17 / 2019

Torsten Groß, LL.M. (London)

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz – Eine Chance für deutsche Arbeitgeber!

Der Fachkräftemangel in Deutschland beschäftigt die deutsche Politik und die hiesigen Unternehmen schon seit vielen Jahren. Es gibt zurzeit in Deutschland ca. 1,2 Millionen offene Stellen auf dem Arbeitsmarkt. Um dieses Problem zu lösen, hat das Bundeskabinett Ende 2018 eine Fachkräftestrategie beschlossen (Quelle: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/die-fachkraeftestrategie-der-bundesregierung-1563172). Diese sieht u.a. die Gewinnung von Fachkräften aus dem nicht europäischen Ausland vor. Hierfür wurde unter anderem das sog. Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) vom Bundesinnenministerium erarbeitet. Der Bundestag hat das Gesetz im Juni 2019 verabschiedet und Anfang März 2020 wird es in Kraft treten. Durch dieses Gesetz wird endlich die überfällige Überarbeitung des deutschen Aufenthaltsrechts für Fachkräfte in Angriff genommen.

Mit dem FEG werden u.a. das Aufenthaltsgesetz, die Beschäftigungsverordnung und die Aufenthaltsverordnung überarbeitet und angepasst. Es handelt sich also nicht um eine komplette Neuregelung.


Was ist eigentlich eine Fachkraft?

Der Gesetzgeber hat im Aufenthaltsgesetz nun den Begriff der Fachkraft legal definiert und den Anwendungsbereich auf dem Papier recht weit gezogen. Fachkräfte sind zum einen Ausländer mit einer qualifizierten Berufsausbildung. Eine solche Ausbildung kann natürlich in Deutschland selbst erworben werden. Alternativ kann auch eine ausländische Berufsqualifikation anerkannt werden, diese muss aber einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung gleichwertig gegenüberstehen (§ 18a AufenthG-Neu). Unter den Begriff Fachkräfte fallen ebenso Ausländer, welche einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen, einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren, ausländischen Hochschulabschluss besitzen (§ 18b AufenthG-Neu).

Diesen Fachkräften kann jeweils eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung erteilt werden. Die von ihnen erworbene Qualifikation muss sie aber zur Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit jeweils befähigen.

Weitere allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels sind unter anderem ein konkretes Arbeitsplatzangebot bzw. ein abgeschlossener Arbeitsvertrag, die Erteilung einer Berufsausübungserlaubnis (dies ist besonders im medizinischen Bereich relevant), die Feststellung der Gleichwertigkeit der Qualifikation sowie die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Eine Zustimmung der Bundesagentur ist auch in Zukunft in manchen Konstellationen entbehrlich, z.B. beim Vorliegen eines inländischen Hochschulabschlusses.


Die Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit wird eingeschränkt

Für Unternehmen die im IT- und Kommunikationsbereich tätig sind ist wichtig zu wissen, dass die Bundesagentur für Arbeit nun auch bei Ausländern die Zustimmung erteilen kann, wenn diese keine gleichwertige förmliche Qualifikation vorweisen können. Es kann in diesem Bereich ausreichen, wenn der jeweilige Ausländer eine in den letzten sieben Jahren erworbene, mindestens fünfjährige, Berufserfahrung nachweisen kann und über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügt (§ 6 BeschVO-Neu). Im bisherigen Aufenthaltsrecht fand die Berufserfahrung keine Berücksichtigung. Damit eröffnet sich für Unternehmen in diesem Bereich faktisch eine neue Zielgruppe bei der Anwerbung von Personal im Ausland. Die größte Hürde in der Praxis dürften jedoch die erforderlichen Deutschkenntnisse sein. Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (§ 2 Abs. 11 AufenthG). Die Dauer für die Erreichung dieses Niveaus, ohne Vorkenntnisse des jeweiligen Arbeitnehmers, sollte in der Praxis nicht unterschätzt werden.

Eine weitere, für die betroffenen Unternehmen positive, Änderung ist, dass bei den oben genannten Fachkräften eine Vorrangprüfung der Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich entfällt (§ 39 Abs. 2 AufenthG-Neu). Dies bedeutet, dass die Bundesagentur nun nicht mehr prüft, ob die zu besetzende Stelle auch durch einen deutschen bzw. einen EU-Bürger besetzt werden könnte. Diese Änderung hat eine Beschleunigung des gesamten Verwaltungsverfahrens zur Folge und sie erleichtert den deutschen Unternehmen die Einstellung von Arbeitnehmern aus Drittstaaten. Die Firmen stehen nun nicht mehr unter Begründungszwang, warum sie gerade den jeweiligen Ausländer beschäftigen wollen, z.B. wegen besonderen Fachkenntnissen.

