FG Münster v. 18.10.2018 - 10 K 4079/16 G

Freibetrag bei einer unterjährigen Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft?

Einer GmbH, die im laufenden Jahr eine natürliche Person als atypisch stillen Gesellschafter aufnimmt, ist der für Personengesellschaften geltende Freibetrag gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG für die Zeiträume vor der Aufnahme nicht zu gewähren. Da ein Streitfall mit der vorliegenden Problemstellung bei einer unterjährigen Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft höchstrichterlich bisher nicht entschieden ist, wurde die Revision zugelassen.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine GmbH. Ihr Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Gesellschafter sind Frau J. mit einer Kapitalbeteiligung von 2.500 € (10 %) und Herr J. mit einer Beteiligung von 22.500 € (90 %). Letzterer ist zugleich Geschäftsführer der Klägerin. Mit Gesellschafterbeschluss vom 1.12.2015 stimmten die beiden Gesellschafter der Aufnahme eines stillen Gesellschafters zu, der ab dem 18.12.2015 mit einer Kapitalbeteiligung von 1.000 € am Ergebnis sowie am Vermögen und dem Geschäftswert der Klägerin beteiligt werden sollte. Zugleich schlossen die Klägerin und der aufzunehmende stille Gesellschafter am 1.12.2015 einen Vertrag über die Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft.

Am 8.6.2016 beantragte die Klägerin für Vorauszahlungszwecke die Erteilung von Gewerbesteuermessbescheiden für die Kalenderjahre 2015 und 2016. Außerdem beantragte sie, den Gewerbeertrag um den Freibetrag gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG zu kürzen. Letzteres verweigerte das Finanzamt. Es war der Ansicht, der Freibetrag im Veranlagungszeitraum 2015 für die atypische stille Gesellschaft nur für die Zeit vom 18.12.2015 bis zum 31.12.2015 zu gewähren. Der Klägerin selbst sei dieser Freibetrag im Streitjahr 2015 nicht zu gewähren, da ihr als Kapitalgesellschaft ein solcher nicht zustehe. Bei der atypisch stillen Gesellschaft habe sich der Gewerbesteuerfreibetrag nicht in voller Höhe ausgewirkt, da der zeitanteilige Gewinn lediglich mit 1.014 € bemessen worden sei.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:

Das Finanzamt hat zu Recht den Gewerbesteuermessbetrag für die Klägerin bis zur Gründung der atypisch stillen Gesellschaft und für die nachfolgende Zeit für die atypisch stille Gesellschaft bestehend aus der Klägerin und dem stillen Gesellschafter ermittelt und festgesetzt.

Nach § 14 GewStG ist der Gewerbesteuermessbetrag nicht anknüpfend an die Steuerschuldnerschaft nach § 5 Abs. 1 GewStG (persönliche Steuerpflicht), sondern nach der sachlichen Steuerpflicht festzusetzen. Wechselt die sachliche Steuerpflicht während des Erhebungszeitraums ist trotz unveränderter Schuldnerschaft der Gewerbeertrag nach der unterschiedlichen sachlichen Steuerpflicht zu ermitteln, wie es das Finanzamt auch getan hat. Die Klägerin war nämlich mit ihrem Gewerbe gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG kraft Rechtsform mit ihrem gesamten Betrieb gewerbesteuerpflichtig und unterhielt einen einzigen einheitlichen Gewerbebetrieb. Die ab dem 18.12.2015 gegründete atypisch stille Beteiligung am Gewerbebetrieb der Klägerin erfüllte nach den vereinbarten Bedingungen die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG. Die Gesellschafter einer solchen atypisch stillen Gesellschaft als eigenständiger Mitunternehmerschaft sind als Unternehmer des Gewerbebetriebs anzusehen, auf den sich die sachliche Gewerbesteuerpflicht erstreckt.

Die atypische stille Gesellschaft bildet insoweit ein selbstständiges Steuerobjekt. Sie hat zwar kein eigenständiges zivilrechtliches Betriebsvermögen; das Betriebsvermögen des Geschäftsinhabers, hier der Klägerin, wird vom Geschäftsinhaber aber im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der atypisch stillen Gesellschaft verwaltet. Dieser Betrieb des Geschäftsinhabers wird für die Dauer der atypisch stillen Beteiligung ertragsteuerlich der Mitunternehmerschaft zugerechnet, d.h. wie eine Einbringung des Betriebs nach § 24 Umwandlungssteuergesetz gewürdigt und als Betriebsvermögen der atypisch stillen Gesellschaft angesehen.

Da die atypische stille Gesellschaft selbst kein zivilrechtliches Gesamthandsvermögen hat, ist sie eine Innengesellschaft, so dass sie zwar sachlich gewerbesteuerpflichtig ist, jedoch nicht Steuerschuldner nach §  5 Abs. 1 GewStG ist. Steuerschuldner ist der Inhaber des Geschäftsbetriebs, hier die Klägerin. Steuerschuldnerschaft und sachliche Steuerpflicht fallen insoweit auseinander. Diese steuerrechtliche Einordnung hat zur Folge, dass der Gewerbebetrieb der Klägerin nach § 2 Abs. 2 GewStG während des Bestehens der Mitunternehmerschaft seine eigene sachliche Gewerbesteuerpflicht verliert und insoweit in der sachlichen Gewerbesteuerpflicht des Gewerbebetriebs der Mitunternehmerschaft als tatsächlicher nämlicher Gewerbebetrieb aufgeht. Dieses Ergebnis wird auch den Unterschieden der Regelungen zur Ermittlung des Gewerbeertrags für den Gewerbebetrieb einer Kapitalgesellschaft gerecht.

Im Rahmen der Ermittlung der Gewerbeerträge für die Zeit bis zur Gründung der atypisch stillen Gesellschaft und für die Zeit des Bestehens der atypisch stillen Gesellschaft ist der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG zutreffend nur zum Gewerbeertrag der atypisch stillen Gesellschaft als eigenständigem sachlich gewerbesteuerrechtlichem Objekt berücksichtigt worden. Zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wurde die Revision zugelassen, da ein Streitfall mit der vorliegenden Problemstellung bei einer unterjährigen Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft höchstrichterlich bisher nicht entschieden ist.

Linkhinweis:


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.12.2018 15:43
Quelle: Rechtsprechungsdatenbank NRW

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