Aktuell in der GmbHR

"Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum" - ein Fremdkörper im Recht der Körperschaften (Habersack, GmbHR 2020, 992)

Ein jüngst vorgelegter Entwurf eines Gesetzes für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum zielt auf Einführung einer Rechtsformvariante der GmbH, deren wesentliches Kennzeichen in einer weitgehenden Bindung des Gesellschaftsvermögens bestehen soll. Insbesondere soll den Gesellschaftern weder ein Anspruch auf Gewinnausschüttung noch ein Anspruch auf einen über die geleisteten Einlagen hinausgehenden Liquidationserlös zustehen. Dieser weitgehende Asset-lock, der durch Beschränkungen der Übertragbarkeit und Vererblichkeit der Anteile ergänzt werden und unabdingbar sein soll, befindet sich freilich in einem Spannungsverhältnis zu Grundprinzipien des Gesellschafts- und Insolvenzrechts und sollte jedenfalls nicht unmodifiziert weiterverfolgt werden.

I. Einführung

II. Grundkonzeption der GmbH-VE im Überblick

1. Keine Vorgaben zu Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck

2. „Asset-lock“

a) Residualanspruch auf Rückgewähr der geleisteten Einlage

b) Ausschüttungssperre und Zulässigkeit von Drittgeschäften

3. Zugelassene Gesellschafter und „Anteils-lock“

4. Unabdingbarkeit

III. Governance-Probleme der GmbH-VE

1. Anreizdefizite auf Seiten der Rechtsnachfolger

2. Abänderbarkeit der Satzung als zentraler Grundsatz des Gesellschaftsrechts

3. Zumutbarkeit von Gestaltungsvarianten

4. Fehlanreize durch § 77f Abs. 2 Satz 2 GmbHG-E

5. Interessen der Gesellschaftergläubiger

IV. Fazit


I. Einführung

1
Der jüngst von einem Kreis von Wissenschaftlern vorgelegte Entwurf eines Gesetzes für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum greift eine Initiative der Stiftung Verantwortungseigentum auf und schlägt die Einführung einer weiteren Variante der GmbH vor, die sich von dem Grundtypus der GmbH wie auch von der UG (haftungsbeschränkt) vor allem durch eine unwiderrufliche, d.h. auch durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss nicht zu beseitigende Bindung von Gewinn und Kapital unterscheiden soll. Danach hat der Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum („GmbH-VE“) zwar Stimm- und Teilhaberechte wie der Gesellschafter einer gewöhnlichen GmbH. Seine Vermögensrechte sind indes erheblich eingeschränkt. So soll der Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft und bei Ausscheiden aus der Gesellschaft allenfalls Anspruch auf Erstattung der geleisteten Einlage haben, hingegen weder die Auszahlung von Gewinn noch die Auszahlung eines seine Einlage übersteigenden Liquidationsüberschusses beanspruchen können. Mit Blick auf diesen Asset-lock bezeichnet der Entwurf die Gesellschafter einer GmbH-VE als „Treuhänder, die das Unternehmen für zukünftige Generationen erhalten und entwickeln möchten.“ Als „Treuhänder künftiger Generationen“ dürften sich zwar auch die allermeisten Gesellschafter einer Familiengesellschaft begreifen, ist es doch der generationenübergreifende Charakter der Gesellschaft, der eine Familiengesellschaft kennzeichnet und typischerweise Einschränkungen der Abtretbarkeit und Vererblichkeit des Anteils sowie des Abfindungsanspruchs nach sich zieht. Hingegen begegnet ein mehr oder weniger umfassender Asset-lock, wie ihn der Vorschlag einer GmbH-VE vorsieht, bei Familiengesellschaften grundsätzlich nicht. Schon gar nicht sind die in den Satzungen der Familiengesellschaften und schuldrechtlichen Nebenabreden der Familiengesellschafter enthaltenen Einschränkungen der Vermögensrechte der Gesellschafter als unabdingbar ausgestaltet – schlicht deshalb, weil sich die Gesellschafter de lege lata ihrer Privatautonomie nicht begeben können und deshalb außerstande sind, die einvernehmliche Aufhebung oder Änderung ihrer Absprachen auszuschließen. Genau dies aber sieht der Vorschlag einer GmbH-VE vor, soll doch in § 77a Abs. 2 GmbHG-E geregelt werden, dass die dauerhafte Vermögensbindung entweder bei Gründung oder durch notariell beurkundeten Beschluss aller Gesellschafter erfolgen und weder aufgehoben noch abgeändert werden können soll. In dieser Unabdingbarkeit aber liegt, wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, nicht nur eine Besonderheit der GmbH-VE, sondern auch der Kern der rechtspolitischen Bedenken hinsichtlich des Vorschlags in seiner Gesamtheit.

II. Grundkonzeption der GmbH-VE im Überblick
1. Keine Vorgaben zu Unternehmensgegenstand und Gesellschaftszweck

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Der Gesetzentwurf verzichtet darauf, die GmbH-VE auf ein bestimmtes Unternehmensziel – etwa gemeinwohlorientierte Aktivitäten – oder auf einen bestimmten Unternehmensgegenstand festzunageln. Der Entwurf betont vielmehr, dass Gesellschaften in Verantwortungseigentum „gewinnorientiert am Markt tätig sein“ können und „nicht notwendig auf einen besonders gemeinwohlfördernden Zweck verpflichtet“ sind. Dies entspricht dem Grundsatz des § 1 GmbHG und trägt § 13 Abs. 3 GmbHG Rechnung, wonach die GmbH Formkaufmann ist und deshalb aufgrund ihrer Rechtsform und nicht aufgrund ihres Unternehmensgegenstands über Kaufmannseigenschaft verfügt. In einer Fußnote verweist die Entwurfsbegründung auf Unterschiede zur Benefit Corporation des US-amerikanischen Rechts, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das Board of Directors neben dem Gewinninteresse der Aktionäre (zumeist in der Satzung verankerte) Gemeinwohlbelange sowie Stakeholderbelange zu berücksichtigen hat. Näher liegt freilich die Abgrenzung zu der auf durch die Satzung auf ideelle oder gemeinnützige Zwecke verpflichteten GmbH, bei der es sich der Sache nach um einen Idealverein in der Rechtsform der GmbH handelt. Wie dem auch sei: Was Unternehmensgegenstand und Zweck der GmbH-VE anbelangt, so bestehen keine Besonderheiten zur gewöhnlichen GmbH.

2. „Asset-lock“
a) Residualanspruch auf Rückgewähr der geleisteten Einlage

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Kennzeichen der GmbH-VE soll der schon einleitend erwähnte Asset-lock sein. § 77e Abs. 2 Satz 1–3 GmbHG-E schließt jeglichen Anspruch der Gesellschafter auf Gewinnteilhabe i.S.d. § 29 Abs. 1 GmbHG aus und bestimmt, dass der Jahresüberschuss der Gesellschaft gebührt und abweichende gesellschaftsvertragliche Regelungen unwirksam sind; die Gesellschafter sollen allerdings ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.09.2020 13:15
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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