BFH v. 10.12.2019 - I R 24/17

Keine Anerkennung interner Darlehen zwischen Trägerkörperschaft und BgA zur Refinanzierung wesentlicher Betriebsgrundlagen

Die Rechtsprechung, wonach interne Miet- oder Pachtverträge zwischen einer Trägerkörperschaft und ihrem BgA über wesentliche Betriebsgrundlagen des BgA steuerrechtlich unbeachtlich sind (z.B. BFH-Urteil vom 24.4.2002 - I R 20/01), ist sinngemäß auch auf sog. interne Darlehen anzuwenden, die zur Finanzierung der aus Eigenmitteln der Trägerkörperschaft bestrittenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten wesentlicher Betriebsgrundlagen des BgA vereinbart wurden.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein kommunaler Zweckverband, dem der Kreis S mit Verträgen von 1999 die ihm nach dem Abfallwirtschaftsgesetz zugewiesenen hoheitlichen Aufgaben der Abfallentsorgung übertragen und eine von S als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger zur Sicherung einer geordneten und wirtschaftlichen Abfallentsorgung errichtete Deponie inklusive der wesentlichen Bestandteile/Einrichtungen entgeltlich zur Verfügung gestellt hatte. Der Kläger übernahm sämtliche Rechte und Pflichten (Verfüllung und Nachsorge), das Deponiegrundstück verblieb im Eigentum von S. Bis 2000 nutzte der Kläger die Deponie ausschließlich zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, danach auch für gewerbliche Einlagerungen. Soweit der Kläger im Rahmen der Abfallentsorgung bzw. -verwertung nicht hoheitlich tätig wurde, führte er die Tätigkeit im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art (BgA) "Gewerbeservice" durch. Die Kosten für den Betrieb der Deponie wurden ab 2001 über "Umlagen" anteilig dem BgA zugerechnet.

Zum 31.5.2005 entfiel aufgrund geänderter rechtlicher Rahmenbedingungen die Möglichkeit, die Deponie für die Einlagerung von Hausmüll zu verwenden. Der Kläger entschied daraufhin, die in seinem Eigentum stehenden und aus Eigenmitteln finanzierten Deponieanlagen (immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen) mit Wirkung vom 1.1.2006 im Wege einer Einlage auf den BgA zu übertragen. Der von dem Kläger angesetzte Einlagewert zum 31.12.2005 entsprach dem Teilwert der eingelegten Wirtschaftsgüter. Die Einlage wurde zu 20 % als (unentgeltliche) Einlage von Eigenkapital und zu 80 % auf der Grundlage eines sog. internen und mit 4 % verzinslichen Darlehens als entgeltliche Vermögensübertragung qualifiziert. Mit seinen Steuererklärungen machte der Kläger für den BgA Zinsen als Betriebsausgaben nur insoweit geltend, als diese auf einen Fremdkapitalanteil von 70 % entfielen.

Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Deponie als wesentliche Betriebsgrundlage notwendiges Betriebsvermögen des BgA geworden und daher bei dem BgA zu aktivieren sei. Die Aufteilung in eine "Einlage mit Eigenkapitalcharakter" und eine "Einlage mit Darlehenscharakter" sei nicht möglich. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei im Fall einer Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen an den BgA das Pachtentgelt, soweit es die Kosten der Trägerkörperschaft übersteige, beim BgA dem Einkommen als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG hinzuzurechnen. Die für diese Rechtsprechung maßgeblichen Erwägungen seien auch in Fällen zu berücksichtigen, in denen die Überlassung des Wirtschaftsgutes an den BgA gegen Gewährung eines internen Darlehens erfolge. Dem folgte das Finanzamt in geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und hob die angefochtenen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2006 und 2007 auf, soweit hinsichtlich der als Betriebsausgaben berücksichtigten Darlehenszinsen eine vGA in Ansatz gebracht worden war. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vom Kläger beim BgA als Betriebsausgaben berücksichtigten Darlehenszinsen steuerlich anzuerkennen sind.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG sind BgA von juristischen Personen des öffentlichen Rechts unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Dies sind - wie der vom Kläger für gewerbliche Einlagerungen im Rahmen der Abfallentsorgung bzw. -verwertung unterhaltene Betrieb - Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und sich aus der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben (§ 4 Abs. 1 Satz 1 KStG). Allerdings ist nach dem Wortsinn des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG die Körperschaft des öffentlichen Rechts, soweit sie BgA unterhält, selbst Subjekt der Körperschaftsteuer im Hinblick auf jeden einzelnen Betrieb. Minderungen des Betriebsvermögens eines BgA zugunsten des übrigen Vermögens seiner Trägerkörperschaft sind bei der Gewinnermittlung nach den Grundsätzen zu beurteilen, die für Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihren Alleingesellschafter gelten. Es wird somit bei der Gewinnermittlung fingiert, der BgA sei ein selbständiges Steuerrechtssubjekt in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft und die Trägerkörperschaft sei deren Alleingesellschafterin. Daher sind (interne) Vereinbarungen zwischen der Trägerkörperschaft und ihrem BgA bei der Gewinnermittlung grundsätzlich zu beachten, wenn die Vereinbarung - unterstellt, sie wäre zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter abgeschlossen worden - auch bei der Besteuerung der Kapitalgesellschaft zu beachten wäre.

