13 / 2019

Kerstin Deiters, LL.M., EMBA

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Mitarbeiterbefragungen

In der Praxis stellt sich für die Betriebsparteien und damit auch für die zur Klärung angerufenen Arbeitsgerichte immer wieder die Frage nach der Reichweite der Mitbestimmung des Betriebsrats im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen. So hatte sich das BAG in seiner jüngst ergangenen Entscheidung erneut mit dieser praxisrelevanten Thematik und insbesondere mit der Frage zu befassen, inwiefern dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht im Hinblick auf den zur Befragung der Mitarbeiter eingesetzten Fragenkatalog zusteht (BAG, Beschl. v. 11.12.2018 – 1 ABR 13/17).

Das BAG geht in seiner Entscheidung von dem Grundsatz aus, dass auch freiwillige und anonymisierte Mitarbeiterbefragungen mittels technischer Einrichtungen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegen. Sofern diesem Erfordernis bei Einführung der technischen Einrichtung Genüge getan wird, besteht jedoch bei einer Änderung des verwendeten Fragenkatalogs kein erneutes Mitbestimmungsrecht.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall führte die Antragsgegnerin – eine Konzernobergesellschaft eines Post- und Logistikunternehmens – seit 2007 eine jährliche konzernweite Mitarbeiterbefragung mittels eines einheitlichen elektronischen Standardfragebogens durch. Die Teilnahme war freiwillig und im Hinblick auf die Teilnehmer anonymisiert. Mit der Durchführung der Befragung wurde ein Drittunternehmen beauftragt. Bei der Arbeitgeberin ist ein Konzernbetriebsrat errichtet. Die für die Umfrage verwendete elektronische Plattform wurde auf der Grundlage einer Konzernbetriebsvereinbarung eingerichtet. Die im Jahr 2015 durchgeführte Befragung enthielt u.a. gegenüber dem Fragenkatalog im Vorjahr teilweise abgeänderte Fragen zum Verhalten des/der direkten Vorgesetzten. Diese Änderung sah der Konzernbetriebsrat als mitbestimmungspflichtig an. Er war der Auffassung, dass die beanstandete Befragung dem Arbeits- und Gesundheitsschutz unterliege. Zudem handele es sich um Personalfragebögen bzw. Beurteilungsgrundsätze. Er beantragte die Feststellung, dass ihm bei der Erstellung und Durchführung der Mitarbeiterbefragung 2015 ein Mitbestimmungsrecht zustehe und dass die Erhebung und Erfassung von Daten mittels Personalfragebogen in Form der Mitarbeiterbefragung 2015 nach § 94 Abs. 1 BetrVG unzulässig sei.

Das BAG hat die Rechtsbeschwerde des Konzernbetriebsrates vollumfänglich zurückgewiesen.

Zwar fehle es, so das BAG, dem Konzernbetriebsrat nicht an einer Regelungszuständigkeit für die beanspruchte Angelegenheit. Wie bereits in seiner Entscheidung vom 21.11.2017 ausgeführt, setze die Mitbestimmung des Betriebsrates auf der Ebene ein, auf der die Entscheidungskompetenz in der betreffenden Angelegenheit liege. Bei einer Maßnahme der Konzernleitung sei – eine Mitbestimmungspflicht der Maßnahmen unterstellt – der Konzernbetriebsrat zu beteiligen (BAG, Beschl. v. 21.11.2017 – 1 ABR 47/16).

Nach Ansicht des BAG ergab sich aber insbesondere kein Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Diese Norm gewährt zwar dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, sofern es um die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen geht, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Nach Ansicht des BAG stellt das im vorliegenden Fall verwendete IT-System EOS eine technische Einrichtung dar, die grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege. Allerdings sei die für die Mitarbeiterbefragung verwendete Plattform mitbestimmt eingeführt worden.

Soweit der Konzernbetriebsrat die Auffassung vertrat, dass die nachträgliche Änderung des Fragenkatalogs ein (erneutes) Mitbestimmungsrecht auslöse, fand dies nicht die Zustimmung des BAG. Die Änderung der Fragen zum Verhalten des/der direkten Vorgesetzten führe nicht zu einer Änderung der technischen Einrichtung, weswegen eine erneute Mitbestimmung nicht erforderlich sei. Die Datenerhebung und -auswertung seien bereits im Informationsblatt des eingesetzten IT-Systems detailliert beschrieben. Aus der dort vorgesehenen Verknüpfung ergebe sich zwar, so das BAG, dass der jeweilige Vorgesetzte im Gegensatz zu den Teilnehmern durchaus individualisierbar sei. Diese – unzureichende Anonymisierung – folge indes nicht aus der Änderung des Fragenkatalogs, sondern sei im – durch den Betriebsrat mitbestimmten – IT-System bereits angelegt. Der Konzernbetriebsrat habe daher der unzureichenden Anonymisierung bereits zugestimmt. Sofern er diesen Umstand ändern wolle, bleibe es ihm unbenommen, die Konzernbetriebsvereinbarung zu kündigen und eine neue Vereinbarung zu erzwingen.

