Aktuell in der GmbHR

Digitales Geschäftsmodell als steuerlicher Wettbewerbsfaktor (Hidien/Versin, GmbHR 2019, 759)

Die Frage der Besteuerung digitaler Unternehmen nimmt derzeit in der öffentlichen Diskussion einen breiten Raum ein. Dabei liegt der Fokus regelmäßig bei den Wirtschaftsgiganten Google, Apple, Facebook und Amazon, die unter der Abkürzung GAFA zusammengefasst werden. Die Frage, wie digitale Geschäftsmodelle besteuert werden, darf aber nicht auf die Suche nach der gerechten Ertragsteuerlast für diese Big Four reduziert werden, sondern berührt auch den Mittelstand. Nach zutreffender Einschätzung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sollten auch mittelständische Unternehmen schon heute ihre Geschäftsmodelle auf die Kunden des digitalen Morgen ausrichten, um auch künftig wettbewerbsfähig zu sein. Damit rückt die Frage der steuerlichen Rahmenbedingungen für digitale Geschäftsmodelle in den Mittelpunkt aller zukunftsorientierten Wirtschaftsunternehmen.

I. Einführung

1. Begriff des digitalen Geschäftsmodells

2. Differenzierung nach Steuerarten

a) Umsatzsteuer

b) Ertragsteuern

II. Internet der Plattformen: neue und alte Geschäftsmodelle

1. Kunde als User von elektronischen Marktplätzen

2. Überblick über typische Geschäftsmodelle

a) Mehrseitige Plattformen

b) Wiederverkäufer

c) Vertikal integrierte Unternehmen

d) Vorleistungslieferanten

III. Versuch der Einführung einer EU-Digitalsteuer

1. Digitale Betriebsstätte und Digitalsteuer

a) Initiativen der EU-Kommission

b) Digitale Betriebsstätte

c) Digitalsteuer

aa) Steuertatbestand

bb) Keine Einstimmigkeit im Rat

2. Gründe für die Ablehnung der DST und Folgen

a) Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF

b) Nationale Alleingänge einiger EU-Staaten

c) Wettbewerbsrecht oder internationales Steuerrecht als Lösungspfad?

d) Nationaler, europäischer und internationaler  Steuerwettbewerb

IV. Neue internationale Reformvorschläge der OECD: BEPS 2.0

1. Hintergrund der Steuerreformdiskussion

a) Initiativen der OECD

b) Digitalisierung der Wirtschaft als steuerpolitische Herausforderung

c) Ziele

d) Mehrwertsteuerrechtlicher oder ertragsteuerrechtlicher Lösungsansatz?

V. Fazit
 

I. Einführung

1. Begriff des digitalen Geschäftsmodells

Die sog. Digitalisierung durchdringt zunehmend Staat und Gesellschaft und die Wirtschaft der Gesellschaft. Zu unterscheiden ist zunächst noch zwischen der traditionellen Wirtschaft und den digitalen Geschäftsmodellen, die namentlich die großen digitalen Unternehmen befördern. Digitale Unternehmen wachsen weitaus stärker als die Wirtschaft insgesamt. Dieser Trend besteht schon seit vielen Jahren und setzt sich mit ungeminderter Intensität fort. Die Abgrenzung zwischen der traditionellen und der digitalen Wirtschaft ist schwierig, da auch die sog. traditionelle Wirtschaft schon derzeit verstärkt auf Internetpräsenz setzt. Für viele stationäre Einzelhändler werden eine Internetpräsenz und ein Onlineshop immer wichtiger; andere Einzelhändler verkaufen ihre Ware ausschließlich im Onlinehandel und sparen sich die Kosten für den Betrieb eines Ladenlokals. Große Industrieunternehmen stellen zwar teilweise noch Produkte her, die man buchstäblich in der Hand hält, sind aber gleichzeitig voll digitalisiert (z.B. Digital Industries von Siemens).

