BGH v. 2.5.2019 - IX ZR 67/18

Beseitigung einer in der Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens liegenden Gläubigerbenachteiligung?

Die in der Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens liegende Gläubigerbenachteiligung wird nicht beseitigt, indem der Gesellschafter die empfangenen Darlehensmittel zwecks Erfüllung einer von ihm übernommenen Kommanditeinlagepflicht an die Muttergesellschaft der Schuldnerin weiterleitet, welche der Schuldnerin anschließend Gelder in gleicher Höhe auf der Grundlage einer von ihr übernommenen Verlustdeckungspflicht zur Verfügung stellt.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Antrag vom 4.12.2013 über das Vermögen der P-GmbH (Schuldnerin) am 1.2.2014 eröffneten Insolvenzverfahren.

Der Beklagte war Geschäftsführer der Schuldnerin. Ferner war er alleiniger Kommanditist der Muttergesellschaft der Schuldnerin, der P. GmbH & Co. KG (Muttergesellschaft). Zudem war er Alleingesellschafter der P. Verwaltungs-GmbH, der einzigen Komplementärin der Muttergesellschaft. Nach Maßgabe eines am selben Tag geschlossenen Vertrages gewährte der Beklagte der Schuldnerin am 20.2.2013 ein Darlehen über 100.000 €. Die Schuldnerin zahlte den Darlehensbetrag am 7.3.2013 an den Beklagten zurück. Nach Erhalt der Mittel entrichtete der Beklagte ebenfalls noch am 7.3.2013 als Kommanditeinlage 100.000 € an die Muttergesellschaft, die ihrerseits unmittelbar nachfolgend an diesem Tag eine Verlustausgleichszahlung über 100.000 € an die Schuldnerin erbrachte.

Der Kläger nimmt - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - den Beklagten auf der Grundlage von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf Zahlung von 100.000 € in Anspruch. LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers änderte der BGH die Entscheidungen der Vorinstanzen ab und verurteilte die Beklagte an den Kläger weitere 100.000 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Gründe:
Die Kreditgewährung durch den Beklagten i.H.v. 100.000 € an die Schuldnerin ist anfechtungsrechtlich als Gesellschafterdarlehen zu behandeln.

Alleingesellschafterin der Schuldnerin ist ihre Muttergesellschaft. Der Beklagte ist einziger Kommanditist der Muttergesellschaft und zugleich Alleingesellschafter ihrer Komplementär-GmbH. Damit ist der Beklagte wirtschaftlich betrachtet Alleingesellschafter der Schuldnerin, so dass ein von ihm gewährtes Darlehen der Regelung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unterfällt. Auch die weiteren Voraussetzungen der Regelung sind gegeben. Die Schuldnerin hat das am 20.2.2013 erhaltene Darlehen ausgehend von dem am 4.12.2013 gestellten Insolvenzantrag innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO am 7.3.2013 dem Beklagten erstattet. Die mit der Darlehensrückzahlung verbundene Gläubigerbenachteiligung wurde nicht vor der Verfahrenseröffnung beseitigt. Eine zunächst eingetretene Gläubigerbenachteiligung kann nachträglich dadurch wieder behoben werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführt.

Die durch die Darlehensrückzahlung vom 7.3.2013 eingetretene Gläubigerbenachteiligung wurde nicht behoben, indem der Beklagte unmittelbar danach eine Kommanditeinlage i.H.v. 100.000 € gegenüber der Muttergesellschaft beglich, die ihrerseits alsbald eine Verlustausgleichsleistung über 100.000 € an die Schuldnerin entrichtete. Durch die Zahlung des Beklagten an die Muttergesellschaft zwecks Erfüllung seiner Kommanditeinlageverpflichtung wurde die bei der Schuldnerin eingetretene Gläubigerbenachteiligung nicht behoben. Adressat und Zweck der Zahlung stehen einer Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung bei der Schuldnerin entgegen. Die Gläubigerbenachteiligung wurde ebenfalls nicht beseitigt, indem die Muttergesellschaft nach der Zahlung des Beklagten über 100.000 € in gleicher Höhe Mittel an die Schuldnerin entrichtet hat. Die Voraussetzungen einer mittelbaren Zuwendung durch den Beklagten fehlen, weil die Muttergesellschaft nicht auf Weisung des Beklagten tätig wurde und zudem mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit aus Verlustdeckungshaftung getilgt hat.

Der Beklagte hat die Muttergesellschaft nicht als Leistungsmittlerin eingeschaltet, um durch eine von ihr in seinem Interesse bewirkte Zahlung von 100.000 € die bei der Schuldnerin eingetretene Gläubigerbenachteiligung zu beseitigen. Zudem hat die Muttergesellschaft mit ihrer Zahlung an die Schuldnerin nicht die infolge der Rückerstattung des Darlehens an den Beklagten ausgelöste Gläubigerbenachteiligung beseitigt, sondern ihrer Verlustdeckungshaftung genügt. Eine mittelbare Zuwendung scheidet aus, wenn die Zwischenperson mit ihrer Leistung an den Gläubiger eine eigene Verbindlichkeit zu tilgen sucht. Die Muttergesellschaft verfolgte mit der Zahlung einen sie selbst betreffenden Erfüllungszweck. Es ging ihr darum, eine eigene Verpflichtung, die von ihr übernommene Verlustdeckungshaftung, zu bereinigen.

Dabei ist es ohne Bedeutung, dass die Muttergesellschaft ihrer Verbindlichkeit wirtschaftlich nur aufgrund der vorherigen Erbringung der Kommanditeinlage durch den Beklagten entsprechen konnte. Zweck der Einlageleistung ist es gerade, die Gesellschaft in den Stand zu setzen, ihren Schulden, auch aus einer Verlustübernahme, genügen zu können. Dank der Einlagezahlung des Beklagten hat die Muttergesellschaft die von ihr übernommene Verlustdeckungshaftung bei der Schuldnerin ausgeglichen. Hingegen hat sie die Mittel nicht zugunsten des Beklagten im Wege einer mittelbaren Zuwendung zu dem Zweck an die Schuldnerin weitergeleitet, den Darlehensvertrag wiederherzustellen. Wurde auf eine eigene Verbindlichkeit der Muttergesellschaft gezahlt, scheidet ein Tätigwerden im Interesse des Beklagten aus. Bei dieser Sachlage wurden die Darlehensmittel von dem Beklagten nicht erneut der Schuldnerin zur Verfügung gestellt.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.06.2019 10:51
Quelle: BGH online

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