BGH v. 10.1.2019 - III ZR 109/17

Vorformulierte Bestätigung des Anlegers über Kenntnisnahme der Risikohinweise im Emissionsprospekt unwirksam

Eine vorformulierte Bestätigung des Anlegers, die Risikohinweise in einem Emissionsprospekt zur Kenntnis genommen zu haben, ist gem. § 309 Nr. 12 Halbs. 1 Buchst. b BGB unwirksam. Hierin liegt eine die Beweislast zu seinem Nachteil ändernde Bestimmung. Es genügt, wenn die Beweisposition des Anlegers verschlechtert wird; eine Umkehr der Beweislast ist nicht erforderlich.

Der Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch. Der Kläger beteiligte sich - jeweils nach Beratung durch den seinerzeit für die Beklagte tätigen Handelsvertreter Dr. T. - über einen Treuhänder mit Beitrittserklärungen von Mai 2007 und März 2010 mit einer Beteiligungssumme von jeweils 20.000 € zzgl. 5 % Agio zum einen an der K. & C. MT "K. Ed." Tankschifffahrts GmbH & Co. KG und der K. & C. MT "K. Er." Tankschifffahrts GmbH & Co. KG (im Folgenden Tanker-Fonds) sowie zum anderen an der S-GmbH & Co. KG (im Folgenden Solar-Fonds - erste Tranche). Eine später gezeichnete weitere Beteiligung an diesem Solar-Fonds (zweite Tranche) ist bis auf einen weiterhin geltend gemachten Zinsanspruch nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

In der Beitrittserklärung von März 2010 über den Solar-Fonds - erste Tranche - heißt es in einer gesondert vom Kläger unterschriebenen Rubrik mit der Überschrift "Empfangsbestätigung/weitere Erklärungen und Hinweise:" u.a. wie folgt: "Ich habe den Beteiligungsprospekt nebst Anlagen erhalten, den Inhalt insbesondere des Kapitels 05 (Risiken der Beteiligung) des Verkaufsprospekts vollinhaltlich zur Kenntnis genommen und stimme dem Inhalt der Verträge ausdrücklich zu." Zugleich unterzeichnete der Kläger einen "persönlichen Beraterbogen", in dem das Datum der Prospektübergabe mit "12.3.10" vermerkt war.

Der Kläger hat in Bezug auf den Solar-Fonds behauptet, er sei über die Risiken der Anlage nicht informiert worden. Den Emissionsprospekt habe er nicht rechtzeitig, sondern erst anlässlich der Zeichnung erhalten. Der Prospekt habe zudem Fehler enthalten. In Kenntnis der Risiken hätte er die Anlage nicht erworben. Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, Dr. T. habe den Prospekt - seiner Praxis entsprechend - dem Kläger rechtzeitig vor Zeichnung ausgehändigt. Ferner hat sie sich auf den persönlichen Beraterbogen und die Beitrittserklärung von März 2010 bezogen. Hilfsweise hat sie die nicht rechtzeitige Übergabe mit Nichtwissen bestritten.

Das LG wies die Schadensersatzklage nach Anhörung des Klägers und Vernehmung des Zeugen Dr. T. ab. Das OLG gab der Klage teilweise statt, verurteilte die Beklagte in Bezug auf den Tanker-Fonds und die zweite Tranche des Solar-Fonds zum Ersatz des Zeichnungsschadens Zug um Zug gegen Rückübertragung der Anteile des Klägers an den beiden Fondsgesellschaften und traf die Feststellungen, die Beklagte befinde sich hinsichtlich der jeweiligen Rückübertragung der Anteile im Annahmeverzug und habe den Kläger von sämtlichen Schäden und Nachteilen - insbesondere in Bezug auf Rückforderungsansprüche nach § 172 Abs. 4 HGB - freizustellen. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil teilweise auf, und verwies die die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück. Die weitergehende Revision des Klägers und die Revision der Beklagten hatten keinen Erfolg.

Die Gründe:

Soweit sich die Revision des Klägers auf die Abweisung des auf Rückabwicklung der ersten Tranche des Solar-Fonds im Gegenwert von 19.600 € gerichteten Schadensersatzanspruchs nebst Zinsen bezieht, ist sie zulässig und begründet.

