Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 8)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

OLG Karlsruhe 25.8.2020, 9 U 29/19
Zum Missbrauch der Vertretungsmacht durch einen von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer

1. Die Befreiung von den Beschränkungen gem. § 181 BGB ändert nichts daran, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft verpflichtet ist, bei seinen Handlungen und Willenserklärungen, die er für die vertretenen Gesellschaften vornimmt, ausschließlich die Interessen der Gesellschaften zu wahren.

2. Wenn ein Vertreter bewusst zum Nachteil des Geschäftsherrn handelt, führt dies zur Unwirksamkeit der Willenserklärung gem. § 138 Abs. 1 BGB.

3. Bei einem Vollmachtsmissbrauch ist § 177 Abs. 1 BGB entsprechend anwendbar. Es spielt für eine mögliche Berechtigung des bevollmächtigten Geschäftsführers keine Rolle, inwieweit die Gesellschafter Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft verletzt haben. Eventuelle Pflichtverletzungen der Gesellschafter berechtigen den Geschäftsführer nicht dazu, nach eigenem Ermessen Erklärungen für die Absicherung von Ansprüchen abzugeben.
(alle nicht amtl.)


OLG Naumburg 6.11.2020, 9 Wx 9/20
Vertretung einer Genossenschaft in Zeiten der COVID 19-Pandemie

1. Das Gesetz über die Bekämpfung der Auswirkungen der COVID 19-Pandemie ändert nichts an der Regelung der Satzung einer Gesellschaft über die Vertretung der Gesellschaft.

2. Fehlt die nach der Satzung erforderliche Zahl von vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern, so müssen neue Vorstandsmitglieder in der ausreichenden Zahl bestellt werden.
(alle nicht amtl.)


LG Berlin 27.5.2020, 2 O 322/18
Prospektfehler im Rahmen einer ICO

1. Auf einen im Rahmen einer ICO veröffentlichten Prospekt sind §§ 22, 21 WpPG a.F. nicht anwendbar, weil Token keine Wertpapiere sind.

2. Bei einer im „Subscription Agreement“ vorgesehenen Beschränkung der Tokenemission auf Schweiz und USA werden Token nicht gem. § 1 VermAnlG öffentlich im Inland angeboten, so dass § 20 VermAnlG auf den Prospekt unanwendbar ist.

3. Auf eine Tokenemission, die weder dem WpPG noch dem VermAnlG unterliegt, sind die Grundsätze über die Prospekthaftung im engeren Sinne anwendbar.
(alle nicht amtl.)


BFH 27.5.2020, XI R 8/18
Zulässigkeit und Umfang einer Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG); Aktivierung eines Anspruchs auf Investitionszulage

1. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG (i.d.F. seit StBereinG 1999) ist formell verfassungsgemäß.

2. „Gewinn“ i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ist der Bilanzgewinn i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG und nicht der steuerliche Gewinn; § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG erlaubt daher eine Bilanzänderung lediglich in Höhe der sich aus der Steuerbilanz infolge der Bilanzänderung des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG ergebenden Gewinnänderung und nicht in Höhe der sich aus einer Bilanzänderung ergebenden steuerlichen Gewinnänderung, die auf einer Hinzurechnung außerhalb der Steuerbilanz (hier: § 10 Satz 1 InvZulG a.F.) beruht.

3. Ein Anspruch auf Investitionszulage ist auch vor einer förmlichen Antragstellung im Wirtschaftsjahr der Anschaffung/Herstellung der betreffenden Wirtschaftsgüter auszuweisen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen mit der Anschaffung/Herstellung erfüllt sind und die (spätere) Antragstellung bereits ernstlich beabsichtigt ist; der Ertrag ist nicht über einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten auf den gesetzlichen Verbleibenszeitraum periodisch abzugrenzen.
(alle amtl.)

 

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.02.2021 09:26
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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