3 / 2019

Dr. Thomas Wachter

Entwurf der neuen ErbStR 2019

Entwurf der neuen Erbschaftsteuerrichtlinien

Am 20.12.2018 hat das Bundesministerium der Finanzen den – seit langem erwarteten – Entwurf der neuen Erbschaftsteuerrichtlinien vorgelegt (Volltext unter www.bundesfinanzministerium.de). Rund 70 Verbände – angefangen von der Arbeitsgemeinschaft der Waldeigentümer bis zum Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung – haben nunmehr die Möglichkeit, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Nach Zustimmung des Bundesrats (Art. 108 Abs. 7 GG) sollen die neuen Erbschaftsteuerrichtlinien dann im Laufe des Jahres 2019 in Kraft treten.


Update der ErbStR 2011

Die ErbStR 2019 treten an die Stelle der bislang geltenden ErbStR 2011 (BStBl. I Sondernummer 1/2011, S. 2). Aufbau und Gliederung bleiben weitgehend unverändert. Der Entwurf hat einen Umfang von rund 192 Seiten und entfällt je etwa zur Hälfte auf das BewG und das ErbStG.

Mit den ErbStR 2019 will die Bundesregierung die Verwaltungsvorschriften wieder auf den aktuellen Stand bringen. Dabei sollen die zahlreichen Änderungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Finanzverwaltung berücksichtigt werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Reform des Unternehmenserbschaftsteuerrechts durch das am 1.7.2016 in Kraft getretene „Gesetz zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.11.2016“ (BGBl. I 2016, 2464) samt den dazu ergangenen Anwendungserlassen der Finanzverwaltung vom 22.6.2017 (BStBl. I 2017, 902).


Bundesweit einheitliche Verwaltungsauffassung

Die AEErbStR 2017 sollen (mit gewissen Änderungen) in die ErbStR 2019 übernommen werden. Diese werden dann wieder bundesweit einheitlich gelten und nicht lediglich als koordinierte (nicht aber gleichlautende) Ländererlasse in lediglich 15 Bundesländern (nicht aber im Freistaat Bayern, s. dazu BayLfSt, Vfg. v. 14.11.2017 – S 3715.1.1-30/8 St34, GmbHR 2018, 112). Der bayerische Sonderweg wird damit nach rund drei Jahren ein Ende finden. Inhaltlich konnte sich der Freistaat Bayern mit seinen – berechtigten – Anliegen nicht durchsetzen (s. zum einen R E 13b.27 Sätze 1 und 8 sowie R E 13.29 Abs. 4 ErbStR-E 2019 zum jungen Verwaltungsvermögen bei konzerninternen Umstrukturierungen und zum anderen R E 28a Abs. 2 Satz 6 ErbStR-E 2019 zur Minderung des verfügbaren Vermögens durch die auf den Erwerb anfallenden Steuern beim Steuererlass für Großerwerbe).

Für die Unternehmensnachfolge sind die neuen ErbStR 2019 von nicht unerheblicher Bedeutung. Die geplanten Neuerungen sollten bei entsprechenden Gestaltungen möglichst bereits jetzt berücksichtigt werden. Die Änderungen sind durchaus zahlreich, oftmals versteckt und nicht immer ganz leicht nachzuvollziehen. Das Bundesministerium der Finanzen hat die Änderungen in dem Entwurf (leider) nicht kenntlich gemacht; auch eine synoptische Gegenüberstellung zwischen den ErbStR 2011 und den ErbStR 2019 wurde (zumindest bislang) nicht zur Verfügung gestellt. Dafür weist das Bundesfinanzministerium in seinem Anschreiben darauf hin, dass die ErbStR 2019 „grundsätzlich“ „weder begünstigende noch belastende Wirkung entfalten“ werden. Darauf sollte sich die Praxis allerdings nicht unbedingt verlassen ...


