Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 28)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

BGH 12.3.2020, IX ZR 125/17
Zur Haftung des Insolvenzverwalters für unternehmerische Entscheidungen im Rahmen einer Betriebsfortführung

1.a) Maßstab aller unternehmerischen Entscheidungen des Insolvenzverwalters im Rahmen einer Betriebsfortführung ist der Insolvenzzweck der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger sowie das von den Gläubigern gemeinschaftlich beschlossene Verfahrensziel – Abwicklung des Unternehmens, Veräußerung oder Insolvenzplan – als Mittel der Zweckerreichung.

1.b) Der dem Insolvenzverwalter bei unternehmerischen Entscheidungen zustehende Ermessensspielraum ist überschritten, wenn die Maßnahme aus der Perspektive ex ante angesichts der mit ihr verbunde-nen Kosten, Aufwendungen und Risiken im Hinblick auf die Pflicht des Insolvenzverwalters, die Masse zu sichern und zu wahren, nicht mehr vertretbar ist.

1.c) § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist nicht entsprechend auf die Haftung des Insolvenzverwalters bei unternehmerischen Entscheidungen anzuwenden.

2. Räumt das Gesetz der Gläubigerversammlung keine Entscheidungs- oder Zustimmungskompetenz ein, haben ihre Beschlüsse grundsätzlich keine Auswirkungen darauf, ob der Insolvenzverwalter einen Masseschaden pflichtwidrig und schuldhaft herbeigeführt hat.

3. Bestellt das Insolvenzgericht einen Sonderinsolvenzverwalter, um gegen den Verwalter gerichtete Ansprüche auf Ersatz eines Schadens geltend zu machen, den die Insolvenzgläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens erlitten haben, ist der Sonderinsolvenzverwalter befugt, den vollständigen Gesamtschaden geltend zu machen, auch soweit er bei Massegläubigern eingetreten ist.

4. § 92 Satz 2 InsO ist entsprechend auf die Ansprüche der Massegläubiger aus § 60 InsO anzuwenden, wenn der von ihnen gemeinschaftlich erlittene Schaden durch eine Schmälerung der Insolvenzmasse nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit eintritt.

5. Das Protokoll der Gläubigerversammlung hat im Schadensersatzprozess gegen den Insolvenzverwalter keine negative Beweiskraft dahin, dass nicht protokollierte Erklärungen nicht abgegeben wurden.

6. Die gefassten Beschlüsse der Gläubigerversammlung sind zu protokollieren.
(alle amtl.)


BGH 21.4.2020, II ZR 412/17
Vertretung der Gesellschaft; Wirksamwerden der Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds

1. Die Vorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG kann nicht entsprechend auf den Fall des Fehlens eines Aufsichtsrats bei vorhandenem Vorstand angewandt werden.

2. Die Abberufung eines Mitglieds des Aufsichtsrats wird erst wirksam, wenn ihm die Abberufung mitgeteilt ist, sofern das Aufsichtsratsmitglied nicht an der Hauptversammlung teilgenommen hat, in der seine Abberufung beschlossen wurde. Die Mitteilung kann durch jede von der Hauptversammlung damit beauftragte Person geschehen, insbesondere auch durch den protokollführenden Notar. Jedoch wird der gute Glaube Dritter auf den Fortbestand der Mitgliedschaft einer Person zum Aufsichtsrat, die in der Liste nach § 106 AktG auf-geführt ist, analog § 171 BGB geschützt.
(alle nicht amtl.)


BFH 14.8.2019, I R 21/18
Teilwertabschreibung auf den Beteiligungsansatz nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG; Gegenkorrektur gem. § 1 Abs. 1 AStG bei unbesicherten Konzerndarlehen

1. Die Abgrenzung zwischen betrieblich veranlassten Darlehen und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einlagen ist anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten vorzunehmen. Einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs ist dabei nicht die Qualität unverzichtbarer Tatbestandsvoraussetzungen beizumessen (Bestätigung des Senatsurteils v. 27.2.2019 – I R 73/16, BFHE 263, 525 = BStBl. II 2019, 394 = GmbHR 2019, 725 mit Anm. Breuninger).

2. Der Topos des sog. Konzernrückhalts beschreibt lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und bringt die Üblichkeit zum Ausdruck, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern (Bestätigung des Senatsurteils v. 27.2.2019 – I R 73/16, BFHE 263, 525 = BStBl. II 2019, 394 = GmbHR 2019, 725 mit Anm. Breuninger).

3. Die fehlende Darlehensbesicherung gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen „Bedingungen“ i.S.d. § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 5 DBA-Frankreich 1959).

4. Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 5 DBA-Frankreich 1959) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (Bestätigung des Senatsurteils v. 27.2.2019 – I R 73/16, BFHE 263, 525 = BStBl. II 2019, 394 = GmbHR 2019, 725 mit Anm. Breuninger).

5. § 1 Abs. 1 AStG ist mit dem Recht der EU vereinbar, soweit die Vorschrift die Minderung des Bilanzgewinns aufgrund der Ausbuchung von Darlehensforderungen korrigiert (Bestätigung des Senatsurteils v. 27.2.2019 – I R 73/16, BFHE 263, 525 = BStBl. II 2019, 394 = GmbHR 2019, 725 mit Anm. Breuninger).
(alle amtl.)


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.07.2020 11:32
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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