Aktuell in der GmbHR

Die geplante Regelung der Onlinegründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung - die Hälfte einer halben Lösung (Drygala/Grobe, GmbHR 2020, 985)

Mit der Digitalisierungsrichtlinie des Company Law Package soll die Gesellschaftsrechtsrichtlinie geändert werden, um die Onlinegründung von GmbHs zu ermöglichen. Das Land NRW hat zur Umsetzung der Richtlinie einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der weit hinter den Gestaltungsmöglichkeiten der Richtlinie zurückbleibt. Im Wesentlichen soll alles so bleiben wie bisher; alle Vorgänge jenseits der Gründung bleiben von der Digitalisierung unberührt. Die Verfasser zeigen die Chancen auf, die der Gesetzgeber nutzen sollte, um im europäischen Wettbewerb der Systeme bestehen zu können.

I. Einleitung

II. Grundlinien der Onlinegründung nach den RL (EU) 2019/1151 und RL (EU) 2017/1132

III. Die zwingend notwendige Mitwirkung des Notars aufgrund technischer Hindernisse

1. Beteiligung ausländischer Gesellschaften

2. Sonstige Vertretungsfälle

3. Sichere Identifizierung – nur durch den Notar?

a) Ausgangspunkt: Identifizierung gemäß eIDAS-VO

b) Kritische Einwände zur Identifikation

c) Stellungnahme (I):

aa) Rechtsvergleich:

bb) Zweifel an der Sicherheit des eID-Verfahrens

cc) Umfang des tolerablen Restrisikos

4. Sachlich oder von der Rechtsform her zu komplizierter Gegenstand?

a) Ausnahme für AG und KGaA

b) Sachgründung

IV. Das Für und Wider der Vollautomatisierung in den verbleibenden Fällen

1. Verfehlung des Einsparungsziels

2. Kein Beratungs- und Aufklärungsbedarf bei Verwendung der Mustersatzung

3. Vorberatene Gründer, einfache Fälle

V. Sachwidrige Beschränkung auf den Gründungsvorgang

1. Videoverfahren – warum nur bei der Gründung?

2. Videoverfahren – warum nur im Gesellschaftsrecht?

VI. Zusammenfassung


I. Einleitung

1
Am 20.6.2019 wurde im Zuge des Company Law Package der EU die Digitalisierungsrichtlinie verabschiedet, Deutschland muss diese bis Mitte 2021 umsetzen. Dazu liegen bis jetzt ein Gesetzesentwurf des Landes Nordrhein-Westfalen und etliche Stellungnahmen aus Wissenschaft und Praxis vor. Sie eint ein Ansatz, den man bereits an dieser Stelle der Betrachtung so zusammenfassen kann: Eine vollständige Onlinegründung in dem Sinne, dass der Gründungsvorgang bis zur Einreichung der Unterlagen beim Handelsregister allein durch Betätigung technischer Mittel durchgeführt werden kann, soll es nicht geben. Vielmehr wird daran festgehalten, in allen Fällen eine Notarbeteiligung vorzusehen, nur nicht in Form des Präsenztermins, sondern in Form der Videokonferenz.

2
Es erscheint zweifelhaft, ob dieser Ansatz Buchstaben und Geist der Digitalisierungsrichtlinie entspricht, oder ob damit nicht vielmehr Modernisierungspotentiale verschenkt werden. Daher möchten wir nach einer kurzen Darstellung des Richtlinieninhalts (II.) untersuchen, ob Hindernisse einem voll digitalisierten Verfahren entgegenstehen (III.), welche Gründe für seine Einführung sprechen (IV.) und welchen Anwendungsbereich das vorgeschlagene Videokonferenzsystem haben könnte (V.).

II. Grundlinien der Onlinegründung nach den RL (EU) 2019/1151 und RL (EU) 2017/1132
3
Grundanliegen der Digitalisierungsrichtlinie ist es, einen europäischen digitalen Binnenmarkt zu schaffen. Dabei spielt, neben anderen Dingen, die Onlinegründung von Kapitalgesellschaften eine wichtige Rolle. Ziel der Richtlinie ist es, die Vorgänge einfacher, rascher und mit Blick auf Kosten und Zeit effizienter auszugestalten. Die Mitgliedstaaten gewährleisten dazu nach Art. 13g Abs. 1 der Richtlinie, dass bestimmte Kapitalgesellschaften künftig vollständig online gegründet werden können, ohne dass ein Antragsteller persönlich vor Behörden, Personen oder Stellen erscheinen muss. Dazu sollen die Mitgliedstaaten detaillierte Regelungen für die Onlinegründung erlassen. Ihnen steht ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wobei nach Art. 13g Abs. 3 GesRRL Mindeststandards zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und zur Verhinderung von Missbrauch zu wahren sind. Zu diesen zählen die Gewährleistung der Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Antragsteller und ihrer Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft, die Identitätsfeststellung der Antragsteller sowie die Überprüfung der Bestellung von Geschäftsführern. In Art. 13g Abs. 4 enthält die GesRRL ausdrücklich die Möglichkeit, im Sinne der „Achtung bestehender gesellschaftsrechtlicher Traditionen der Mitgliedstaaten“, weitere Elemente der vorsorgenden Rechtspflege in das Onlinegründungsverfahren aufzunehmen. Eben darauf baut der Entwurf des Landes Nordrhein-Westfalen auf.

III. Die zwingend notwendige Mitwirkung des Notars aufgrund technischer Hindernisse
4
Denkt man entgegen der h.M. an eine mögliche Umsetzung mit dem Ziel, auf eine Mitwirkung des Notars weitgehend zu verzichten, um gemäß Erwägungsgrund 2 der Digitalisierungsrichtlinie Zeit und Kosten zu sparen, stößt man jedoch sogleich auf erhebliche Hindernisse. Es zeigt sich, dass ein vollständiger Übergang zum Onlineverfahren, selbst wenn ...
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.09.2020 12:06
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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