10 / 2019

Prof. Dr. Burkhard Binnewies

Schenkungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft: Eine Gesetzesänderung tut Not

Die Frage, ob und in wieweit Vermögenszuwendungen des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen und umgekehrt schenkungsteuerlich relevant sind, ist seit Jahrzehnten heftig umstritten. Mit Urteil vom 30.1.2013 (II R 6/12, BStBl. II 2013, 930 = GmbHR 2013, 486) hat der BFH entschieden, dass Vermögensübertragungen der Gesellschaft an den Gesellschafter – gleich ob kongruent oder inkongruent – keine Schenkung begründen können, da ein Schenkungsverhältnis durch das Gesellschaftsverhältnis grundsätzlich verdrängt wird. Dies gilt auch umgekehrt. Einlagen der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen können zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ebenfalls keine Schenkung auslösen. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG sieht in dieser Konstellation allerdings eine Schenkung des Zuführenden an die Gesellschafter vor, wenn durch die Vermögenszuführung eine Wertsteigerung in den Anteilen der Gesellschafter zu verzeichnen ist. Mit Urteilen vom 13.9.2017 (II R 42/16, BStBl. II 2018, 299 = GmbHR 2018, 275; II R 54/15, BStBl. II 2018, 292 = GmbHR 2018, 280; II R 32/16, BStBl. II 2018, 296 = GmbHR 2018, 279) hat der BFH entschieden, dass eine vGA an eine dem Gesellschafter nahstehende Person regelmäßig keine Schenkung der Gesellschaft an die nahstehende Person darstellt, sondern zu prüfen ist, ob eine Schenkung des Gesellschafters an die nahstehende Person vorliegt.

Diese Entscheidung widersprach in der veröffentlichten Auffassung der Finanzverwaltung, so dass sich die Finanzverwaltung veranlasst sah mit dem Erlass vom 20.4.2018 zu reagieren.

Trotz der Urteile des BFH und trotz des Erlasses vom 20.4.2018 besteht in der Praxis insbesondere aufgrund der überschießenden Formulierung des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG große Rechtsunsicherheit. Bislang hatte ich den Eindruck, dass die Finanzverwaltung mit der Norm des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG jedenfalls dann „maßvoll umgeht“, wenn es sich bei den Beteiligten um fremde Dritte handelt. Durch Vertreter der Finanzverwaltung wurde ich zwischenzeitlich eines Besseren belehrt. Die Landungsrechnungshöfe haben die zurückhaltende Anwendung von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG kritisiert. Daraufhin wurden insbesondere die ertragsteuerlich orientierten Prüfer entsprechend geschult, so dass in der Zukunft vermehrt mit Mitteilungen aus Betriebsprüfungen, die sich mit der Ertragsteuer beschäftigen, an die Schenkungsteuerfinanzämter zu rechnen ist. Zahlreiche offene Fragen, insbesondere bezüglich der Anwendung von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG werden daher künftig ausgestritten werden müssen. Einige Beispiele:

  • Großmutter G überweist 100.000 € an die GmbH, an der ihre beiden Enkel beteiligt sind. Dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nach ist dies eine Schenkung der Großmutter an die GmbH. Nach dem Wortlaut von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist dies eine Schenkung der Großmutter an die Enkel. Obgleich § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG keinen subjektiven Tatbestand vorsieht, ist m.E. nach der subjektiven Zielrichtung der Zuwendung der Großmutter davon auszugehen, dass es sich um eine Schenkung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG an die Enkel handelt. Der Erlass der Finanzverwaltung ist diesbezüglich nicht eindeutig.

