhängigen Steuerfreistellungen für Investmentfonds und für Spezial-Investmentfonds ausgeweitet werden (§ 15 S. 1 Nr. 2a KStG n.F.).

  • Die Regelung zu den Beitragsrückerstattungen und den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen wird neu gefasst (§ 21 KStG n.F.). Im Bundestag wurde hierzu eine optionale Vorverlegung der erstmaligen Anwendung der Neuregelung aufgenommen (§ 34 Abs. 8 S. 2 KStG n.F.).

  • In § 28a Abs. 4 ErbStG n.F. sollen drei weitere Konstellationen aufgenommen werden, die zu einer rückwirkenden Beseitigung des Steuererlasses bei Verschonungsbedarfsprüfung führen. Darüber hinaus werden im Nachgang der Erbschaftsteuerreform 2016 einige Verweise in §§ 19a und 28 ErbStG richtiggestellt bzw. ergänzt.

Die abschließende Beratung im Bundesrat und seine noch erforderliche Zustimmung sind am 23.11.2018 erfolgt (BR-Drucks. 559/18 [Beschluss] vom 23.11.2018). Über Verkündung im Bundesgesetzblatt und Inkrafttreten des Gesetzes war bei Redaktionsschluss zu dieser Ausgabe noch nichts bekannt.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 03.12.2018 14:20