Viel Neues zur Bewertung

Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung zur Bewertung (insbesondere R B 9 ff. und R B 97 ff. ErbStR-E 2019) an vielen Stellen ergänzt und überarbeitet. Dies war nicht unbedingt zu erwarten und durch Gesetzgebung und Rechtsprechung auch nicht zwingend vorgegeben. Die Bewertung richtet sich nach dem gemeinen Wert (§ 12 Abs. 1 ErbStG). Der gemeine Wert, der an sich bereits im Gesetz klar geregelt ist (§ 9 BewG) wird nunmehr in den Richtlinien nochmals definiert (R B 9.1. ErbStR-E 2019). Die entsprechenden Begriffsbestimmungen finden sich gleich an mehreren Stellen des Entwurfs (einmal allgemein in R B 9.1 ErbStR-E 2019 und einmal für Anteile an Kapitalgesellschaften in R B 11.3 ErbStR-E 2019), wobei die Formulierungen zumindest sprachlich (wohl aber nicht inhaltlich) voneinander abweichen.

Spätestens seit der (zweiten) Entscheidung des BVerfG zum ErbStG, wonach alle Vermögenswerte grundsätzlich einheitlich mit dem gemeinen Wert zu bewerten sind (BVerfG, Beschl. v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 = GmbHR 2007, 320) hat die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG eine ungeahnte Berühmtheit erlangt. Danach sind bei der Ermittlung des gemeinen Werts „ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen“. In der Praxis wird über diese Fragen – insbesondere bei Familienunternehmen – oftmals gestritten. Die Finanzverwaltung will die ungewöhnlichen und persönlichen Verhältnisse nunmehr in den Richtlinien näher umschreiben (R B 9.2., R B 11.3 und R B 109.2. ErbStR-E 2019). Danach sollen beispielsweise erbrechtliche oder vertragliche Verfügungsbeschränkungen (u.a. Testamentsvollstreckung, Vor- und Nacherbfolge, Vinkulierungsklauseln) bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden. Offensichtlich hat die Finanzverwaltung aber selbst gewisse Zweifel, ob diese pauschale Ausblendung ungewöhnlicher und persönlicher Verhältnisse wirklich sachgerecht ist. Jedenfalls sieht der Entwurf erstmals eine (im Gesetz nicht vorgesehene) Öffnungsklausel vor. Danach kann der Steuerpflichtige nachweisen, dass die „ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnisse tatsächlich nicht zu einem unter dem gemeinen Wert liegenden Wert geführt haben“ (R B 9.2 Abs. 3 und R B 11.2. ErbStR-E 2019). Die Anforderungen an den Nachweis (z.B. durch Vorlage eines Gutachtens) sind in dem Entwurf uneinheitlich geregelt. Die Regelung ist auch sonst nicht ganz frei von Widersprüchen: Verhältnisse, die sich tatsächlich nicht auf den Wert auswirken, werden danach theoretisch berücksichtigt; praktisch ist dies aber bedeutungslos. Verhältnisse, die sich tatsächlich auf den Wert auswirken (nur dann ist die Frage von Bedeutung), werden dagegen generell nicht berücksichtigt.

Die Finanzverwaltung hält zudem an ihrer Auffassung fest, dass der gemeine Wert von Gesellschaftsanteilen „nicht negativ“ sein kann, sondern zumindest mit 0 € anzusetzen ist (R B 11.4 Abs. 10 ErbStR-E 2019 für Kapitalgesellschaften und R B 97.5 Abs. 2 ErbStR-E 2019 für Kommanditanteile). Dies wird mit der „Haftungsbeschränkung des Gesellschafters“ begründet. Dies kann schon aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nicht überzeugen, da es zahlreiche Fälle gibt, wo auch Gesellschafter einer GmbH persönlich haften (s. etwa Ausfallhaftung, § 24 GmbHG, Nachschusspflicht, § 26 GmbHG, Insolvenzverschleppungshaftung bei führungsloser Gesellschafter, § 15a Abs. 3 InsO oder Haftung der Gesellschafter für die Abfindung im Falle einer Einziehung, § 34 GmbHG). Richtigerweise kann der gemeine Wert von Anteilen (vermeintlich) beschränkt haftender Gesellschafter daher nicht nur positiv, sondern durchaus auch negativ sein.


