BFH v. 15.7.2020 - III R 68/18

Freibetrag bei unterjähriger Begründung einer GmbH & atypisch Still

Nimmt eine GmbH im laufenden Jahr eine natürliche Person als atypisch stillen Gesellschafter auf, so ist der für Einzelunternehmen und Personengesellschaften geltende Freibetrag von 24.500 € in dem an die GmbH als Geschäftsherrn zu adressierenden, die GmbH & atypisch Still betreffenden Gewerbesteuermessbescheid zu berücksichtigen. Der GmbH selbst steht der Freibetrag nicht zu; der aufgrund des von ihr vor der Aufnahme des stillen Gesellschafters erzielten Gewinns ermittelte Gewerbeertrag ist daher nicht zu kürzen.

Der Sachverhalt:
Das Wirtschaftsjahr der im Jahr 2008 gegründeten klagenden GmbH entspricht dem Kalenderjahr. Gesellschafter der Klägerin sind Frau BJ mit einer Kapitalbeteiligung von 2.500 € (10 %) und Herr UJ mit einer Beteiligung von 22.500 € (90 %). Letzterer ist Geschäftsführer der Klägerin. Durch Gesellschafterbeschluss vom 1.12.2015 stimmten die beiden Gesellschafter der Aufnahme eines stillen Gesellschafters zu, der ab dem 18.12.2015 mit einer Kapitalbeteiligung von 1.000 € sowohl am Ergebnis als auch am Vermögen und dem Geschäftswert der Klägerin beteiligt werden sollte. Stiller Gesellschafter sollte Herr XJ werden. Zugleich schlossen die Klägerin und der aufzunehmende stille Gesellschafter am 1.12.2015 einen Vertrag über die Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass vom 18.12.2015 an eine atypisch stille Gesellschaft, d.h. eine Mitunternehmerschaft, besteht.

Im Juni 2016 beantragte die Klägerin für Vorauszahlungszwecke die Erteilung von Gewerbesteuermessbescheiden für die Kalenderjahre 2015 und 2016. Hierbei ermittelte sie für das Jahr 2015 unter Annahme eines gewerblichen Gewinns i.H.v. rd. 35.000 € einen Gewerbeertrag i.H.v. 34.800 € und wies darauf hin, dass der Gewerbeertrag um den Freibetrag gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG zu kürzen sei. Das Finanzamt setzte daraufhin den Gewerbesteuermessbetrag 2015 für die Klägerin mit Vorauszahlungsbescheid unter der Steuernummer ...20 auf rd. 1.200 € fest. Als Gewinn aus Gewerbebetrieb berücksichtigte es für die Zeit vom 1.1.2015 bis zum 17.12.2015 351/365-stel des von der Klägerin für das gesamte Jahr 2015 angenommenen Gewinns i.H.v. rd. 35.000 €, d.h. rd. 33.500 €. Abgerundet ergab sich demnach ein Gewerbeertrag von 33.500 €. Den Freibetrag für natürliche Personen und Personengesellschaften nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG gewährte das Finanzamt nicht.

Einen weiteren Vorauszahlungsbescheid für 2015 über den Gewerbesteuermessbetrag richtete das Finanzamt unter der Steuernummer ...03 an die Klägerin "als Inhaberin des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren still beteiligten Gesellschaftern". Der Bescheid erläuterte, dass der Gewinn zeitanteilig ab dem 18.12.2015 berücksichtigt worden sei. Dies führte unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG zu einer Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für Vorauszahlungszwecke in Höhe von 0 €. Gegen den unter der Steuernummer …20 ergangenen Vorauszahlungsbescheid vom 20.7.2016, dem der für den Zeitraum vom 1.1. bis 17.12.2015 ermittelte Gewinn zugrunde lag, legte die Klägerin Einspruch ein und bat um die Gewährung des vollen Freibetrages gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG i.H.v. 24.500 €. Außerdem beantragte sie, den von ihr ermittelten vorläufigen handelsrechtlichen Gewinn für das Jahr 2015 um einen bislang nicht berücksichtigten Investitionsabzugsbetrag zu kürzen, so dass sich ein Gewerbeertrag i.H.v. 26.400 € ergäbe, von dem der Freibetrag i.H.v. 24.500 € abzuziehen sei.

