Aktuell in der GmbHR

Nachträgliche Anschaffungskosten gem. § 17 Abs. 2a EStG: Noch ein Neuanfang (Ratschow, GmbHR 2020, 569)

Mit § 17 Abs. 2a EStG hat der Gesetzgeber § 17 EStG revitalisiert und schlägt ein neues Kapitel hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung von Gesellschafterdarlehen auf. Der Beitrag untersucht aus der Perspektive des § 17 EStG, welche Veränderungen die Neuregelung bewirkt und stellt heraus, dass der Gesetzgeber nicht zum vorvergangenen Zustand zurückgekehrt ist. Die gesellschaftsrechtliche Veranlassung wird auf der Grundlage des Regelbeispiels in Abs. 2a Satz 4 vielmehr neu zu vermessen sein. Davon hängt auch ab, welcher Anwendungsbereich in Zukunft für § 20 Abs. 2 EStG verbleibt.

I. Einleitung

II. Normspezifischer Anschaffungskostenbegriff (Abs. 2a Sätze 1 bis 4)

1. Definition der Anschaffungskosten (Sätze 1 und 2)

2. Nachträgliche Anschaffungskosten: Aufzählung von Fallgruppen (Satz 3)

a) Offene und verdeckte Einlagen (Satz 3 Nr. 1)

b) Darlehensverluste (Satz 3 Nr. 2)

aa) Begriff des Darlehensverlusts

bb) Gewährung und Stehenlassen

cc) Bewertung

c) Ausfälle von Regressforderungen (Satz 3 Nr. 3)

3. Gesellschaftsrechtliche Veranlassung: Regelbeispiel (Satz 4)

a) Keine Definition

b) Neuer Wertungsmaßstab

aa) Konzept des Fremdvergleichs

bb) Punktueller Fremdvergleich

cc) Inhaltliche Spielräume

III. Anwendungsregelung

1. Zwingende Anwendung von Abs. 2a

2. Rückwirkende Anwendung auf Antrag

a) Vertrauensschutzrechtsprechung entfällt

b) Antragsrecht

IV. Verbleibender Anwendungsbereich von § 20 Abs. 2 EStG

V. Zusammenfassung


I. Einleitung

1
Die Krise des alten § 17 EStG begann im Jahr 2008. Druck kam gleichzeitig von zwei Seiten. Mit der Neufassung von § 20 Abs. 2 EStG entstand ein Konkurrenztatbestand. Parallel dazu entzog der Gesetzgeber (wohl ohne sich dessen bewusst zu sein) der Vorschrift gewissermaßen den Boden des Eigenkapitalersatzrechts. 2017 gab der BFH infolge dessen den die Praxis jahrzehntelang prägenden „normspezifischen Anschaffungskostenbegriff“ auf. Der Anwendungsbereich der Vorschrift wurde deutlich enger. Altfälle sollten aber aus Gründen des Vertrauensschutzes nach den bisherigen Grundsätzen entschieden werden. Nur wenig später erweiterte der VIII. Senat des BFH den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 EStG erheblich, in dem er u.a. erstmals den Forderungsausfall und später den Forderungsverzicht für steuerbar erklärte. In einigen Fällen war nun plötzlich die Besteuerung nach § 20 EStG günstiger als die nach § 17 EStG. Dies warf nicht nur die Frage auf, ob § 17 EStG überhaupt noch benötigt werde, sondern z.B. auch, ob man der Vertrauensschutzrechtsprechung des IX. Senats durch Verzicht entkommen können.

2
Dieser unkoordinierten Entwicklung hat der Gesetzgeber Einhalt geboten und § 17 EStG gestärkt. Mit Abs. 2a beginnt wieder ein neuer Abschnitt. Zwar hat der Gesetzgeber den Begriff der Anschaffungskosten für § 17 EStG normspezifisch definiert und ist insofern zur alten Rechtslage zurückgekehrt. An die Stelle der Wertungen des Eigenkapitalersatzrechts tritt nun aber die gesellschaftsrechtliche Veranlassung (§ 20 Abs. 2a Sätze 3 und 4). Inhalt und Reichweite dieses für § 17 EStG neuen Maßstabs müssen normspezifisch bestimmt werden. Davon hängt nicht nur ab, welche Aufwendungen die Höhe des Veräußerungsgewinns oder -verlusts bei § 17 EStG beeinflussen, sondern auch, welcher Anwendungsbereich in Zukunft für § 20 EStG verbleibt (§ 20 Abs. 8 Satz 1 EStG).

II. Normspezifischer Anschaffungskostenbegriff (Abs. 2a Sätze 1 bis 4)
3
Veräußerungsgewinn i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Während die Begriffe „Veräußerungspreis“ und „Veräußerungskosten“ im Gesetz nicht näher bestimmt sind, regelt Abs. 2a nun den Begriff der Anschaffungskosten in vier Sätzen. Die Sätze 1 und 2 referieren im Wesentlichen § 255 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HGB. Die Sätze 3 und 4 betreffen den Bereich der nachträglichen Anschaffungskosten und den zentralen Maßstab der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung. Wie zuvor die Rechtsprechung wählt der Gesetzgeber einen normspezifischen Ansatz.

1. Definition der Anschaffungskosten (Sätze 1 und 2)
4
Abs. 2a beginnt mit einer Definition der Anschaffungskosten. Dabei werfen die Sätze 1 und 2 kaum neue Fragen auf. Sie sind nicht nur an § 255 Abs. 1 HGB „angelehnt“, sondern geben die Norm wörtlich, wenn auch (in Bezug auf § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB) nicht vollständig wieder. So werden in Satz 1 die Kosten für die Herstellung der Betriebsbereitschaft nicht erwähnt. Das ist jedoch bedeutungslos, weil Beteiligungen und Forderungen keiner Nutzung unterliegen. Auch die Nichterwähnung des Einzelzuordnungsgrundsatzes dürfte ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.05.2020 13:54
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite