Aktuell in der GmbHR

Die Haftung gem. § 64 Satz 1 und 3 GmbHG, insbesondere die eingetretene beziehungsweise herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung der Haftung (Porzelt, GmbHR 2019, 1037)

In dem Beitrag werden zunächst allgemein, von der Haftungsvoraussetzung der Zahlungsunfähigkeit abgesehen, die Grundsätze der Haftung der Geschäftsführer gem. § 64 Satz 1 und 3 GmbHG dargestellt. Danach wird speziell die für die Haftung gem. § 64 Satz 1 GmbHG erforderliche eingetretene Zahlungsunfähigkeit, insbesondere unter Berücksichtigung der Klarstellung des BGH zu den Passiva II, erläutert und sodann die sehr umstrittene, aber zu verneinende Frage, ob es Zahlungen gibt, die als die Voraussetzung der Haftung gem. § 64 Satz 3 GmbHG die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen können.

I. Einleitung

II. Die Haftung gem. § 64 Satz 1 und 3 GmbHG

1. Die Haftung gem. § 64 Satz 1 GmbHG

a) Die Voraussetzungen der Haftung

b) Die Folge der Haftung

2. Die Haftung gem. § 64 Satz 3 GmbHG

III. Die eingetretene beziehungsweise herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung der Haftung

1. Die eingetretene Zahlungsunfähigkeit

2. Die herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit

IV. Zusammenfassung


I. Einleitung

Die Rechtsnatur des Anspruchs gem. § 64 Satz 1 GmbHG ist umstritten. Nach der Ansicht des BGH und der herrschenden Lehre handelt es sich um einen insolvenzrechtlichen Anspruch eigener Art mit dem Zweck – im Unterschied zur Insolvenzverschleppungshaftung als Außenhaftung der Geschäftsführer gegenüber den Neugläubigern gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO – zugunsten der im Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Gesellschaft, also der Insolvenzreife, bereits anspruchsberechtigten Altgläubiger das Gesellschaftsvermögen vor der Masseverkürzung zu schützen. Im Gegensatz zu dieser Trennungslehre wird, allerdings in unterschiedlicher Weise, eine Einheitslehre auf der Grundlage einer Schadensersatzpflicht vertreten: Für Karsten Schmidt ist § 64 Satz 1 GmbHG ein Bestandteil der auf den Quoten(verschlechterungs)schaden der Alt- und Neugläubiger beschränkten Haftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO, der lediglich die Bedeutung einer Beweiserleichterung hat, weil es vorbehaltlich des Gegenbeweises ausreichen soll, die nach dem Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen darzulegen. Altmeppen entnimmt § 64 Satz 1 GmbHG die abschließende Regelung der Pflicht zum Ausgleich der nach der Insolvenzreife entstandenen Verluste. Für die Trennungs- und gegen die Einheitslehre spricht aber bereits die Regelung der Insolvenzantragspflicht gem. § 15a Abs. 1 InsO und des Anspruchs nach § 64 Satz 1 GmbHG in verschiedenen Gesetzen. Der gegen die herrschende Lehre gerichtete Vorwurf der unverhältnismäßigen Haftungsfolgen ist wegen der grundsätzlich möglichen Berücksichtigung von Gegenleistungen nicht gerechtfertigt. Außerdem erkennen auch die Vertreter der Einheitslehre 64 Satz 3 GmbHG als Anspruch eigener Art an.

II. Die Haftung gem. § 64 Satz 1 und 3 GmbHG

1. Die Haftung gem. § 64 Satz 1 GmbHG

a) Die Voraussetzungen der Haftung

Die Geschäftsführer, auch der UG (haftungsbeschränkt), einschließlich der faktischen Geschäftsführer, gem. § 71 Abs. 4 GmbHG die Liquidatoren und wegen der insolvenzrechtlichen Rechtsnatur des Anspruchs die Geschäftsleiter von Auslandsgesellschaften mit Sitz im Inland haften nicht nur gem. § 64 Satz 1 GmbHG für die eigenen Zahlungen nach dem Eintritt der Insolvenzreife, sondern auch für die ihnen zuzurechnenden nicht selbst geleisteten Zahlungen. Dazu reicht neben der Veranlassung der Zahlung das schuldhafte Unterlassen ihrer Verhinderung aus. Nicht vom Geschäftsführer veranlasst sind insbesondere durch eine Zwangsvollstreckung erzwungene Zahlungen. Der Begriff der Zahlung umfasst jede Minderung des Aktivvermögens, unabhängig davon, ob es sich um die Weggabe von Geld, Waren oder die Erbringung sonstiger (Dienst-)Leistungen handelt, einschließlich der Aufrechnung gegen beziehungsweise Verrechnung von Forderungen mit Gesellschaftsschulden, sowie der Verzicht auf eine höhere Vergütung. Keine den Tatbestand des § 64 Satz 1 GmbHG erfüllende „Zahlung“ ist die die Passiva der Gesellschaft erhöhende Begründung von Verbindlichkeiten.

Nicht haftungsbegründend sind Zahlungen, die keinen Bezug zum Gesellschaftsvermögen haben oder nach der Maßgabe einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht als Zahlungen anzusehen sind. Dazu gehören u.a. Zahlungen von einem debitorischen Konto an einzelne Gesellschaftsgläubiger, die den Wert des Sicherungsgutes nicht übersteigenden Zahlungen an einen zur Ab- oder Aussonderung berechtigten oder über Sicherheiten aus dem Vermögen der Gesellschaft verfügenden Gläubiger, die Herausgabe ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.10.2019 12:55
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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