Das Finanzamt setzte daraufhin den Gewerbesteuermessbetrag 2015 für Vorauszahlungszwecke auf 889 € herab. Hierbei akzeptierte es die Kürzung um den Investitionsabzugsbetrag, versagte jedoch weiterhin die Gewährung des begehrten Freibetrages. Anschließend wies es den Einspruch der Klägerin gegen den Gewerbesteuermessbescheid für Vorauszahlungszwecke 2015 als unbegründet zurück. Während des Klageverfahrens erging ein Bescheid für 2015 über den Gewerbesteuermessbetrag, der gem. § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens wurde. Der Messbetrag wurde aufgrund eines Gewinns aus Gewerbebetrieb i.H.v. rd. 22.000 € und eines abgerundeten Gewerbeertrags i.H.v. 21.800 € auf 763 € festgesetzt. Dazu wurde erläutert, dass der Gewinn zeitanteilig bis zum 17.12.2015 berücksichtigt worden sei.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht erkannt, dass der Klägerin der Freibetrag für natürliche Personen und Personengesellschaften nicht zusteht.

Die Tätigkeit einer GmbH gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) und unterliegt daher der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Da sie als GmbH eine Kapitalgesellschaft ist, wird ihr Gewerbeertrag nicht um den Freibetrag für natürliche Personen und Personengesellschaften (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG) gekürzt. Ein stiller Gesellschafter ist Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn er Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Nimmt eine GmbH (wie hier) einen stillen Gesellschafter auf, der als Mitunternehmer zu behandeln ist - atypisch stiller Gesellschafter -, so handelt es sich bei der dadurch entstehenden sog. "GmbH & atypisch Still" um eine "andere Gesellschaft" i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind.

Objektiv oder sachlich gewerbesteuerpflichtig ist dann nicht die GmbH, sondern es sind die Beteiligten des atypisch stillen Gesellschaftsvertrags (Geschäftsinhaber und stille Gesellschafter) - als Mitunternehmer - unabhängig von ihrer fehlenden dinglichen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen; der von ihnen gemeinschaftlich geführte Betrieb bildet einen selbständigen Steuergegenstand. Dieser Gewerbebetrieb der atypisch stillen Gesellschaft besteht neben dem selbständigen Gewerbebetrieb der GmbH; für beide Gewerbebetriebe sind von der GmbH als der Inhaberin des Unternehmens eigenständige Gewerbesteuererklärungen abzugeben. Einer GmbH & atypisch Still ist der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG zu gewähren, obwohl der gesetzgeberische Grund des Freibetrages, die fehlende Abziehbarkeit der an Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlten Vergütungen, bei ihr nicht zutrifft. Der Gewerbeertrag ist bei unterjähriger Begründung einer Mitunternehmerschaft um den vollen und nicht bloß um einen zeitanteiligen Freibetrag zu kürzen.

Von der sachlichen Steuerpflicht der atypisch stillen Gesellschaft ist die persönliche Steuerpflicht zu unterscheiden. Bei der stillen Gesellschaft i.S.d. §§ 230 ff. HGB handelt es sich um eine Personengesellschaft in Form der Innengesellschaft. Für die atypische stille Gesellschaft gilt insoweit nichts anderes. Eine GmbH & atypisch Still kann als reine Innengesellschaft nicht Beteiligte in einem Verfahren wegen Gewerbesteuer sein, die für sie ermittelten Besteuerungsmerkmale sind deshalb in einem gegen den Geschäftsherrn - die GmbH - als Steuerschuldner gerichteten Gewerbesteuermessbescheid zu erfassen. Aufgrund des Fehlens eines gemeinschaftlichen Vermögens ist der Inhaber des Handelsgeschäftes, somit die GmbH, nach § 5 Abs. 1 GewStG Steuerschuldner hinsichtlich der Gewerbesteuer der atypisch stillen Gesellschaft. Die GmbH ist auch Adressat des die GmbH & atypisch Still betreffenden Gewerbesteuermessbescheids. 

Im Streitfall hat das Finanzamt zu Recht den streitbefangenen Gewerbesteuermessbescheid für 2015, der den gesamten Gewerbeertrag der Klägerin im gesamten Erhebungszeitraum berücksichtigt, an die Klägerin gerichtet. Der zweite, nicht streitige Gewerbesteuermessbescheid, der den Gewinn der vom 18.12.2015 an bestehenden atypisch stillen Gesellschaft betrifft und auf der sachlichen Steuerpflicht der GmbH und des stillen Gesellschafters als Mitunternehmer beruht, ist vom Finanzamt ebenfalls zutreffend an die Klägerin gerichtet worden. Der seit ihrer Begründung, d.h. dem 18.12.2015, erzielte Gewinn der Mitunternehmerschaft wurde zutreffend um den (vollen) Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG gekürzt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.03.2021 12:05
Quelle: BFH online

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