Darüber hinaus stellt das BAG fest, dass die Mitarbeiterbefragung bzw. deren Änderung auch nicht aufgrund anderweitiger Normen mitbestimmungspflichtig gewesen sei.

Zum einen handele es sich wegen der Freiwilligkeit und Anonymisierung der an der Befragung teilnehmenden Mitarbeiter nicht um nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.

Zum anderen seien von der Modifizierung keine Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes betroffen, aus denen sich ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben könne. Es handele sich nämlich nicht um die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung oder einer Maßnahme des Arbeitsschutzes.

Im Übrigen sei der verwendete Fragebogen entgegen der Ansicht des Konzernbetriebsrates nicht als Personalfragebogen oder Beurteilungsgrundsatz zu qualifizieren, so dass auch keine Mitbestimmungspflicht nach § 94 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BetrVG bestehe. Dies ergebe sich bereits aus der Freiwilligkeit der Teilnahme an der Befragung. Im Übrigen würden bezüglich der Fragen zum Verhalten der direkten – unbenannten – Vorgesetzten nur subjektive Wertungen abgefragt. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern abstrakt-generelle Beurteilungsmerkmale oder -kriterien aufgestellt würden, anhand derer ein konzernweites Beurteilungsschema eingeführt werde.

Mit dieser Entscheidung knüpft das BAG nahtlos an den Beschluss vom 21.11.2017 (BAG, Beschl. v. 21.11.2017 – 1 ABR 47/16) an. Bereits in dieser Entscheidung hatte das BAG festgestellt, dass bei einer konzernweiten, auf einer Entscheidung der Konzernleitung beruhenden Mitarbeiterbefragung dem örtlichen Betriebsrat keine Regelungskompetenz zukomme. Wörtlich formulierte der Senat prägnant, dass dort, „wo nichts bestimmt wird, auch nichts durch den Betriebsrat mitzubestimmen“ sei.

Auch im Hinblick auf das materielle Mitbestimmungsrecht ergeben sich keine Abweichungen zu der vorherigen Entscheidung des BAG. So hat das BAG im Beschluss vom 21.11.2017 festgestellt, dass die für eine freiwillige Mitarbeiterbefragung verwendeten Fragenbögen zu den Themen „Ihre Arbeitsumgebung“ und „Ihre Arbeitsbedingungen“ nicht als mitbestimmungspflichtige Personalfragebögen zu qualifizieren seien. Dies begründet das BAG mit dem Schutzzweck des § 94 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der dem präventiven Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer diene, soweit dieses durch Fragen des Arbeitgebers nach persönlichen Verhältnissen, Eigenschaften und Fähigkeiten beeinträchtigt werden könne. Dieses Recht sei allerdings durch eine freiwillige Mitarbeiterbefragung nicht betroffen.

Auch eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG verneint das BAG konsequent dort, wo aufgrund der Freiwilligkeit der Befragung sowie der Anonymität keine ortsgebundenen arbeitsplatz-, arbeitstätigkeits- oder arbeitsbereichsbezogene Schlüsse über Arbeitsbedingungen im Betrieb möglich sind.

Demnach sind Mitarbeiterbefragungen in freiwilliger und anonymisierter Form auch ohne Beteiligung des Betriebsrats möglich. Dabei macht es aus Sicht des BAG keinen Unterschied, ob für die Umfrage elektronische Fragebögen oder solche im Papierformat verwendet werden. In beiden Fällen hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf den verwendeten Fragenkatalog. Anders ist dies in Bezug auf die Einführung eines IT-Systems zu beurteilen, mit dem die Datenerhebung und -auswertung erfolgt. Diese unterliegt der Mitbestimmung des zuständigen Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

Welcher Betriebsrat im Einzelfall zu beteiligen ist, hängt davon ab, auf welcher Ebene die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der betroffenen Maßnahme liegt.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 03.07.2019 14:57