  • Ein fremder Dritter überweist 100.000 € an die GmbH (z.B. Pflegeheim-Fall). Auch hier ist sowohl der Wortlaut von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als auch der Wortlaut von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfüllt. M.E. ist wiederum nach der subjektiven Zielrichtung der Zuwendung zu entscheiden. Hat der Zuwendende keine Nähebeziehung zu dem hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter geht § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Grundtatbestand vor. Auch diesbezüglich ist der Erlass der Finanzverwaltung nicht eindeutig. Geht man zutreffenderweise von einer Zuwendung des fremden Dritten an die GmbH aus, ist die ganz herrschende Meinung der Auffassung, dass die Schenkung an die Gesellschaft schenkungsteuerlich zu erfassen ist und daneben ertragsteuerlich eine betriebliche Vermögensmehrung vorliegt. M.E. kann mangels Privatsphäre der Kapitalgesellschaft eine Schenkung nicht angenommen werden. Der fremde Dritte unterstützt den Unternehmensgegenstand der Gesellschaft. Anderenfalls würde er die Zuwendung nicht tätigen. Dies ist abstrakte Gegenleistung, die m.E. eine Schenkung ausschließt. Wie der Pflegeheim-Fall zeigt – und hier war sogar eine Geschäftsbeziehung zwischen Erblasser und erbender GmbH gegeben – wird dies von Finanzverwaltung und Finanzrechtsprechung anders gesehen (BFH v. 6.12.2016 – I R 50/16, BStBl. II 2017, 324 = GmbHR 2017, 377 m. Anm. Binnewies).

  • A und B sind zu jeweils 50 % an der GmbH beteiligt. A wird als Gesellschafter-Geschäftsführer unentgeltlich für die Gesellschaft tätig. Die Finanzverwaltung subsumiert diesen Vorgang auch unter § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG und kommt ggf. zu einer Schenkung des A an den B. M.E. indiziert die Formulierung „Leistung in das Vermögen der Gesellschaft“, dass es sich bei der Vermögenszuwendung um ein einlagefähiges Wirtschaftsgut handeln muss. Die Finanzverwaltung sieht dies anders. Das ist eine für die Praxis unerträgliche Situation. Ist das Geschäftsführungsgehalt zu hoch haben wir das Problem der vGA, ist das Geschäftsführungsgehalt zu niedrig haben wir das Problem der Schenkung.

  • A ist Alleingesellschafter-Geschäftsführer der GmbH. Im Namen der Gesellschaft erwirbt er ein Grundstück zum Kaufpreis von 50.000 €, welches einen Verkehrswert i.H.v. 100.000 € hat. Auch hier ist der Wortlaut von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erfüllt. Wird der „Lucky Deal“ einer Kapitalgesellschaft also künftig von der Finanzverwaltung als Schenkung an die hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter aufgegriffen?

  • Ertragsteuerlich ist nach langem Streit nunmehr mit § 3a EStG das Sanierungs-Privileg wieder in das Gesetz aufgenommen. Schenkungsteuerlich kann der Gläubigerverzicht ebenfalls zu einer Schenkung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG führen.

All diese Beispiele zeigen, dass der Wortlaut des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG völlig überschießend ist. In Rz. 3.3 des Erlasses vom 20.4.2018 versucht die Finanzverwaltung der Praxis Aspekte an die Hand zu geben, mit denen gegen eine Schenkung argumentiert werden kann. Insoweit hängen die Steuerpflichtigen „am Fliegenfänger der Finanzverwaltung“, da es sich um Aspekte handelt, die im Wortlaut des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG keinen Niederschlag finden. Wie dies durch die Rechtsprechung gesehen wird, haben wir im Zusammenhang mit den Erlassen der Finanzverwaltung zur Sanierungs-Besteuerung und der Nichtanerkennung derselben durch die Finanzgerichte leidvoll erfahren.

Das Kernproblem des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist der Umstand, dass das Gesetz anders als in Satz 2 keinen subjektiven Tatbestand vorsieht, sondern eine abstrakte Fiktion beinhaltet. Damit ist der Grundsatz „fremde Dritte schenken sich nichts“ außer Kraft gesetzt. Bei dem weitgehenden Wortlaut des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist nicht zu erwarten, dass der Anwendungsbereich durch eine teleologische Reduktion der Finanzgerichte eingegrenzt wird. Um systemwidrige und untragbare Ergebnisse, deren Sachwidrigkeit zum Himmel steigt zu verhindern, muss der Gesetzgeber handeln.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 22.05.2019 11:52