Vorab-Abschlag bei Familienunternehmen

Große praktische Bedeutung hat der neue Vorab-Abschlag von bis zu 30 % beim Erwerb von Anteilen an bestimmten Familienunternehmen (§ 13a Abs. 9 ErbStG). Voraussetzung und Rechtsfolgen des Vorab-Abschlags sind allerdings sehr umstritten. Die Finanzverwaltung (offensichtlich ein „Fan“ der GmbH) will an ihrer gesetzeswidrigen Auffassung festhalten, dass der Abschlag bei Familien-AG’s generell nicht gewährt werden kann (R E 13a.20 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 ErbStR-E 2019, obwohl § 13a Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 ErbStG von „Kapitalgesellschaft“ spricht). Die Entnahmebeschränkung auf 37,5 % des Gewinns soll sich auf das jeweilige „Wirtschaftsjahr“ beziehen (R E 13a.20 Abs. 3 Satz 1 ErbStR-E 2019). Ein Ausgleich zwischen einzelnen Wirtschaftsjahren ist damit ausgeschlossen. Für den Gewinn kommt es auf den steuerrechtlichen Gewinn an. Die Entnahmebeschränkung wird im Gesellschaftsvertrag geregelt, der meist auf den handelsrechtlichen Gewinn abstellt. Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass es „unschädlich“ sei, wenn die Grenze von 37,5 % „bezogen auf den steuerrechtlichen Gewinn offensichtlich nicht überschritten wird“ (R E 13a.20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 ErbStR-E 2019). Die sprachlich wenig geglückte Regelung ist wohl eine Art Billigkeitserlass der Finanzverwaltung. Inhaltlich unverständlich ist dagegen, dass der Tod eines Gesellschafters innerhalb der 20-jährigen Behaltefrist Nachsteuer auslösen kann (R E 13a.20 Abs. 8 Satz 2 ErbStR-E 2019). Dies schränkt die verfassungsrechtliche Erbrechtsgarantie unzulässig ein.


Zahlreiche kleine Änderungen bei den Verschonungsregelungen

Bei den Verschonungsregelungen für unternehmerisches Vermögen soll es zu zahlreichen kleineren (und größeren) Änderungen kommen. Beinahe in jedem Abschnitt der bisherigen AEErbStR 2017 sind einzelne Sätze ergänzt, umgestellt oder neu formuliert worden. Dies betrifft u.a. den Verwaltungsvermögenstest (§ 13b Abs. 2 ff. ErbStG), den Schwellenwert von 26 Mio. Euro für Großerwerbe (§ 13a Abs. 1 ErbStG), die Tarifbegrenzung (§ 19a ErbStG), die Lohnsummenregelung und die Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG).


Betriebsaufspaltungsfälle

Zahlreiche Änderungen betreffen die Fälle der Betriebsaufspaltung. Dies gilt vor allem für den Begriff des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 Buchstabe a) ErbStG). Die kapitalistische Betriebsaufspaltung soll danach nicht mehr zu schädlichem Verwaltungsvermögen führen (R E 13b.14 Abs. 1 Satz 7 ErbStR-E 2019). Dagegen soll bei der umgekehrten Betriebsaufspaltung (anders als bisher) kein Verwaltungsvermögen vorliegen (R E 13b.14 Abs. 1 Satz 8 ErbStR-E 2019). In der Praxis besteht in diesem Bereich eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Die einzelnen Begriffe sind keineswegs immer deckungsgleich und inhaltlich oftmals wenig bestimmt.

Bei der Lohnsummenkontrolle wird die Zusammenrechnung bei Betriebsaufspaltungsfällen – ohne erkennbaren Anlass – neu geregelt (s. R E 13a.4 Abs. 2 Satz 16 und R E 13a.7 Abs. 1 Satz 10 ErbStR-E 2019). Neu ist auch, dass bei der Prüfung der Mindestbeschäftigungszahl (R E 13a.4 Abs. 2 Satz 14 ErbStR-E 2019) und bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme (R E 13a.7 Abs. 2 Satz 2 ErbStR-E 2019) künftig auch Beteiligungen im Sonderbetriebsvermögen berücksichtigt werden sollen. Es erscheint zweifelhaft, ob für eine solche Zurechnung eine ausreichende gesetzliche Grundlage besteht.


