BFH v. 14.1.2020 - IX R 9/18

Berücksichtigung eines Verlusts aus dem Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen

Auf Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 1.1.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung (a.F.), aber nicht Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 vom 14.8.2007 nicht anzuwenden. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist nur auf Sachverhalte anwendbar, für die der Anwendungsbereich der durch das UntStRefG 2008 vom 14.8.2007 neu eingeführten Veräußerungstatbestände in § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG eröffnet ist. Die bis zum Senatsurteil vom 11.7.2017 (IX R 36/15) anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.9.2017 geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war und er keinen Antrag auf Anwendung der Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG i.V.m. § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 gestellt hat.

Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe der Verlust aus dem Verzicht auf eine Darlehensforderung zu berücksichtigen ist. Der Kläger war im Streitjahr 2011 am Stammkapital der C-GmbH i.H.v. 250.000 € mit einer Stammeinlage von 75.000 € (und mithin zu 30 %) beteiligt; zugleich war er einer von zwei alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern der C-GmbH. Am 28.8.2003 schloss die C-GmbH, vertreten durch den Kläger, mit der B-Bank einen Darlehensvertrag über 300.000 € (jährliche Tilgung 30.000 €, Zinssatz 4 % p.a.) ab. Als Sicherheit dienten neben Bürgschaften zweier weiterer Gesellschafter der C-GmbH über jeweils 37.500 € die Verpfändung eines Festgeldkontos des Klägers über 150.000 € sowie Grundschulden des Klägers über rd. 330.000 €.

Unter dem 15.1.2007 stellte der Kläger der C-GmbH ein Darlehen i.H.v. rd. 240.000 € zur Verfügung, das der Ablösung des Darlehens mit der B-Bank diente. In einer "Vereinbarung zum Gesellschafterdarlehen" vom gleichen Tage heißt es dazu: "Der Darlehensgeber setzt den Gesellschafterbeschluss vom 19.12.2006 zur vereinbarten Gründungsfinanzierung der Firma um und schließt mit der C-GmbH als Darlehensnehmerin einen Darlehensvertrag gleichlautend wie mit den übrigen Gesellschaftern ab. Da die Darlehensnehmerin keinen Kredit von Nichtgesellschaftern zu marktüblichen Konditionen erhält, wird der Darlehensgeber sein Darlehen nicht abziehen, ein Kündigungsrecht besteht somit nicht. Er verzichtet auch auf sein außerordentliches Kündigungsrecht." Mit einer vom 31.12.2007 datierenden schriftlichen Erklärung trat der Kläger mit seinen Forderungen aus dem Gesellschafterdarlehen zur Vermeidung einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der C-GmbH im Rang hinter allen Ansprüchen aller anderen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger - außer anderen Rangrücktrittsgläubigern - zurück.

Die durch den Kläger sowie durch die weiteren Gesellschafter zur Verfügung gestellten Darlehensbeträge sind in der Buchführung der C-GmbH stets als sonstige Verbindlichkeiten behandelt worden. Mit Gesellschafterbeschluss vom 30.9.2011 verzichteten der Kläger sowie alle weiteren Gesellschafter auf die der C-GmbH ausgereichten Darlehen. Unter dem 23.12.2011 veräußerte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil zum Preis von 30.000 €. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 machte der Kläger einen Verlust aus der Veräußerung seiner Beteiligung an der C-GmbH i.H.v. rd. 180.000 € - der Summe aus dem anteiligen, zu 60 % berücksichtigten Verlust des Stammkapitals zzgl. des anteiligen, zu 60 % berücksichtigten Verlusts des Gesellschafterdarlehens - geltend. Das Finanzamt berücksichtigte hingegen im (letzten) Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr lediglich 27.000 € - und mithin 60 % des Verlustes aus der Veräußerung des Stammkapitals des Klägers - als Veräußerungsverlust im Rahmen des § 17 EStG.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass der vom Kläger geltend gemachte Verlust aus dem Verzicht auf sein Gesellschafterdarlehen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen ist.