Der Kern eines Geschäftsmodells eines Digitalunternehmens unterscheidet sich vielfach nicht vom klassischen Geschäftsmodell. Früher wurden z.B. beim Versandhandel Kataloge versandt und der Kunde hat dann angerufen und bestellt. Der digitalisierte Versandhandel hat diese Kataloge ins Internet platziert, wobei die Versendung aber immer noch vergleichbar ist mit der herkömmlichen Abwicklung. Digital ist vor allem die Verarbeitung von Daten zur Effizienzsteigerung in allen Bereichen der Wertschöpfungskette, vom Einkauf, der Logistik, dem Marketing bis zur Kundenanalyse. Das Internet hat eine höhere Reichweite als der Katalog und ermöglicht eine bessere und gezieltere Kundenwerbung. Zwar gibt es teilweise auch neue Geschäftsmodelle, die auf Digitalisierung beruhen, aber gerade in Deutschland steht vor allem die Effizienzsteigerung bestehender Geschäftsmodelle im Vordergrund. Die Wertschöpfung („value creation“) im Sinne von wirtschaftlicher Leistung eines Warenversandhandels erfolgt im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens, die Waren werden dann nach Bestellung in andere EU-Staaten und Drittstaaten versandt. Während die Warenlieferung immer noch einen Übergang aus der digitalen in die physische Welt bedingen und ggf. einen Grenzübergang erfordern, können Dienstleistungen heute auch auf technischem Weg, quasi grenzenlos erbracht werden. Betroffen sind schon lange grenzüberschreitende Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen. Die eigentlichen „elektronisch erbrachten Dienstleistungen“, die einen Schwerpunkt der Digitalwirtschaft bilden, umfassen Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre.

Beispiele sind derzeit etwa: Überlassung digitaler Produkte, z.B. Software und zugehörige Änderungen oder Upgrades; Dienste, die in elektronischen Netzen eine Präsenz zu geschäftlichen oder persönlichen Zwecken, z.B. eine Website, vermitteln oder unterstützen; die Einräumung des Rechts, gegen Entgelt eine Leistung auf einer Website, die als Online-Marktplatz fungiert, zum Kauf anzubieten, wobei die potenziellen Käufer ihr Gebot im Wege eines automatisierten Verfahrens abgeben und die Beteiligten durch eine automatische, computergenerierte E-Mail über das Zustandekommen eines Verkaufs unterrichtet werden; Internet-Service-Pakete, die Nachrichten, Wetterbericht, Reiseinformationen, Spielforen, Webhosting, Zugang zu Chatlines usw. umfassen; die Bereitstellung von Werbeplätzen, z.B. Bannerwerbung auf Websites; Webhosting; automatisierte Online-Fernwartung von Programmen; Fernverwaltung von Systemen; Online-Data-Warehousing (Datenspeicherung und -abruf auf elektronischem Wege); Online-Bereitstellung von Speicherplatz nach Bedarf (cloud-computing). Die technischen Möglichkeiten und Folgen der Datenverarbeitung, die selbstlernende künstliche Intelligenz, Blockchain oder Quantencomputer eröffnen werden, sind noch kaum absehbar.

2. Differenzierung nach Steuerarte

a) Umsatzsteuer

Hinsichtlich der Besteuerung bzw. des Besteuerungsorts dieser grenzüberschreitenden Leistungen internationaler Unternehmen ist traditionell zwischen der indirekten Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer mit Vorsteuerabzug (Mehrwertsteuer) und den (direkten) Ertragsteuern zu unterscheiden. Die Mehrwertsteuer besteuert Umsätze und beruht als Verbrauchsteuer auf dem Bestimmungslandprinzip, d.h. grenzüberschreitende Waren und Dienstleistungen hat das Unternehmen grundsätzlich im Bestimmungsland und Sitzland des Empfängers und Verbrauchers mit dem dortigen Steuersatz anzubieten, da die Leistung dort „vermarktet“ und konsumiert wird. Unternehmerische Kunden werden durch das Prinzip des Vorsteuerabzugs entlastet, private Kunden endgültig belastet. Das deutsche Umsatzsteuergesetz realisiert und konkretisiert das Bestimmungslandprinzip entsprechend dem ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.07.2019 09:53
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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