Der Kläger rügt zu Recht, dass die - in dem Beitrittsformular der Fondsgesellschaft enthaltene, für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte - Kenntnisnahmebestätigung als Tatsachenbestätigung gem. § 309 Nr. 12 Halbs. 1 Buchst. b BGB unwirksam ist. Dies gilt ebenfalls für das zugleich mit dieser und weiteren anderen Erklärungen, also nicht isoliert abgegebene Empfangsbekenntnis, auf das § 309 Nr. 12 Halbs. 2 BGB folglich keine Anwendung findet. Gem. § 309 Nr. 12 Halbs. 1 Buchst. b BGB ist eine Bestimmung unwirksam, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, indem er diesen bestimmte Tatsachen bestätigen lässt. Die Ausnahme des Halbsatzes 2 greift nicht ein. Sie gilt nur für das gesondert unterschriebene, einer Quittung gem. § 368 BGB entsprechende Empfangsbekenntnis. Die Erklärung, den Inhalt des Prospekts einschließlich der Risikohinweise zur Kenntnis genommen zu haben, geht hierüber hinaus. Bei einer Kenntnisnahmeklausel handelt es sich um eine Tatsachenbestätigung in Form der Wissenserklärung, die in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 12 Halbs. 1 Buchst. b BGB fällt, soweit sie sich zum Nachteil der Vertragspartei des Verwenders auswirken kann.

Die von § 309 Nr. 12 BGB erfasste Bestimmung, durch die der Verwender "die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert", erschöpft sich nicht in der Umkehr der Beweislast. Die Vorschrift ist ebenfalls einschlägig, wenn die vom Verwender zu erbringende Beweisführung erleichtert oder ein vom Vertragspartner zu erbringender Beweis erschwert wird. Sie erfasst jeden Versuch, die Beweisposition des Kunden zu verschlechtern, auch wenn die Beweislast nicht umgekehrt wird. Entscheidend ist allein, ob die Klausel im Streitfall mögliche Beweiswirkung zu Ungunsten des Kunden entfaltet. Eine solche Wirkung ist erkennbarer Zweck der vom Kläger unterzeichneten Kenntnisnahmebestätigung. Mit der abgegebenen Erklärung wird der vom Kläger zu führende Beweis der Tatsache, nicht über die Risiken des Investments aufgeklärt worden zu sein, erschwert und seine Beweisposition durch die gegen sich gerichtete Bestätigung, deren Unrichtigkeit er zu widerlegen hat, verschlechtert.

Um eine Tatsachenbestätigung, die lediglich die geltende Beweislastverteilung wiedergibt, handelt es sich vorliegend mithin gerade nicht. Damit verbietet es sich zugleich, der abgegebenen Erklärung ungeachtet der Unwirksamkeit der Klausel eine wie auch immer geartete tatsächliche Wirkung zu Lasten des Klägers beizumessen, denn dadurch würde der durch § 309 Nr. 12 BGB bezweckte Schutz unterminiert. Auch das eine bloße Quittungsfunktion erfüllende Empfangsbekenntnis ist nur dann gem. § 309 Nr. 12 Halbs. 2 BGB wirksam, wenn es gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Dies bedeutet in Entsprechung mit Nr. 11 Buchst. a der Vorschrift, dass es getrennt vom sonstigen Vertragstext erteilt werden, mithin räumlich und drucktechnisch deutlich abgehoben sein muss, wobei sich die Unterschrift allein auf das Empfangsbekenntnis als rein tatsächlichen Vorgang der körperlichen Übergabe und Entgegennahme einer Sache beziehen und keine weitere Erklärung umfassen darf. Das ist bei der vom Kläger unterschriebenen, ausdrücklich weitere Erklärungen und Hinweise enthaltenden Empfangsbestätigung gerade nicht der Fall.

Das OLG wird nunmehr im zweiten Rechtsgang die schriftliche Erklärung des Klägers, er habe den Prospekt vollinhaltlich zur Kenntnis genommen, außer Acht zu lassen und sich nur unter Berücksichtigung des sonstigen Parteivortrags mit der Frage zu befassen haben, ob der Kläger den Prospekt rechtzeitig erhalten hat, um sich mit dessen Inhalt auseinandersetzen zu können. Dabei ist nicht auf die Einhaltung bestimmter Fristen, sondern auf die Würdigung der konkreten Einzelfallumstände abzustellen, die insbesondere von der Person des Anlegers und der ihm effektiv zur Verfügung stehenden Zeit beeinflusst sein können. Hatte unter Berücksichtigung dieser Umstände der Anleger genügend Gelegenheit, um sich anhand des Emissionsprospekts zu informieren, oder durfte der Anlageberater hiervon ausgehen, ist dieser nicht gehalten, sich davon zu vergewissern, dass der Anleger von der Möglichkeit zur Information tatsächlich auch Gebrauch gemacht hat.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.02.2019 12:35
Quelle: BGH online

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