BGH v. 19.9.2019 - IX ZR 148/18

Zur Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners

Handelt der Schuldner bei einem bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, weil er fortlaufend unrentabel arbeitet und deshalb auch der Austausch gleichwertiger Leistungen keinen Nutzen für die Gläubiger erwarten lässt, kann eine Kenntnis des Anfechtungsgegners von seinem Benachteiligungsvorsatz regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn dieser von der fehlenden Rentabilität weiß. Die Darlegungs- und Beweislast für diese Kenntnis des Anfechtungsgegners trifft den anfechtenden Insolvenzverwalter.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 23.1.2012 am 1.2.2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH (Schuldnerin). Die Beklagte ist eine internationale Spedition, die mit der Schuldnerin in ständiger Geschäftsbeziehung stand und für diese u.a. den Import von Möbeln aus China mittels Seefracht abwickelte. Die Parteien streiten um die Rückgewähr von zwei Zahlungen, welche die Schuldnerin am 11.1.2012 i.H.v. rd. 22.600 € und 16.400 € an die Beklagte leistete.

Der Abwicklung der Aufträge, die zu den Zahlungen vom 11.1.2012 führten, ging ein erstes Insolvenzantragsverfahren voraus. Die Schuldnerin hatte am 14.10.2011 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt. Aufgrund dieses Antrags hatte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und zugleich angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin nur noch mit dessen Zustimmung wirksam seien. Nach seiner Bestellung sandte der Kläger der Beklagten am 17.10.2011 zunächst eine schriftliche Bestätigung, nach der er Leistungen, die von der Beklagten ab dem 18.10.2011 erbracht wurden, aus dem von ihm eingerichteten Treuhandkonto bezahlen werde. Mit einem weiteren Schreiben vom 1.11.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er als vorläufiger Insolvenzverwalter die notwendigen Maßnahmen veranlasst habe, damit ein reibungsloser Betriebsablauf gewährleistet sei. Dies betreffe sowohl die Herstellung als auch die Distribution der Produkte der Schuldnerin. Ferner erklärte er in dem Schreiben:

"Ich bitte Sie deshalb, die Bemühungen um einen langfristigen Fortbestand der Fa. A. durch die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung zu unterstützen. Für die Aufrechterhaltung der Wertschöpfungskette ist es unbedingt erforderlich, dass die kontinuierliche Warenversorgung sichergestellt ist. Leistungen, die nach dem 14.10.2011 erbracht wurden, werden aus dem von mir eingerichteten Treuhandkonto bezahlt."

Im Anschluss an diese Schreiben nahm die Beklagte am 8.12.2011 zwei Aufträge der Schuldnerin an, die darauf gerichtet waren, den gesamten Aufwand einer Seefracht einschließlich Verzollung und einfuhrumsatzsteuerlicher Behandlung aus China zu übernehmen. Die Abwicklung dieser Frachtgeschäfte, welche die Beklagte am 21.12.2011 und am 2.1.2012 abrechnete, erfolgte zum Jahreswechsel 2011/2012. Am 28.12.2011 nahm die Schuldnerin ihren Insolvenzantrag zurück. Hiervon erfuhr die Beklagte durch Rundschreiben der Schuldnerin vom 2.1.2012 am 3.1.2012.

Das LG wies die seitens des Insolvenzverwalters nach Verfahrenseröffnung auf den erneuten Insolvenzantrag unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung erhobene Klage auf Rückzahlung der rd. 39.000 € aufgrund treuwidrigen Verhaltens des Klägers ab. Das OLG gab der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung gegen das Urteile des LG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat ohne tragfähige Begründung angenommen, die Beklagte habe den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gekannt. Die Auffassung, eine Anfechtung sei nicht wegen eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustauschs ausgeschlossen, weil es dabei nicht auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners ankomme und der Einwand der Beklagten, sie habe keine Anhaltspunkte für ein weiteres defizitäres Wirtschaften der Schuldnerin gehabt, deshalb unerheblich sei, beruht auf einem Rechtsfehler.

Der BGH hat für den Fall des Austausches von Leistungen des zahlungsunfähigen Schuldners mit einem Gläubiger in bargeschäftsähnlicher Weise entschieden, allein aus dem Wissen des Gläubigers um die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners könne nicht auf sein Wissen von einer Gläubigerbenachteiligung geschlossen werden. Ein solcher Schluss setze vielmehr das Wissen des Anfechtungsgegners voraus, dass die Belieferung des Schuldners mit gleichwertigen Waren für die übrigen Gläubiger nicht von Nutzen ist, weil der Schuldner fortlaufend unrentabel arbeitet und weitere Verluste erwirtschaftet. Damit ist die Ansicht des OLG, es komme im Rahmen der bargeschäftlichen Leistung auf die Kenntnis der Beklagten nicht an, nicht zu vereinbaren.

Das Berufungsurteil beruht auf dem dargestellten Rechtsfehler. Nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt scheidet eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO aus, weil bei Berücksichtigung der Grundsätze zum bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch eine Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nicht festgestellt werden kann. Bei den von der Beklagten auftragsgemäß zu erbringenden Leistungen handelte es sich, wie sich aus dem Schreiben des Klägers vom 1.11.2011 ergibt, um Leistungen, die zur Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin notwendig waren und deshalb den Gläubigern allgemein nützten. Anhaltspunkte für eine fehlende Ausgewogenheit der mit Billigung des vorläufigen Insolvenzverwalters abgeschlossenen Geschäfte bestehen nicht. Der für ein Bargeschäft erforderliche enge zeitliche Zusammenhang ist zwischen der Auslieferung der Container Ende des Jahres 2011/Anfang des Jahres 2012 und der Begleichung der Rechnungen der Beklagten am 11.1.2012 gewahrt.

Infolge des gleichwertigen Leistungsaustauschs kann der Beklagten die eingetretene mittelbare Gläubigerbenachteiligung und damit auch ein hierauf gerichteter Vorsatz der Schuldnerin nicht bewusst geworden sein. Das Schreiben des Klägers vom 1.11.2011 hatte den Eindruck erweckt, dass durch die Erteilung neuer Aufträge und die Aufrechterhaltung der Wertschöpfungskette die Unternehmensfortführung auch zum Nutzen der Gläubiger gesichert werden konnte. Aus der Mitteilung der Schuldnerin vom 2.1.2012, dass sie den Insolvenzantrag zurückgenommen habe, ergaben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die nachfolgenden Zahlungen nunmehr mit dem Vorsatz, die Gläubiger zu benachteiligen, erfolgten.

Gleichwohl wäre eine Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin anzunehmen, wenn sie gewusst hätte, dass die Schuldnerin fortlaufend unrentabel arbeitete und deshalb bei Durchführung der Frachtgeschäfte nicht mit einem Nutzen für die Gläubiger, sondern nur mit der Anhäufung weiterer Verluste zu rechnen war. Davon kann aber nach dem maßgeblichen Sach- und Streitstand nicht ausgegangen werden. Die Darlegungs-und Beweislast trifft insoweit den anfechtenden Insolvenzverwalter. Der Kläger hat ein entsprechendes, von der Beklagten in Abrede gestelltes Wissen weder behauptet noch unter Beweis gestellt.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.11.2019 11:20
Quelle: BGH online

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