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Stundung, Fälligkeitsvereinbarung und Stehenlassen: Nach welchem Zeitraum sind Forderungen aus Austauschgeschäften darlehensgleich nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO? (Felsch, ZIP 2021, 123)

In kurzer Abfolge von nicht einemal einem Jahr hat der BGH zu den sachlichen Anforderungen an eine darlehensgleiche Forderung Stellung genommen. Eine Forderung aus einem Austauschgeschäft solle in der Regel erst dann darlehensgleich sein, wenn der Leistungsaustausch über drei Monate gestreckt wird. Diese Weichenstellung hat in der Literatur ein umfangreiches Echo positiver und negativer Stimmen hervorgerufen. Dieser Beitrag will die Diskussion durch die Anregung bereichern, zwischen rechtsgeschäftlichen und faktischen Gewährungen eines längeren Leistungszeitraums zu unterscheiden. Denn rechtsgeschäftliches Handeln bringt die Finanzierungsentscheidung ohne weiteres zum Ausdruck, während es bei bloßem Stehenlassen besonderer Umstände bedarf, um den Nachrang zu begründen.

I. Einführung
II. Verhältnis der Dreimonatsgrenze zur herrschenden Meinung
III. Erfordernis einer Unterscheidung nach der Art der Gewährung eines längeren Leistungszeitraums

1. Stundung, Fälligkeitsvereinbarung und Stehenlassen
2. Erfordernis einer Unterscheidung
IV. Unterscheidung nach der Art der Gewährung eines längeren Zahlungszeitraums
1. Vereinbarung
2. Stehenlassen
2.1 Gläubigerverhalten
2.1.1 Erfolglose Geltendmachung
2.1.2 Fälligkeit
2.1.3 Sonstiges Gläubigerverhalten
2.2 Art des Austauschverhältnisses
V. Zusammenfassung in Thesen


I. Einführung
Das Recht der Gesellschafterdarlehen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 InsO gilt nicht nur für Forderungen aus Darlehen, sondern auch – wie es § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO formuliert – für „Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen“. Mit Urteil vom 11. 7. 2019 hat der BGH ausgesprochen, dass dies für eine Forderung aus einem Austauschgeschäft zu bejahen ist, wenn diese über einen Zeitraum rechtlich oder faktisch gestundet wird, der im Geschäftsleben gebräuchliche Stundungsvereinbarungen eindeutig überschreitet. Eine derartige Überschreitung sei in der Regel nach drei Monaten anzunehmen. Diese Linie hat der BGH jüngst bestätigt, auch wenn er im Ergebnis Forderungen auf Zahlung von Altersruhegeld aus betrieblicher Altersvorsorge nicht als darlehensgleiche Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO angesehen hat.

Diese neue Weichenstellung ist in der Literatur mitunter auf Widerspruch gestoßen. Zuvor war nahezu einhellig anerkannt, dass – in Anlehnung an die Grundsätze zum Bargeschäft nach § 142 Abs. 1 InsO – eine darlehensgleiche Forderung schon bei einer Stundung von über 30 Tagen vorliege. Es soll allerdings in diesem Beitrag diese Weichenstellung an sich nicht erneut hinterfragt werden. Vielmehr soll das Augenmerk auf die – bislang zu wenig beachtete – Unterscheidung gelegt werden, ob der Gläubiger dem Schuldner den längeren Leistungszeitraum rechtsgeschäftlich oder bloß faktisch einräumt. Dafür ist zunächst – unter II – darzulegen, in welchem Verhältnis die Dreimonatsgrenze zur bislang herrschenden Meinung steht. Im Weiteren sollen dann – unter III – das Erfordernis einer Unterscheidung nach der Art der Gewährung eines längeren Leistungszeitraums und sodann – unter IV – die Folgen dieser Unterscheidung erläutert werden.

II. Verhältnis der Dreimonatsgrenze zur herrschenden Meinung
Der BGH zieht einerseits eine Trennlinie zwischen bargeschäftlich abgewickelten Forderungen und solchen, die über 30 Tage hinaus gestundet werden. Andererseits formuliert er die Dreimonatsgrenze, dass eine zu einer darlehensgleichen Forderung qualifizierende Stundung erst ab einer Länge von drei Monaten anzunehmen sei. Nach BGH soll also innerhalb der ersten 30 Tage sicher keine und nach über drei Monaten grundsätzlich eine darlehensgleiche Forderung vorliegen. Erstreckt sich die Stundung auf einen Zeitraum zwischen 30 Tagen und drei Monaten, so soll die Bejahung von Darlehensgleichheit von deren Markt(un)üblichkeit abhängen. Gleiches gilt für die Verneinung von Darlehensgleichheit bei einer Stundung über drei Monate hinaus.

Ein großer Teil des Schrifttums scheint die Dreimonatsgrenze indessen als recht starre Frist zu erkennen, die wenig Raum für Abweichungen nach unten oder oben lässt. Dies zeigt sich in der starken Kritik an explizit drei Monaten. Wer nämlich den BGH dahingehend versteht, dass dieser nur eine grundsätzliche zeitliche Richtschnur vorgeben wollte, muss nicht die zeitliche Angabe an sich kritisieren. Zwei Aspekte im Urteil sprechen denn auch eher für eine starre Frist. Es ging im zu beurteilenden Sachverhalt um eine Forderung, die über sechs Monate gestundet worden war. Erstens ist vor diesem Hintergrund unklar, ob auch Ausnahmen nach unten zulässig sind. Zweitens benannte der BGH die Dreimonatsgrenze im Wege eines obiter dictums, was den Schluss zulässt, dass er hier klar Farbe bekennen wollte.

Richtigerweise handelt es sich jedoch nicht um eine starre Frist. Denn der BGH formuliert ausdrücklich, dass diese Frist nur „in der Regel“ gelten solle. Daher ist Detlef Kleindiek zuzustimmen, dass nur eine „im Allgemeinen“ geltende Frist gesetzt werden sollte. Es bleibt damit Raum für Einzelfallbetrachtungen und Unterscheidungen, die nachfolgend erläutert werden sollen.

III. Erfordernis einer Unterscheidung nach der Art der Gewährung eines längeren Leistungszeitraums
Eine darlehensgleiche Forderung setzt die Gewährung eines längeren Leistungszeitraums voraus. Der BGH unterscheidet die Begrifflichkeiten dazu aber nicht sauber voneinander. Es ist die Rede von „Fälligkeitsabreden“, „Stundungen“ und „Stehenlassen“. Ferner könne „rechtlich“, „tatsächlich“ oder „faktisch“ gestundet werden. Die mitunter synonyme Verwendung erweckt den Eindruck, dass es ...



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.01.2021 11:26

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