90 %-Test bleibt unverändert

Ein besonderes Ärgernis ist und bleibt der 90 % Test (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Die Finanzverwaltung (R E 13b.10 ErbStR-E 2019) sieht (aufgrund des Gesetzeswortlauts) weiterhin keine Möglichkeit, die sinnwidrige Berechnung der 90 %-Grenze zu korrigieren (Vergleich von Brutto- mit Nettowerten) und die überschießenden Rechtsfolgen zu begrenzen (Wegfall jeder steuerlichen Verschonung). In der Praxis sollte in entsprechenden Fällen der Weg vor die Gerichte nicht gescheut werden.


Konzerne und Verbundvermögensaufstellung

Bei Konzernen stellt sich immer wieder die Frage, ob eine isolierte Betrachtung oder eine Gesamtbetrachtung erfolgen soll. Mit der neuen Verbundvermögensaufstellung wollte der Gesetzgeber den Konzerngedanken (zumindest partiell) auch im ErbStG einführen. Die Neuregelung ist allerdings noch nicht ganz ausgereift und bereitet offenbar auch der Finanzverwaltung viel Kopfzerbrechen. Der neue Ansatz zu jungen Finanzmitteln bei konzerninternen Finanzierungen ist indes wenig geglückt (s. R E 13b.29 Abs. 3 ErbStR-E 2019). Legt eine Muttergesellschaft Finanzmittel in eine Tochtergesellschaft ein, werden diese nicht nur bei der Tochter, sondern „auch“ bei der Mutter als junge Finanzmittel angesetzt. Legt die Tochtergesellschaft die Finanzmittel in eine Enkelgesellschaft ein, kann dies (nach neuer Auffassung der Finanzverwaltung) zu einer „mehrfachen Erfassung der jungen Finanzmittel“ führen. Für diese Auffassung der Finanzverwaltung gibt es keine gesetzliche Grundlage (auch nicht in § 13b Abs. 9 ErbStG). Die mehrfache Erfassung ein und derselben Finanzmittel für steuerliche Zwecke verkehrt den Gedanken der Verbundvermögensaufstellung in sein Gegenteil.


Fazit

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung nach rund acht Jahren ihre Auffassung zum ErbStG aktualisiert und konsolidiert hat. Die bundesweit abgestimmten Richtlinien schaffen in vielen Bereichen Rechts- und Planungssicherheit. Dies gilt besonders für die private Vermögensnachfolge. Bei der Unternehmensnachfolge kommt es dagegen zu zahlreichen Änderungen (und Verschärfungen). Bedauerlich ist, dass die Finanzverwaltung die ohnehin sehr komplexen Regelungen des Unternehmenserbschaftsteuerrechts durch immer neue (und vielfach unbestimmte) Detailregelungen zusätzlich belastet (wie etwa zur Lohnsummenkontrolle bei „Vorratsgesellschaften“ in R E 13a.7 Abs. 2 Satz 5 f. und Abs. 3 Satz 8 f. ErbStR-E 2019).

Den vorstehenden Blickpunkt habe ich im Dezember 2018 noch mit Rechtsanwalt Werner Driesen, dem langjährigen Schriftleiter der GmbHR abgestimmt. Im Januar 2019 habe ich völlig überraschend erfahren, dass Werner Driesen verstorben ist. Damit endet unsere fast 20-jährige Zusammenarbeit plötzlich und unerwartet. Die Arbeit mit Werner Driesen war für mich immer eine große Freude und ein echter Gewinn. Werner Driesen habe ich persönlich viel zu verdanken. Ich werde ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren.

Dr. Thomas Wachter

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 29.01.2019 11:36