Trotz des Wegfalls der Vorrangprüfung ist nicht mit einer Flut von Billiglohnkräften zu rechnen. Die Bundesagentur für Arbeit prüft weiterhin, ob die ausländische Fachkraft zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmer beschäftigt wird. Hierfür treffen den Arbeitgeber Mitwirkungs- und Informationspflichten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit (§ 39 Abs. 4 AufenthG-Neu): der Arbeitgeber muss das Arbeitsentgelt, die Arbeitszeit und die weiteren Arbeitsbedingungen mitteilen.

Auf die Arbeitgeber kommen jedoch noch weitere Verpflichtungen zu. Wie bisher auch, muss der Arbeitgeber vor Aufnahme der Tätigkeit des Arbeitnehmers prüfen, ob dieser einen Aufenthaltstitel besitzt, der ihn zu der vorgesehenen Erwerbstätigkeit befähigt. Für die Dauer der Beschäftigung muss der Arbeitgeber dann eine Kopie des Aufenthaltstitels aufbewahren und, als Neuerung, der zuständigen Ausländerbehörde eine eventuelle Beendigung der Beschäftigung innerhalb einer Frist von vier Wochen melden (§ 4a Abs. 5 AufenthG-Neu). Den Arbeitgeber trifft somit eine aktive Benachrichtigungspflicht gegenüber der Ausländerbehörde.


Die Arbeitgeber können sich direkt am Verwaltungsverfahren beteiligen

Komplett neu ist das nun eingeführte beschleunigte Fachkräfteverfahren, mit Hilfe dessen dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben wird, sich direkt an dem Visumverfahren zu beteiligen. Die Ausländerbehörde und der Arbeitgeber können hierfür eine gemeinsame Vereinbarung schließen. Aufgrund dieses Vertrags können die Parteien gemeinsam die Schritte zur Erlangung eines Aufenthaltstitels vornehmen. Der Arbeitgeber muss natürlich vom Ausländer entsprechend bevollmächtigt werden. In der Vereinbarung werden Beratungs- und Mitwirkungspflichten seitens der Ausländerbehörde festgelegt. Dies umfasst unter anderem die Information der zuständigen deutschen Auslandsvertretung über die bevorstehende Visumantragsstellung. Damit soll sichergestellt werden, dass die Auslandsvertretung einen Termin zur Visumantragsstellung innerhalb von drei Wochen nach Vorlage der Vorabzustimmung der Ausländerbehörde geben kann. Nach weiteren drei Wochen soll dann im Idealfall über den Visumantrag entschieden sein. Insgesamt soll durch das beschleunigte Fachkräfteverfahren, wie der Name schon sagt, das Visumverfahren für Fachkräfte wesentlich beschleunigt werden und die Dauer des Verfahrens vorhersehbarer machen.

Durch die beabsichtigte Beschleunigung des Verfahrens, ergeben sich für die deutschen Unternehmen bessere Planungsmöglichkeiten. Auch erhöht die Vorhersehbarkeit und Schnelligkeit die Attraktivität deutscher Arbeitgeber für die ausländischen Fachkräfte. Beide Seiten haben aus wirtschaftlichen Gründen ein hohes Interesse daran, dass der Visumantrag schnell beschieden wird.

Ein weiterer positiver Aspekt für die langfristige Planungssicherheit für deutsche Unternehmen ist, dass für Fachkräfte die Aufenthaltstitel grundsätzlich für die Dauer von vier Jahren erteilt werden (§ 18 Abs. 4 AufenthG-Neu). Ausnahmen sind natürlich möglich, wenn z.B. das Arbeitsverhältnis auf eine kürzere Zeit befristet ist. Dadurch können Unternehmen den Personalbestand mehrere Jahre im Voraus verlässlich planen.

Für Unternehmen, welche nach qualifizierten Arbeitnehmern suchen, kann es sich durchaus lohnen, auch in Drittstaaten nach neuen Mitarbeitern zu suchen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz versucht, zumindest auf dem Papier vielversprechend, bürokratische Hürden abzubauen und die Dauer der Verwaltungsverfahren zu verkürzen. Dies steigert sowohl die Attraktivität deutscher Unternehmen für Ausländer als auch die Attraktivität der Ausländer für deutsche Unternehmen. Beide Seiten können also von den Änderungen profitieren. Ob das Gesetz den hier beschriebenen Erwartungen in der Praxis gerecht werden kann, bleibt jedoch noch abzuwarten. Insbesondere die Dauer und tatsächliche Umsetzung von Anerkennungsverfahren für Berufsqualifikationen bzw. die Anerkennung der Berufserfahrung im IT- und Kommunikationsbereich können in der Praxis zeitliche Hürden sein. Für Unternehmen mit Fachkräftemangel lohnt es sich aber allemal, sich mit dem neuen Aufenthaltsrecht zu beschäftigen.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 08.10.2019 10:33