Nach der durch Art. 1 Nr. 16 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG) vom 14.8.2007 neu eingeführten Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Nach § 52 Abs. 28 Satz 15 EStG n.F. ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden. Für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 1.1.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung (EStG a.F.), aber nicht Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 nicht anzuwenden (§ 52 Abs. 28 Satz 16 EStG n.F). Soweit die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG Vorgänge, die den Begriff der Veräußerung nicht erfüllen (Einlösung, Rückzahlung, Abtretung, etc.), fiktiv einer Veräußerung gleichstellt, ergänzt und vervollständigt diese die in § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG aufgezählten Verstrickungstatbestände; dadurch wollte der Gesetzgeber eine weitgehend vollständige steuerliche Erfassung aller Wertzuwächse bei Kapitalanlagen erreichen. Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist mithin nur auf Sachverhalte anwendbar, für die der Anwendungsbereich der durch das UntStRefG 2008 neu eingeführten Veräußerungstatbestände in § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG eröffnet ist.

Nach der Rechtsprechung des BFH führt ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster, unbedingter Verzicht eines Gesellschafters auf eine ihm gegen eine Kapitalgesellschaft zustehende Darlehensforderung dem Grunde nach zu einer Einlage i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Darüber hinaus behandelt die Rechtsprechung den endgültigen Ausfall einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre nach Einführung der Abgeltungsteuer als steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG. Vorliegend konnte der BFH offenlassen, ob vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines Verlusts aufgrund des Verzichts des Klägers auf seine Darlehensforderung gegen die C-GmbH gegeben sind; denn die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG war hier schon nicht auf das vom Kläger hingegebene Gesellschafterdarlehen anwendbar. Das im Jahr 2007 begründete, rückzahlbare und festverzinsliche Darlehen des Klägers erfüllte zwar die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr.7 EStG a.F., stellt aber keine Finanzinnovation i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. dar. Der Umstand, dass das Darlehen vom Kläger über den 1.1.2009 hinaus gewährt und mithin in einem weiter verstandenen Sinne "stehen gelassen" wurde, bewirkt bereits begrifflich keinen Erwerb der Darlehensforderung nach dem 31.12.2008.

Im Streitfall kam auch eine Berücksichtigung des Verlusts aus dem Verzicht des Klägers auf sein Gesellschafterdarlehen bei den Einkünften i.S.d. § 17 EStG dem Grunde nach nicht in Betracht. Für die Berücksichtigung (nachträglicher) Anschaffungskosten kommt es hier auf den unter Geltung des Eigenkapitalersatzrechts zu § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG entwickelten normspezifischen Anschaffungskostenbegriff an. Das vom Kläger gewährte Gesellschafterdarlehen war bis zum Tag der Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208 am 27.9.2017 geleistet worden. Der Kläger kann daher Vertrauensschutz für sich beanspruchen. Im Streitfall hatte er einen Antrag auf Anwendung der Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG i.V.m. § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 bislang nicht gestellt.

Nach den unter Geltung des Eigenkapitalersatzrechts entwickelten Grundsätzen gehören zu den nachträglichen Anschaffungskosten u.a. auch Aufwendungen des Gesellschafters, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass wegen des Verzichts des Klägers auf seine Darlehensforderung kein Verlust bei den Einkünften i.S.d. § 17 EStG zu berücksichtigen ist. Das FG hat den Umstand, dass mit dem Darlehen des Klägers vom Januar 2007 ein im Jahre 2003 von der C-GmbH aufgenommenes Bankdarlehen, für das der Kläger Sicherheiten gestellt hatte, abgelöst worden ist, dahin zutreffend interpretiert, dass das klägerische Gesellschafterdarlehen sich als Fortführung des ursprünglichen Bankdarlehens darstellt. Auch die Würdigung des FG, dass die bloße Gestellung von Sicherheiten durch den Steuerpflichtigen für das von der C-GmbH aufgenommene Bankdarlehen noch nicht zu einer krisenbestimmten Sicherheit i.S.d. Eigenkapitalersatzrechts mache, war angesichts des Umstandes, dass die C-GmbH das Bankdarlehen stets als Fremdverbindlichkeit bilanziert hat, rechtsfehlerfrei.

Letztlich war auch die Würdigung des FG, das vom Kläger gewährte Darlehen sei auch nicht als ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen anzusehen, nicht zu beanstanden; denn das durch das Gesellschafterdarlehen abgelöste Bankdarlehen wurde von der C-GmbH bis zur Ablösung vertragsgemäß bedient, sodass eine Inanspruchnahme des Klägers aus den hingegebenen Sicherheiten zu keinem Zeitpunkt drohte. In einem solchen Fall ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG im Rahmen der Sachverhaltswürdigung zu dem Schluss kommt, dass auch im Zeitpunkt der Ablösung (noch) nicht von einer Krise der Gesellschaft auszugehen war.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.07.2020 12:35
Quelle: BFH online

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