BGH v. 6.8.2019 - X ARZ 317/19

Gerichtsstand für Ansprüche aus § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB

Für Ansprüche aus § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB ist gem. § 29 Abs. 1 ZPO ein Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft begründet. Zahlungsverpflichtungen eines Geschäftsführers gegenüber der GmbH sind grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen.

Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer im Handelsregister des AG Flensburg eingetragenen GmbH & Co. KG. Die Antragsgegner, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in den Bezirken unterschiedlicher LG (Hamburg und Itzehoe) haben, waren Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin.

Der Antragsteller machte geltend, die Schuldnerin sei mindestens seit April 2013 zahlungsunfähig gewesen. Er beabsichtigte, die Antragsgegner gem. § 177a und § 130a HGB auf Erstattung von Zahlungen i.H.v. 100.127 € in Anspruch zu nehmen, die diese im betreffenden Zeitraum für die Schuldnerin geleistet hatten, und beantragte, das LG Hamburg als zuständiges Gericht zu bestimmen.

Das vorlegende Gericht möchte diesen Antrag ablehnen, da nach seiner Auffassung ein gemeinsamer Gerichtsstand am Sitz der Schuldnerin bestehe. Es sieht sich daran allerdings durch eine Entscheidung des OLG Naumburg gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH vorgelegt. Diese hat den Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts abgelehnt.

Gründe:
Die Vorlage ist zwar zulässig. Denn mit der von ihm beabsichtigten Entscheidung würde das vorlegende Gericht von Entscheidungen der OLG Naumburg und Stuttgart abweichen. Der Zulässigkeit steht dabei nicht entgegen, dass die genannten Gerichte die Frage, ob die geltend gemachten Verpflichtungen am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen sind und deshalb ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand begründet ist, offengelassen und schon deshalb einen Gerichtsstand gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt haben, weil sie diese Frage als rechtlich zweifelhaft angesehen haben.

Der Antrag auf Bestimmung eines zuständigen Gerichts ist allerdings unbegründet, da für die beabsichtigte Klage gem. § 29 Abs. 1 ZPO ein gemeinsamer Gerichtsstand am Sitz der Schuldnerin begründet ist. Zu Recht hat das vorlegende Gericht eine Gerichtsstandbestimmung nicht schon deshalb als zulässig angesehen, weil die Frage, ob für eine Klage gegen den Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft auf Ersatz einer nach Ein-tritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlung (§ 64 Satz 1 GmbHG, § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 sowie § 177a HGB) der Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO) begründet ist, in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird. Nach BGH-Rechtsprechung kann eine Gerichtsstandbestimmung aber schon dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen für das Bestehen eines gemeinsamen Gerichtsstands nicht zuverlässig festgestellt werden können.

Letzteres kommt etwa in Betracht, wenn die Zuständigkeit an bestimmte Handlungen anknüpft, die Tatbeiträge der einzelnen Beklagten unterschiedlich sind und dem Klagevorbringen nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist, ob es einen Ort gibt, an dem die Zuständigkeitsvoraussetzungen im Hinblick auf alle Antragsgegner erfüllt sind. Entsprechendes kann gelten, wenn die Beurteilung der Zuständigkeit allein von Rechtsfragen abhängt und das Gericht, bei dem ein gemeinsamer Gerichtsstand begründet sein könnte, seine Zuständigkeit bereits abgelehnt hat. Der Umstand, dass eine für die Zuständigkeit erhebliche Rechtsfrage in Literatur und Instanzrechtsprechung umstritten ist, reicht für sich gesehen indes nicht aus, um hinreichende Zweifel in diesem Sinne zu begründen.

Für Ansprüche aus § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB ist gem. § 29 Abs. 1 ZPO ein Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft begründet. Ein auf diese Grundlage gestützter Anspruch beruht auf einem Vertragsverhältnis i.S.v. § 29 Abs. 1 ZPO. Erfüllungsort für den Anspruch ist grundsätzlich der Ort, an dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. Zahlungsverpflichtungen eines Geschäftsführers gegenüber der GmbH sind grundsätzlich am Sitz der Gesellschaft zu erfüllen. Grund hierfür ist die besondere Bindung zwischen den Beteiligten, die - anders als bei reinen Austauschgeschäften - den Geschäftsführer verpflichtet, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich am Betriebssitz die gesamte betriebliche Einrichtung für die Abwicklung von Zahlungen befindet und die Bücher geführt werden. Dies gilt auch für Schadensersatzansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Für Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG oder § 130a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB kann auch unter diesem Aspekt nichts Anderes gelten.

Linkhinweise:


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.08.2019 13:46
Quelle: BGH online

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