Eine Ausnahme gilt indessen für Vereinbarungen, aufgrund derer eine Trägerkörperschaft ihren BgA mit Miet- oder Pachtzinsen für Wirtschaftsgüter belastet, die der Trägerkörperschaft gehören und wesentliche Betriebsgrundlagen des BgA sind. Derartige Vereinbarungen dürfen nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, da sonst der Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, die Betriebe der öffentlichen Hand gegenüber den Gewerbebetrieben der Privatwirtschaft steuerlich nicht zu begünstigen, vereitelt würde. Die zu vermeidende Begünstigung besteht darin, dass die Trägerkörperschaft bei steuerrechtlicher Berücksichtigung der Vereinbarung den durch den BgA erzielten Gewinn um die Miet- oder Pachtzinsen mindern könnte und diese in der Regel nicht versteuern müsste, während der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft, der der Gesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen vermietet oder verpachtet, nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung die durch die Vermietung oder Verpachtung erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb versteuern muss. Soweit die Minderung des dem BgA gewidmeten Vermögens auf Vereinbarungen beruht, die der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden dürfen, wird die Vermögensminderung bei der Gewinnermittlung wie eine vGA behandelt.

Die Rechtsprechung, wonach interne Miet- oder Pachtverträge zwischen einer Trägerkörperschaft und ihrem BgA über wesentliche Betriebsgrundlagen des BgA steuerrechtlich unbeachtlich sind, ist sinngemäß auch auf interne Darlehen anzuwenden, die zur Finanzierung der aus Eigenmitteln der Trägerkörperschaft bestrittenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten wesentlicher Betriebsgrundlagen des BgA vereinbart wurden. Vorliegend bestanden keine Zweifel daran, dass es sich bei den Deponieanlagen (immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen) um wesentliche Betriebsgrundlagen des BgA gehandelt hat, welche zu dessen notwendigem Betriebsvermögen gehörten. Dem BgA ist auf der Grundlage seiner rechtlichen Verselbständigung und nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen ein eigenes Betriebsvermögen zuzuordnen. Notwendiges Betriebsvermögen des BgA sind solche Wirtschaftsgüter, die ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke des BgA genutzt werden oder dazu bestimmt sind. Wesentliche Betriebsgrundlagen sind auch ohne eine solche Widmung stets als notwendiges Betriebsvermögen des BgA zu behandeln. Die Annahme von Betriebsvermögen des BgA ist allerdings ausgeschlossen, wenn das Wirtschaftsgut zum notwendigen Hoheitsbereich der Trägerkörperschaft gehört; das gilt auch dann, wenn das Wirtschaftsgut eine wesentliche Betriebsgrundlage des BgA darstellt.

Im Streitfall gehörten die vom Kläger auf den BgA übertragenen Deponieanlagen zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen des BgA. Die Deponieanlagen sind auch nicht dem notwendigen Hoheitsvermögen des Klägers zuzuordnen. Dies folgt schon daraus, dass die überlassenen Wirtschaftsgüter in den Streitjahren weder ausschließlich noch nahezu ausschließlich der hoheitlichen Tätigkeit der Trägerkörperschaft dienten. Zwischen dem Kläger und dem BgA war eine sog. interne Darlehensvereinbarung getroffen worden, die mit der Refinanzierung der aus Eigenmitteln der Trägerkörperschaft bestrittenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten wesentlicher Betriebsgrundlagen des BgA, nämlich den Deponieanlagen, zusammenhängen. Die für das interne Darlehen gezahlten Darlehenszinsen konnten jedoch nicht zum Abzug zugelassen werden, weil es im Streitfall weder um die Aufnahme eines externen Kredits noch um die Belastung des BgA mit den Krediten ging, die der Trägerkörperschaft im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Herstellung der (später) dem BgA übertragenen Wirtschaftsgüter entstanden waren. Kennzeichen des Streitfalls ist vielmehr die "Refinanzierung" von zuvor mit Eigenmitteln von der Trägerkörperschaft erworbener und sodann auf den BgA übertragener wesentlicher Betriebsgrundlagen. Soweit die Minderung des dem BgA gewidmeten Vermögens auf der internen Darlehensvereinbarung beruht, ist die Vermögensminderung bei der Gewinnermittlung somit wie eine vGA zu behandeln.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.07.2020 14:39
Quelle: BFH online

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